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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0215
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Kirchenordnung 1556

mittler und versüner und zu unsrer gerechtigkeit
und zum seligmacher verordnet ist.
Dise predig straft erstlich alle sünd und fürnem-
lich dise grosse sünd im gantzen menschlichen ge-
schlecht, das auch nach gegebner verheissung die
welt den son Gottes nicht erkhennen wil. Darumb
spricht der herr selbs im 16. cap. Johannis [8-9]:
Der heilige geist wirdt die welt strafen von wegen
der sünd, das sie nicht an mich glauben, und der
ander Psalm [12] spricht: Osculamini filium etc.57.
Und neben disem strafen des unglaubens und
aller anderer sünden verkündiget das evangelium
disen ewigen, gnedigen trost, das uns Gott gewißlich
umb seines sons Jesu Christi willen geben wil aus
gnaden, on unser verdienst, gratis, vergebung der
sünd und wil uns umb seins sons willen gerechtig-
keit zurechnen und uns annemen durch den glauben
an den herrn Jesum Christum, der alsdenn uns disen
trost in die hertzen spricht und in uns ist und gibt
uns seinen heiligen geist und macht uns erben der
ewigen seeligkeit.
Dises aber geschicht nicht anderst denn also,
allein durch glauben, das ist, so dein hertz in rechter
angst und schrecken vor Gottes zorn dem evangelio
glaubet, das dir selbs umb des herrn Christi willen
gewislich deine sünd vergeben sind und das dir
Gott gnedig sey und neme dich an umb des herrn
Christi willen, nicht von wegen des gesetzes oder aus
verdienst deiner werck.
Und ist das evangelium nicht ein neue predig, die
vor der geburt Christi ausser58 der jungkfrauen
Maria zuvor nicht gewesen were, sondern die verheis-
sung vom heiland Christo, der sünd und tod hin-
wegknimpt59 und gnad und ewigs leben widergibt,
ist alsbald verkündiget worden nach Adams und
Eva übertretung. Und ist also die predig des evan-
gelii zur selbigen zeit angefangen und ist der son
Gottes selbs der prediger gewesen, der erstlich die
grosse sünd Adams und Eva gestraft hat. Und hat
darbey die gnedige verheissung ausgesprochen,
die zuvor keine creatur gewust hat: Der frauen
samen wirdt der schlangen den kopf zertreten
[Gen. 3, 15].
Disen trost hat der son Gottes zugleich im eusser-
57 Neuburg 1554: + küsset den son.
58 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: auß.

lichen wort inen fürgetragen und selbs in ire hertzen
gesprochen und hat also Adam und Eva aus dem
ewigen tod errettet und widerumb lebendig ge-
macht, wie Joh. 1. [4] geschriben ist: In im war das
leben. Und hat sie zugleich mit seinem heiligen geist
gesterckt, das sie widerumb freud an Gott gehabt
haben und haben also widerumb Gott dürfen an-
rüfen und seine gnad und gegenwertigkeit erkhent
und haben in disem glauben auf den künftigen sa-
men, den sie dieselbige zeit im wort erkhent haben,
für und für trost gehabt, das inen Gott umb des-
selbigen herrn willen gnedig sey und haben in an-
gerüfen, im gedient und das ewig leben erwartet.
Durch dise verheissung hat der son Gottes für und
für ein offenliche kirche erhalten, darin allezeit et-
lich außerwelte gewesen sind, und ist sonst kein ver-
samlung auf erden, die warhaftig Gottes kirche sey
denn allein dise, darin rechte leere vom son Gottes
geprediget wirdt.
Und ist hie seer nötig, oft die leut zu erinnern,
das sie festigklich glauben sollen, das die predig oder
betrachtung des evangelii nicht ein vergeblich
schallen oder fliegende gedancken sey, sonder das
der son Gottes selbs damit kreftig sein und wircken
wil, wie Roma. 1. [16] geschriben ist: Das evangelium
ist ein kraft Gottes zur seligkeit allen, die daran
glauben. 2. Cor. 3. [6]60: Das evangelium ist ein ampt
des geistes, das ist, dardurch der heilig geist gegeben
wirdt und wircket. Gal. 3. [14]60: Das wir die ver-
heissung des geistes empfahen durch glauben. 1. Pet.
1. [23]60: Ir seid widergeborn durch das lebendige
wort Gottes und, das allezeit bleibt. Esai. 45. [23-
25]: Durch mich selbs hab ich geschworen: Aus mei-
nem mund wirdt ein wort der gerechtigkeit außgeen,
das wirdt nicht vergeblich sein, nemlich, das vor mir
alle die knie biegen sollen und mich anrüfen und
sprechen: Warhaftigklich, im herren habe ich ge-
rechtigkeit und sterck. Und solche werden zu im
kommen und alle, die im widerstreben, werden zu
schanden werden. Aber aller same Israel wirdt im
herrn gerecht werden und in preisen.
Dise und dergleichen zeugknus sollen wir oft be-
trachten, das wir festigklich glauben, das Gott durch
sein evangelium gewißlich kreftig sey.
59 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: wegnimbt.
60 Neuburg hat diese Stellenangaben als Marginale.

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