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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0227
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Kirchenordnung 1556

man sonst nennet reu und leid von wegen der sün-
den, das ist, eigentlich, warhaftig erschrecken vor
Gottes zorn wider die sünd, clarvon Ezechias spricht:
Wie ein leu hat Gott alle meine gebein zerschmettert
[Jes. 38, 13]. Und das dise angst nicht. faule gedan-
cken sind, lernen endtlich alle menschen in grau-
samer erfarung.
Das ander stuck in conversione ist glauben, das
dir deine sünde vergeben sind und das dir Gott
widerumb gnedig sey umb des herrn Christi willen
on verdienst, gratis.
Wenn das hertz also mit glauben und vertrauen
auf den son Gottes getröst wirdt, so wirckt der son
Gottes im hertzen leben und freud und gibt dir sei-
nen heiligen geist. Denn dieweil es bekerung sein
soll, so müssen wir nicht in der angst und helle
stecken bleiben, da fluch und zorn wider Gott ist,
sondern wir müssen widerumb zu Gott kommen, der
uns leben, gnad und gerechtigkeit mitteilen wil
durch den son. Und das cliser trost auch nicht ein
fauler gedanck sey, wissen die christlichen hertzen,
die aus der grossen angst durch glauben erquicket
sind, wie Paulus spricht: So wir durch glauben ge-
recht sind, haben wir friden17 bey Gott [Röm. 5, 1].
Und denn verstehet man den spruch Augustini:
Credens scit se credere18.
Von disem glauben ist zuvor gesagt, das er das
evangelium, das ist, die verheissung der gnaden an-
schauet. Und dienet darzu die absolutio, welche
auch das evangelium den geengstigten hertzen, die
trost begeren, fürtregt und aclpliciert. Und spricht:
Nicht allein andern, sondern auch dir sind cleine
sünd gewißlich vergeben, so du auf den herrn Chri-
stum vertrauest. Und solt die absolution als die
stimme des evangelii annemen, wie David seine ab-
solution anzunemen und zu glauben schuldig war,
das Nathan sprach: Der herr hat deine süncle hin-
wegkgenommen19 [2.Sam. 12, 13].
Und ist der befelch, sünden zu vergeben, ausge-
druckt Joh. 20. [23]: Welchen ir die sünde vergebt,
denen sind sie vergeben und, welchen ir sie behaltet,
clenen sind sie behalten, und Matth. 18. [21-22]:

l 1577: gespeyet.
17 Neuburg 1554: sünde [!].
18 Neuburg 1554: + der glaubig weiß, das er glaubt.

Wie oft soll ich vergeben? etc. sibentzigmal siben-
mal.
Darumb, wiewol die leut wissen sollen, das erze-
lung20 der sünden in der beicht nicht nötig ist und
niemandt darzu soll gedrungen werden, soll dennoch
die privatabsolution in der kirchen erhalten werden,
welche alle betrübten, gesund oder kranck, begeren
mögen, so oft sie wöllen. Und ist diser brauch et-
lichen kirchen nutzlich, das jede person insonder-
heit vor der communion die privatabsolution suchet.
In disem gesprech kan man das junge volck vom
glauben fragen und unclerrichten. Und disen brauch
wöllen wir in unsern kirchen auch behalten. 21Und
sollen die pastores niemandt, der in öffentlichen la-
stern, die notoria sind, beharret, zur communion zu-
lassen21.
Das dritte stuck ist angefangner gehorsam, das du
nach der bekerung forthin nicht widerumb in sün-
den wider das gewissen lebest. Den sünde wider das
gewissen stossen den heiligen geist aus und werfen
den menschen widerumb in Gottes zorn. Sonder die
angefangne bekerung soll in diser regel bleiben, dar-
von Paulus spricht: Ube ein gute ritterschaft, erhalt
glauben und gut gewissen [l.Tim. 1, 18-19]. Item
Rom. 6. [12-13]: Die sünd soll nicht herrschen in
eurem leibe, sondern eure glidmas sollen waffen sein
der gerechtigkeit. Wir sollen Gottes wonung bleiben,
das er uns für und für mehr erleuchte und reinige,
das anrüfung und die erkhentnus des herrn Christi
und recht vertrauen auf den son Gottes in uns ster-
cker werde und wir unsere unreinigkeit mehr er-
khennen und beklagen und die sünde und ursachen
der sünden meiden und nicht widerumb, wie die
huncle, auflecken, was wir gespyen221 haben.
Was strafen wir fürnemlich in der bepstlichen
leere in disem artickel von der poenitentia?
Die bepstliche leere von der poenitentia ist ein
grundsuppe viler grosser irrthumb. Und ist bey inen
selbs also verwirret, das sie sich selbs nit versteen.
Haben auch damit vil menschen auf falsch ver-
trauen oder in verzagung gefüret.
19 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: weggenom-
men. 20 Neuburg 1554: entzelung.
21-21 Fehlt Neuburg 1554.
22 Neuburg 1554: gespeit.

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