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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Bergholz, Thomas [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (18. Band = Rheinland-Pfalz, 1): Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.30658#0042
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Pfalz-Zweibrücken

4. Zuchtordnung 1539 (Text S. 67)
Die Zuchtordnung schreibt für die einzelnen Gemeinden einen Ältestenrat vor, dem neben dem Pfarrer
sechs Laien (Censoren genannt) angehören, zwei aus dem Rat und vier aus der Gemeinde, der alle zwei bis
drei Wochen zusammentreten und als Kirchenzuchtmaßnahme je nach Schwere des Vergehens abgestufte
Ermahnungen austeilen kann; letztes Mittel ist der Ausschluss vom Abendmahl.
Mit diesen Ordnungen hat die pfalz-zweibrückische Landeskirche ein vorläufiges Gerüst erhalten, das
sich wie folgt zeichnen lässt: Der Zweibrücker Pfarrer als faktischer Inspektor an der Spitze, dem je nach
Bedarf eine Landessynode mit Vertretern der Geistlichkeit aus den Ämtern des Landes zur Seite tritt. Die
Visitation wird kollegial durch die regelmäßigen (ein- bis zweimal jährlichen) Konvente der Pfarrer eines
Amtes durchgeführt, dazu treten in größerem Abstand Spezialvisitationen durch die Obrigkeit unter Mit-
wirkung Schwebels.
Diese Regeln zur Pfarrwahl und zur Gemeindezucht werfen ein bezeichnendes Licht auf die Eigenstän-
digkeit der Schwebelschen Ordnungen. Zwar ist deutlich Bucers Einfluss zu erkennen, aber auch die Ori-
ginalität Schwebels. Die kollegialen und presbyterialen Elemente bei Ordination, Pfarrwahl und Kirchen-
zucht scheinen stark vom alten Gedanken des „Pfarrsend“ und des priesterlichen Landkapitels beeinflusst
zu sein.

4. Herzog Wolfgang (1544-1569)

Johann Schwebel starb am 19. Mai 1540, damit verlor die junge Landeskirche ihren Gestalter, Zweibrücken
seinen eigentlichen Reformator. Herzog Wolfgang übernahm 1544 die Regierung. Die erste große Bewäh-
rungsprobe stand dem jungen Herzog unmittelbar bevor: das Interim. Robert Hensel weist nach, dass es
Wolfgang und seinen Räten gelang, die Durchführung des Interims in Zweibrücken zunächst durch
geschicktes Taktieren hinauszuzögern und schließlich durch offenen Widerstand völlig abzuwenden, bis der
Passauer Vertrag 1552 den Bemühungen Kaiser Karls V. ein Ende setzte.40
Hatten noch 1548 die Theologen des Fürstentums in einem Gutachten die Übereinstimmung der Zwei-
brücker Lehre mit der Abendmahlstheologie Bucers bekundet, gewann nun das strenge Straßburger Luther-
tum Marbachs41 an Boden.
Nach dem Abschluss des Augsburger Religionsfriedens steuerte Wolfgang das Land mit dem neu einge-
setzten Kanzler Ulrich Sitzinger42 in eine deutlicher lutherische Richtung, was sich in der Kirchenordnung
von 1557 manifestiert.

40 Vgl. Hensel, Interim, S. 107 und ebd., Beilage S. 2-4.
Dies schließt einzelne Schicksale, wie 1550 die Vertrei-
bung des Pfarrers von Hornbach, des berühmten Arztes
und Botanikers Hieronymus Bock, durch den im Interim
neu eingesetzten Abt von Hornbach, nicht aus. Bock
wich für zwei Jahre ins benachbarte Saarbrücken aus
und kehrte schon 1552 wieder auf seine Pfarrei zurück;
vgl. Flesch, Schriftkultur, S. 159f.
41 Johann Marbach, geb. 1521 in Lindau, stud. 1536 in
Straßburg, 1539 in Wittenberg, 1541 Diakon in Jena,
1542 in Isny, prom. Dr.theol. 1543 durch Luther, 1543
Pfarrer in Isny, heiratet dort Ursula Weisland, 1545 von

Bucer nach Straßburg geholt, Pfarrer an St. Nikolaus,
1551 Delegierter Straßburgs in Trient, seit 1552
Prof.theol. und Kirchenkonventspräsident, seit 1557
Stiftsprediger, gest. 1581.
42 Ulrich Sitzinger, geb.1525 in Worms als Sohn des Worm-
ser Klerikers und Prädikanten Ulrich Sitzinger; Ulrich
sen. heiratete spätestens 1523 Anna Rothart, weswegen
der Bischof einen Prozess gegen ihn anstrengte, der
1526/27 zur Vertreibung Sitzingers aus Worms führte; zu
seiner Verteidigung erschien 1523 die Flugschrift Ein
getreue vermanung eins liebhabers der Evangelischen war-
heyt an gemeyne Pfaffheit, nit zu widderfechten den Ehe-

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