Kirchenordnung 1556
16. [23]: Warlich, warlich, sage ich euch, alles, was ir
den vater bitten werclet in meinem namen, das
wirdt er euch geben. In meinem namen, das ist, im
glauben und vertrauen auf den herrn Jesum Chri-
stum.
Darnach folgen die bitt von zeitlicher hilf. Da
bleibt der glaub in gemein darauf, das dise anrüfung
nicht vergeblich sey und setzt Gott nicht zeit oder
weis, wenn oder wie er helfen soll. Denn wir wissen
beides, das Gott gewißlich die kirche in disem leben
auch erhalten wil und wil dennoch, das sie under
dem creutz sey.
Und mus der glaub von der gnad und hoffnung der
ewigen erlösung fest bleiben, wenn 69gleich Gott69
die zeitliche straf über uns geen lasst, wie die zeit-
liche straf über den bekerten mörder am creutz
gieng [vgl. Lk. 23, 39-43] und vil mörder, die bekert
werden, gleichwol die straf tragen müssen von we-
gen göttlicher ordnung. Hie mus dennoch die regel
Job bleiben: Und ob er mich tödtet, so wil ich den-
noch auf in hoffen [Hiob 13, 15].
Das fünfte. Betrachtung geistlicher und leiblicher
notdurft, was man bitten soll, als nemlich, wir sollen
nicht bitten, was Gott verboten hat, als hilf in un-
rechten sachen. Alles aber, das uns gut ist nach Got-
tes geboten, das sollen wir bitten, vergebung der
sünden, gnad, verstand, sterckung durch den son
Gottes und heiligen geist im glauben und allen tu-
genden, ewiges leben, trost in betrübnus, schutz
wider die teufel etc., darnach alle nötige ding zum
zeitlichen leben, gesundtheit, narung, guten rat und
in gemein selige kirchenregierung, landfriden, die
früchte der erden, löbliche weltliche regiment, wol-
fart deiner eignen kinder etc.
Dises alles wil Gott bey im gesucht haben, das wir
lernen, das er weiß und gut ist und geb darumb sol-
che güter, dises zu erkhennen, item, das er selbs war-
haftigklich das menschlich leben erhalte und wölle
sonderlich der kirchen umb seines sons willen hilfe
thun und erhalte und bschütze sie durch seinen son
Jesum Christum wider alle teufel. Und in summa,
ernstlich gebet ist hohe weisheit und lernet ein
mensch seer vil in solcher betrachtung. Darumb
69- 69 Neuburg 1554: Gott gleich.
70- 70 Neuburg 1554: in also.
sollen die prediger das volck zum gebet oft ermanen
und inen die gemeine form, die der herr Christus
selbs gemacht hat [Mt. 6, 9-13], treulich erkleren,
das sie ir selbs notdurft darein fassen lernen.
Zum bitten gehört auch allezeit dancksagung, wie
Paulus spricht l.Thess. 5. [17-18]: Ir solt allezeit
beten und in allen gaben dancken. Und Psalm 50.
[15]: Rüf mich an in der not, so wil ich dich erretten,
und du solt mich preisen etc.
Es ist zumal ungleich, vil fordern und nicht wöllen
dancken. Darumb sollen wir uns auch zu hertzlicher
dancksagung erwecken und wissen, das Gott danck-
barkeit fordert. Und sind zwo grosser tugenden in
die danckbarkeit gefasset, warheit und gerechtig-
keit. Warheit bekhennet, von welchem die wolthat
herkomme, gerechtigkeit verpflicht dich dem wol-
theter widerumb zu dienen.
Und fordert Gott fürnemlich dise warheit von uns,
das wir erkhennen und bekhennen, das er der helfer
sey, damit wir 70also in auch70 erkhennen lernen
und wissen, das er weiß und gut ist etc. und wissen,
das er uns umb des herrn Christi willen und durch in
hilfe thut.
Und damit das volck sich gewehne zur betrach-
tung, wen sie ansprechen71, und zu betrachtung der
personen mag man inen dise oder dergleichen form
fürsagen.
O allmechtiger, warhaftiger Gott, ewiger und ei-
niger vater unsers heilandes Jesu Christi sampt dei-
nem eingebornen son und heiligen geist, erschaffer
himmels und der erden, der engeln, menschen und
aller creaturen, der du bist weiß, gütig, gerecht,
warhaftig, rein, barmhertzig und freywillig. Ich be-
khenne, das ich leider ein armer, sündiger mensch
bin, und ist mir hertzlich leid, das ich dich erzürnet
habe. Ich bitte dich aber, du wöllest mir gnedigklich
alle meine sünde vergeben und mich gerecht machen
umb deines allerliebsten sons Jesu Christi willen und
durch in, der für unsere sünd ein opfer gewesen ist
und am creutz gestorben und ist widerumb aus dem
tode auferstanden und lebet in ewigkeit und ist aus
unaussprechlicher weißheit und barmhertzigkeit
zum mittler, versüner, fürbitter für uns und selig-
71 Neuburg 1554: außsprechen.
14 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz
209
16. [23]: Warlich, warlich, sage ich euch, alles, was ir
den vater bitten werclet in meinem namen, das
wirdt er euch geben. In meinem namen, das ist, im
glauben und vertrauen auf den herrn Jesum Chri-
stum.
Darnach folgen die bitt von zeitlicher hilf. Da
bleibt der glaub in gemein darauf, das dise anrüfung
nicht vergeblich sey und setzt Gott nicht zeit oder
weis, wenn oder wie er helfen soll. Denn wir wissen
beides, das Gott gewißlich die kirche in disem leben
auch erhalten wil und wil dennoch, das sie under
dem creutz sey.
Und mus der glaub von der gnad und hoffnung der
ewigen erlösung fest bleiben, wenn 69gleich Gott69
die zeitliche straf über uns geen lasst, wie die zeit-
liche straf über den bekerten mörder am creutz
gieng [vgl. Lk. 23, 39-43] und vil mörder, die bekert
werden, gleichwol die straf tragen müssen von we-
gen göttlicher ordnung. Hie mus dennoch die regel
Job bleiben: Und ob er mich tödtet, so wil ich den-
noch auf in hoffen [Hiob 13, 15].
Das fünfte. Betrachtung geistlicher und leiblicher
notdurft, was man bitten soll, als nemlich, wir sollen
nicht bitten, was Gott verboten hat, als hilf in un-
rechten sachen. Alles aber, das uns gut ist nach Got-
tes geboten, das sollen wir bitten, vergebung der
sünden, gnad, verstand, sterckung durch den son
Gottes und heiligen geist im glauben und allen tu-
genden, ewiges leben, trost in betrübnus, schutz
wider die teufel etc., darnach alle nötige ding zum
zeitlichen leben, gesundtheit, narung, guten rat und
in gemein selige kirchenregierung, landfriden, die
früchte der erden, löbliche weltliche regiment, wol-
fart deiner eignen kinder etc.
Dises alles wil Gott bey im gesucht haben, das wir
lernen, das er weiß und gut ist und geb darumb sol-
che güter, dises zu erkhennen, item, das er selbs war-
haftigklich das menschlich leben erhalte und wölle
sonderlich der kirchen umb seines sons willen hilfe
thun und erhalte und bschütze sie durch seinen son
Jesum Christum wider alle teufel. Und in summa,
ernstlich gebet ist hohe weisheit und lernet ein
mensch seer vil in solcher betrachtung. Darumb
69- 69 Neuburg 1554: Gott gleich.
70- 70 Neuburg 1554: in also.
sollen die prediger das volck zum gebet oft ermanen
und inen die gemeine form, die der herr Christus
selbs gemacht hat [Mt. 6, 9-13], treulich erkleren,
das sie ir selbs notdurft darein fassen lernen.
Zum bitten gehört auch allezeit dancksagung, wie
Paulus spricht l.Thess. 5. [17-18]: Ir solt allezeit
beten und in allen gaben dancken. Und Psalm 50.
[15]: Rüf mich an in der not, so wil ich dich erretten,
und du solt mich preisen etc.
Es ist zumal ungleich, vil fordern und nicht wöllen
dancken. Darumb sollen wir uns auch zu hertzlicher
dancksagung erwecken und wissen, das Gott danck-
barkeit fordert. Und sind zwo grosser tugenden in
die danckbarkeit gefasset, warheit und gerechtig-
keit. Warheit bekhennet, von welchem die wolthat
herkomme, gerechtigkeit verpflicht dich dem wol-
theter widerumb zu dienen.
Und fordert Gott fürnemlich dise warheit von uns,
das wir erkhennen und bekhennen, das er der helfer
sey, damit wir 70also in auch70 erkhennen lernen
und wissen, das er weiß und gut ist etc. und wissen,
das er uns umb des herrn Christi willen und durch in
hilfe thut.
Und damit das volck sich gewehne zur betrach-
tung, wen sie ansprechen71, und zu betrachtung der
personen mag man inen dise oder dergleichen form
fürsagen.
O allmechtiger, warhaftiger Gott, ewiger und ei-
niger vater unsers heilandes Jesu Christi sampt dei-
nem eingebornen son und heiligen geist, erschaffer
himmels und der erden, der engeln, menschen und
aller creaturen, der du bist weiß, gütig, gerecht,
warhaftig, rein, barmhertzig und freywillig. Ich be-
khenne, das ich leider ein armer, sündiger mensch
bin, und ist mir hertzlich leid, das ich dich erzürnet
habe. Ich bitte dich aber, du wöllest mir gnedigklich
alle meine sünde vergeben und mich gerecht machen
umb deines allerliebsten sons Jesu Christi willen und
durch in, der für unsere sünd ein opfer gewesen ist
und am creutz gestorben und ist widerumb aus dem
tode auferstanden und lebet in ewigkeit und ist aus
unaussprechlicher weißheit und barmhertzigkeit
zum mittler, versüner, fürbitter für uns und selig-
71 Neuburg 1554: außsprechen.
14 Sehling, Bd. XIV, Kurpfalz
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