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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0203
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Kirchenordnung 1556

Das alles zu erlangen, betet mit andacht das hei-
lige vaterunser [Mt. 6, 9-13].
Und nach dem gebet: Nachdem wir etc., ut
supra.
Wann nun die vermahnung und gebet also ge-
endet, mag ein kurtzer gesang, wie es sich jedes
orts und nach der zeit leiden will, gesungen, dar-
auf nachvolgender gebet eines fürgesprochen und
mit dem gewönlichen segen [Nurn. 6, 24-26] die
versamlung heimgelassen werden.
Oratio.
66Allmechtiger Gott, der du durch den todt
deines sohnes die sünde und todt zunicht ge-
macht und durch sein auferstehung, unschuldt
und ewigs leben widerbracht hast, auf das wir,
von der gewalt deß teufels erlöset, in deinem
reich leben und durch die kraft derselbigen auf-
erstehung auch unsere sterbliche leib von den
todten sollen auferweckt werden. Verleihe uns
gnediglich, das wir solches vestiglich und von
gantzem hertzen glauben und die fröliche aufer-
stehung unsers leibs mit allen glaubigen erlangen
mögen, durch denselbigen deinen sohne Jhesum
Christum, unsern herrn, der etc.66
Alia oratio.
Barmhertziger Gott, himlischer vater, wir dan-
cken dir für deine unaußsprechliche gnade und
barmhertzigkeit, das du deinen lieben sohn, un-
sern herrn Jhesum Christum, darumb hast lassen
mensch werden, das er erstlich mit seinem todt
für unsere sünde bezalen und uns hernacher vom
ewigen todt helfen solte. Und bitten dich, erhalte
uns in solcher hoffnung, auf das wir ja nit daran
zweifeln, wie derselbige dein lieber sohne, unser
herr Jhesus Christus, der wittfrauen sohne [vgl.
Lk. 7, 11—15] (oder deß obersten döchterlin [vgl.
Mt. 9, 18-26] oder den verstorbenen Lazarum
[vgl. Joh. 11, 1-45]) durch sein wort hat aufer-
wecket, das er dergleichen auch am jüngsten tag
uns auferwecken und ewig wölle selig machen,
Amen.
Benedictio.
Der herr segne und behüte euch. Der herr er-
leuchte sein angesicht uber euch und sey euch
gnedig. Der herr erhebe sein angesicht auf euch
und geb euch friede [Num. 6, 24—26], Amen.
67Wie man die gefangne und zum todt verur-
theilte underrichten und trösten soll.67
Vorrede.
Nachdem auch eine notwendigkeit sein will,
das diejenigen, so das leben verwirckt, ehe und
dann das urtheil ihrentwegen gefellet, durch
ernstlichs ermahnen und scherpfen göttlichs ge-

66 66 Ähnlich in Kurpfalz 1556 als Kollektengebet des
Ostergottesdienstes, vgl. oben S. 155.
67-67 Wörtlich aus Veit Dietrichs Agendbüchlein, Seh-
ling XI, 1, 531; ähnlich in Zweibrücken 1557.

setzes zu erkantnuß ihrer sünden gebracht und
dann wider aus dem heiligen evangelio auf das
eynige zalopfer und gnugthuung Christi gewisen
und damit wider alle fürfallende anfechtung ge-
tröstet und aber nit jedweder kirchendiener hier-
innen geübt, haben wir für nützlich angesehen,
volgende formam unserer kirchenordnung anzu-
hengen, sich dieselben, an denen orten dergleichen
fürfallen würde, darnach hetten zu richten.
68 69Zum allerersten mag man fragen, warumb
sie da gefangen ligen, da wirdt man dann an der
antwort bald mercken, wie es umb ihr hertz stehe.
Etlicher wirdt schweigen, nichts bekennen oder
anheben, sich zu entschüldigen, wie er unschuldig
darein kommen etc. Etlicher wirdts bekennen,
aber doch mit eim trotz. Etlicher wirdts also be-
kennen, das man an worten und geberden sehen
muß, das er sehr bekümmert, voll leids und jamer
seye. In summa, es laß sich einer hie sehen, wie
er wölle, so kan man daraus ursach nemen, mit
ime zu handlen.
Alle handlung aber, er antworte, wie er wölle,
muß darauf bestehen: ist er blöd und forchtsam,
das man in mit Gottes güte und barmhertzigkeit
tröste, ist er verwegen und trotzig oder ungedül-
tig, das man im die sünde wol einreibe und ein
schrecken in in jage, das er sich erkenne und uber
seiner mißhandlung reu und laid lerne haben.
Wie nun solche zwey stück anzugreifen und zu
handlen seindt, wirdt hie einfältig nacheinander
angezeigt. Dann mit solchen leuthen und an sol-
chem ort will sich scharpfe kunst und subtiligkeit
nit leiden.
Vom schrecken.
Weil nun die sünde, welche von weltlicher ober-
keit mit dem schwerdt oder todt gestraft werden,
ohne alles mittel wider die zehen gebot seindt, soll
man es mit den zehen geboten anheben, wann man
den armen schrecken und zum erkantnuß seiner
sünden bringen wil, nemlich also: ob er auch je zu
der predig gangen, die zehen gebot Gottes ge-
lernet oder gehört habe. Sagt er, er habs nit ge-
hört, so weiß man, wie solches gottloß leben zu
strafen ist. Wo man nach Gott und seinem wort so
gar bey gesundem leib nichts gefragt hat und
Gott derhalb solche rohe leuth widerumb ver-
achtet und in solche sünde, schand und noth fal-
len läßt. Sagt er aber, er hab es wol gewust und
gehört, so volgt, das die sünde desto grösser seye,
weil er sich darvor nit gehütet und Gottes wort
nit gevolget hat.
Zum andern ist solche sünde nit allein wider
Gott und sein wort, sonder auch wider die obrig-
keit und den nechsten, das also ein solcher mensch
zugleich sich wider Gott und weltliche oberkeit
68-68 Fast wörtlich aus Veit Dietrichs Agendbüchlein,
Sehling XI, 1, 531-537.
69-69 Ähnlich auch in Zweibrücken 1577.

12 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz

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