Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (14. Band): Kurpfalz — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1969

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30629#0234
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Regierungszeit Ottheinrichs 1556-1559

hange, der nicht allein die straf für dieh getragen
hat, sonder ist auch selbs der erhalter diser schwa-
chen natur, dieweil er sie selbs also an sich genom-
men hat.
Vom gebet.
Was nennet man gebet?
Antwort:
Bitten und dancksagung. Dise zwey werck sollen
beide zugleich geübt werden und sind die höhesten
gottesdienst. Denn darin betracht man, wer Gott ist,
wie er sich geoffenbart habe und erkhent in als all-
mechtig, gnedig und einen helfer etc.
Und ist bitten, vergebung der sünd, gnad, geist-
liche und leibliche hilf und güter von Gott in gutem
gewissen und glauben umb des fürbitters Christi
willen begeren und nicht im zweifel stecken bleiben,
ob dein gebet Gott gefellig und fruchtbar sey.
Und man mag zu underricht dise ordnung halten,
das zum bitten fürnemlich dise fünf stuck gehören.
Das erst. Du solt anfengklich betrachten, wen du
ansprechen wöllest, wer Gott ist und wie er sich ge-
offenbaret hat. Und solt dein anrüfung weit von
aller heiden, Türcken und secten anrüfung absön-
dern. Denn also steet geschriben: Den herrn, deinen
Gott, soltu anbeten und im allein dienen [Mt. 4, 10;
vgl. Deut. 6, 13]. Darumb soll dein hertz disen war-
haftigen Gott ansprechen, der sich durch den herrn
Jesum Christum geoffenbart hat und hat zeugknus
von sich geben durch seine wunderthaten, aufer-
weckung der todten und andere. Und solt weiter be-
trachten, was er ist, nemlich ein allmechtig, ewig,
einig wesen, vol weißheit, gütigkeit, gerechtigkeit,
barmhertzigkeit, warhaft, rein und keusch, frey-
willig, und das in disem ewigen wesen sind drey per-
sonen, der ewig vater, der son Jesus Christus und
der heilige geist, welche personen alles erschaffen
haben, und das dises warhaftig göttlichs wesen den
menschen gnedig sein wöll und wil sie gewißlich er-
hören und selig machen umb des herr Christi willen.
Das alles ist nötig in aller anrüfung anfengklich
zu betrachten. Und magst zu erinnerung die tauf
des herrn Christi mit dem glauben anschauen, gleich
1 MM: bedencken.

als werestu selbs am Jordan die zeit gestanden bey
Johanne und andern heiligen, da die drey personen
underschidlich geoffenbaret sind [vgl. Mt. 3, 16-17].
Das ander. Betrachtung der gebot vom anrüfen
und, warumb Gott dises gebot gegeben habe und so
gros achte. Gott selbst treibt dich zur anrüfung.
Denn er wil uns helfen und wil darbey erkhant sein,
wie er sey, nemlich allmechtig, weiß, gütig etc. Das
lernet man fürnemlich in66 der anrüfung, darumb
achtet er disen dienst hoch. Denn darin gibt man
Gott die höhste eere, darmit er underscheiden ist
von allen creaturen.
Darzu soltu etliche gebot gedencken1, Matth. 7.
[7]: Bittet, so werdet ir empfahen. Luc. 18. [1]: Man
soll allezeit bitten und nicht lass werden. Psalm 50.
[15]: Rüf mich an in der not, so wil ich dich erretten.
Das dritte. Betrachtung beiderley verheissungen,
von der gnad und von zeitlicher hilf.
Dise sprüch reden von vergebung der sünden,
Joh. 3. [16]: Also hat Gott die welt geliebt, das er
seinen eingebornen son gegeben hat, das alle, die an
in glauben, nicht verloren werden, sonder das ewig
leben haben, und in Actis cap. 10. [43] und Rom. 3.
[24-25].
Von zeitlicher hilf reden folgende verheissungen.
Matth. 6. [33]: Erstlich suchet das reich Gottes und
sein gerechtigkeit, so wirdt euch dises alles zuge-
geben. l.Timoth. 4. [8]: Die gottseligkeit hat ver-
heissungen des jetzigen und des künftigen lebens.
Psal. 37. [19]: Zur zeit des hungers werden sie ge-
speiset werden.
Das vierdt. Glaub und vertrauen, dardurch bei-
derley verheissungen angenommen werden. Denn
die verheissungen sind dem, der sie nicht67 mit glau-
ben annimpt, vergeblich. Und ist hie seer wol zu
mercken, das diser glaub, der vergebung der sünden
und gnad annimpt umb des herrn Christi willen, alle-
zeit vorleuchten mus. Denn das hertz, das nicht ver-
gebung der sünden hat, ffeucht vor Gott etc. Item,
wer in bösem gewissen und bösem fürsatz verharret,
kan auch nicht zu Gott umb hilf schreyen, sonder
in allem gebet muß bekerung zu Gott sein und diser
glaub von der gnad. Darumb spricht der herr Joh.68
66 Neuburg 1554: an.
67 Fehlt Neuburg 1554.
68 Neuburg 1554: + am.

208
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften