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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0230
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Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

Und so wir in der rechten kirchen glidmas sind
und sind zu Gott bekert, so haben wir42 im hertzen
zeugknus, das wir Gottes kinder sind und empfin-
den42a warhaftigen trost an Gott, Rom. 8. [15]: Ir
habt empfangen den heiligen geist, dardurch ir zu
Gott riifen köndt: Abba, lieber vater.
Warumb die christlich kirch under das creutz
gelegt sey.
Diser schein macht die vernunft irr, das zugleich
Gottes volck im leiden und elend ist wie andere heid-
nische völcker, die christliche leere offentlich ver-
achten, als heiden und Türcken etc. Darumb ist
hochnötig, die leut wol zu underrichten, das sie wis-
sen, warumb die kirch under das creutz gelegt und
also elendigklich zerstreut ist in die welt under aller-
ley völcker und weltliche herrschaften. Und obgleich
Gott beyweilen ein fridliche herberg gibt under ei-
ner herrschaft, die auch Gott und den herrn Chri-
stum recht erkhennet und recht anrüfet, so ist doch
die kirche nicht ein königreich, das eigne weltliche
macht und schutz habe, wie sich der bapst zu einem
könig macht.
Und ist wunderbarlich, Gott erhelt für und für
sein kirche auf erden und lasst sie gleichwol in ver-
folgung bleiben, als da Abel getödt war und nun
Cain von Gott abgefallen war [vgl. Gen. 4], da war
die kirch vil enger worden, und waren Adam und
Eva selbs in tiefer betrübnus. Aber sie bliben die
kirch und wurden durch Gott im glauben gesterckt
und im leben erhalten. Und gab inen Gott hernach
widerumb einen son, der zu Gott bekert ward und
in rechter bekhentnus blib [Gen. 4, 25-26]. Also für
und für erhelt Gott eine versamlung, obgleich vil
glidmas getödt werden und die übrigen auch in be-
trübnus leben.
Hie sollen wir ursach und trost wissen, damit wir
nicht gedencken wie die heiden, dieweil alle völcker
mancherley elend haben und alle menschen des tods
gewertig sind, Gott achte ein volck wie das ander.
Und sollen die leut wider die heidnische gedancken

42 Neuburg 1554: + auch.
42 a Mecklenburg 1554: fülen.
43 Neuburg 1554 und Mecklenburg 1554: zerstörung.
44 Neuburg 1554: ernsten.

durch göttliche leere fleissig underricht und ge-
streckt werden.
Erstlich ist war, alle menschen, heiden und Gottes
kinder, sind alle zugleich in dem todt gesteckt von
wegen der erbsünd [vgl. Röm. 5, 12-14]. Darzu
straft Gott der heiden und seiner außerwelten
eusserliche sünden mit vilen leiblichen strafen, hun-
ger, kranckheiten, krieg, zerstörungen43. David
wirdt verjagt von wegen des eebruchs und tod-
schlags [vgl. 2.Sam. 15-18] wie andere heidnische
könig, Thyestes, Tarquinius Superbus etc. Jerusa-
lem wirdt grausamlich zerstört [vgl. 2. Kg. 25] wie
Troja oder Thebe etc. Dise strafen geen auch also
durch die welt, heiden und Gottes volck. Denn
Gott helt seine regel, eusserliche sünden straft er
auch mit leiblichen plagen, alle menschen zu er-
innern, das er weiß und gerecht sey und habe einen
ernstlichen44, warhaftigen grossen zorn wider die
sünd.
Aber wie underscheid ist zwischen den zweien
schechern, die neben dem herrn Christo hangen [vgl.
Lk. 23, 33; 39-43], also ist underscheid zwischen
den heiligen und gottlosen in disem leiblichen elend
und strafen. Der bekerte mörder und der spötter
sterben beid leiblich, aber der gottlose felt in ewige
straf, der ander kompt in ewige seligkeit und em-
pfindt44a im hertzen freude an Gott und den an-
fang ewiger seligkeit.
Also, obgleich Abel [vgl. Gen. 4] und die armen
kindlein in Egypten [vgl. Ex. 1, 15-22] oder zu
Bethlehem [vgl. Mt. 2, 16] grausamlich ermördt
werden, so kommen sie doch in ewige seligkeit, aber
das volck zu Sodoma [vgl. Gen. 19] etc.45 fellt nach
der leiblichen straf in ewige, grössere46 strafen.
Oft wirdt auch die zeitliche straf den bekerten
gelindert, wie Gott spricht: Rüf mich an in der trüb-
sal, so wil ich dich erretten etc. [Ps. 50, 15].
Also ist nun dise erste ursach, darumb die kirche
dem leiblichen tode und andern strafen noch under-
worfen ist, das dise menschliche natur sündig ist.
Und Gott wil das sündig wesen zerbrechen. Darumb
44 a Mecklenburg 1554: fület.
43 Fehlt Neuburg 1554.
48 Neuburg 1554: grosse.

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