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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0229
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Kirchenordnung 1556

gelii. Denn sie weisen den menschen auf eigne be-
sondere werck und nicht auf die vergebung umb des
herrn Christi willen, one verdienst zugesagt.
Dises ist hie zu erinnerung kurtz gemeldt und sol-
len die gelerten aus des eernwirdigen herrn Lutheri
schriften darvon weitern bericht haben. Denn es
stecken vil groswichtiger sachen im gantzen artickel
von der bekerung und ist hochnötig, rechten ver-
stand darvon in der christenheit zu erhalten.
Was christliche kirche sey und wo sie sey und
durch welche zeichen sie zu erkhennen sey.
Christliche kirche in disem leben ist ein sichtbare
versamlung aller menschen, die reine leere des evan-
gelii annemen und rechten brauch der sacrament
haben. In welcher versamlung der herr Christus
durch den dienst des evangelii kreftig ist und vil zum
ewigen leben bekert und heiliget. Und sind gleich-
wol in diser versamlung vil, die nicht heilig sind,
doch in eusserlicher gemeinschaft eintrechtig mit
den heiligen in der leere.
Hie merck, das wir nicht von der kirchen als von
einer idea platonica reden, da niemandt wisse, wo
sie zu finden sey. Sonder, wie droben gesagt ist,
Gott wil aus grosser barmhertzigkeit gegen dem
menschlichen geschlecht im für und für ein heuflin
samlen, das in und den heiland Jesum Christum recht
erkhenne und anrüfe. Und wil darumb, das seine
leere offentlich geprecligt werde, wie im Psalm [19,
5] geschriben ist: In alle lancl ist ire stim ausgangen.
So oft wir nun disen artickel im symbolo spre-
chen: Ich glaube, das ein heilige kirche sey, das ist,
eine versamlung, die das evangelium in rechtem,
gleichen verstand helt, darin vil außerwelte sind zu
ewiger seligkeit, sollen wir uns der göttlichen zu-
sage34 trösten, die bezeugt, das der son Gottes gewiß-
lich für und für bis zu der auferweckung der todten
ein ewige kirche in menschlichem geschlecht samlet.
Darnach sollen wir uns auch umbsehen, wo die-
selbige ist, nemlich, wo dise zeichen gefunden wer-
den, die nicht verborgen sein könden, sonder mit
k GMMH: zerritten.
34 Neuburg 1554: zusagung.
35 Neuburg 1554: Ebroniter, Arianer.
36 Fehlt hier Neuburg 1554.
37 Neuburg 1554: + die es mit keinem theil halten.

ohren und augen zu mercken sind, nemlich reine leer
des evangelii, rechter brauch der sacrament und der
gehorsam gegen dem ministerio in göttlichen geboten.
Da ist nun klar, das alle menschen ausgeschlossen
werden, die dise zeichen nicht haben, als nemlich
heiden, Mahometisten, die jetzigen Juden, ketzer,
Ebioniten35, Manicheer, Arianer36, Pelagianer etc.
und alle verfolger reiner leer des evangelii, bapst,
bischove und ire anhenger, die auch wissentlich zur
verfolgung helfen.
Und disen bericht müssen alle menschen wissen,
rechte glidmas der kirchen von den falschen zu un-
derscheiden. Darzu ist die regel allen menschen für-
gestellt Gal. 1. [8]: Wer ein ander evangelium predi-
get, denn ich gepredigt hab, spricht Paulus, der sey
verflucht.
So wir nun wissen, wo und welche die rechte kir-
che Gottes ist, sind alle menschen schuldig, sich zu
derselbigen zu halten und in derselbigen burger und
glidmas zu werden, mit derselbigen Gott anrüfen,
bekhennen, sacrament empfahen, rechte leere helfen
pflantzen und dise versamlung helfen erbauen, nicht
zerrüttenk. Wie dises ausgedruckt ist Psalm 26.
[5-6]: Ich hasse die versamlung der gottlosen, ich
halte mich, herr, zu deinem altar, und Psalm 27. [4]:
Dises einig hab ich gebeten vom herrn, das ich alle
meine tage bleib im hause des herrn, und Psalm 84,
[5]: Wol denen, die im hause des herrn wonen, und
Psalm 92. [14-15]: Die in das haus des herrn ge-
pflantzt sind, die werden blüen, und Psal. 122. [6]:
Ir solt Jerusalem alles guts wündschen. Und wer sie
liebet, dem wirdt guts widerfaren, Matth. 12. [30]:
Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, item Rom.
8. [30]: Welche er erwelet hat, die hat er auch berufen.
Dises alles soll man betrachten, so wir disen ar-
tickel sprechen: Ich glaube ein heilige kirche. Und
sollen uns selber zur rechten kirchen halten und
nicht zu den verfolgern. Sollen auch nicht wöllen
neutrales sein37, sollen nicht im land irrlaufen und
eigne opiniones38 tichten und alle ministeria39 und
kirchen tadlen, 40wie Stenckenfeld41 thut etc.40.
38 Neuburg 1554: + eigen meinung.
39 Neuburg 1554: + kirchendienst.
40-40 Fehlt Neuburg 1554.
41 Schimpfname für Kaspar Schwenckfeld von
Ossig (1489-1561), den Spiritualisten.

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