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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (18. Band = Rheinland-Pfalz, 1): Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, die Grafschaften Pfalz-Veldenz, Sponheim, Sickingen, Manderscheid, Oberstein, Falkenstein und Hohenfels-Reipoltskirchen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2006

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https://doi.org/10.11588/diglit.30658#0720
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Manderscheid

neburg, Kerpen, Kronenburg und Schleiden innehatten.9 Ein festes Datum der offiziellen Einführung der
Reformation ist allerdings nicht überliefert, lediglich zwei sich widersprechende Hinweise. Zum einen die
folgende Zeile aus einem Brief des Grafen Philipp von der Marck, dem katholischen Schwiegersohn Diet-
richs V., von 1593: Eß were auch das gemelt hauß und herrschafft Schleyden oder dern Inwohner mehr dan
sieben und dreißig Jair in der Ketzerey gestocken.10 Daraus ergäbe sich 1556 als Jahr der Einführung. Her-
mann Hinsen weist nun nach, dass noch 1560 eine Firmung durch einen Kölner Weihbischof in Schleiden
stattfand,11 und außerdem die Schleidener Bürger unmittelbar nach dem Tode Dietrichs VI. im Januar 1593
seiner Witwe schrieben, sie hofften, die Gräfin werde sie bei der Religion unnd lehr des Seligmachenden
Evangelii, wie sie ihr verstorbener Ehemann eingefurtt und bishero an 32 Jahr herbracht unnd in schwang
geweßen, erhalten.12 Daraus lässt sich folgern, dass Dietrich VI. wohl bald nach dem Tode seines Vaters
(1560) mit reformatorischen Maßnahmen begann.
Der Schleidener Pfarrer Servatius Hirt (gest. 1569), eigentlich Mönch des Steinfelder Klosters und seit
1533 in Schleiden, hatte diesem Kurswechsel offenbar nichts entgegengesetzt, auch wenn sein eigenes
Bekenntnis unklar blieb. Aber spätestens, als er 1566 mit dem eifrigen Matthias Stadtfeld13 einen eindeutig
Neugläubigen als Kaplan an die Seite bekam, war Schleiden wirklich evangelisch. Stadtfeld scheint in
Schleiden die Zweibrücker Kirchenordnung Herzog Wolfgangs14 benutzt zu haben.15

Befehl zur Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt 4. März 1566 (Text S. 706)
Einzige Belege dieser reformatorischen Gesinnung sind allerdings nur kleinere Texte: Vor allem ein Mandat
von 1566 an die Amtleute der Grafschaft Virneburg, dass die Pfarrer den Untertanen auf deren Verlangen
die Kommunion unter beiderlei Gestalt reichen sollen, sowie die Erbvereinbarungen und das Testament des
kinderlosen Grafen Dietrich VI. von 1592 und 1593, in denen er seine Erben darauf verpflichtet, die einge-
führte Religion nicht zu stören.16
Zwar hatten die sechs erbberechtigten Töchter (resp. deren Ehemänner) seines schon 1582 verstorbenen
jüngeren Bruders Joachim dieser Bestimmung vorab zugestimmt, aber der Erbstreit dieser Herren mit dem
katholischen Grafen Philipp von der Marck, der mit Dietrichs und Joachims Schwester Katharina verhei-
ratet war und sich 1593 mit Waffengewalt in den Besitz Schleidens setzte, zog sich über 20 Jahre hin.17
Philipp vertrieb zwar 1593 die reformatorisch Gesinnten aus den von ihm besetzten Gebieten,18 musste
Schleiden, Virneburg, Kronenburg und Neuerburg aber wieder räumen und die beiden evangelischen Wit-
wen Dietrichs und Joachims, Elisabeth von Stolberg und Magdalena von Nassau, wieder in ihre verbrieften
Wittumsrechte zulassen. Damit war zumindest die geduldete Ausübung des evangelischen Gottesdienstes in
diesen Gebieten gesichert, wenngleich auf den Pfarrstellen, in denen andere Herrschaften die Kollatur
besaßen, auch parallel katholische Priester eingesetzt wurden.19
Die Erbstreitigkeiten der Witwe und der Nichten Dietrichs auf der einen Seite und des Grafen Philipps
von der Marck andererseits wurden erst 1613 beigelegt: Philipp erhielt die Hälfte des Schleidener Besitzes,
die andere Hälfte wurde in sechs Lose geteilt. Die Grafschaft Virneburg fiel an die evangelischen Grafen von

9 Vgl. Köbler, Lexikon, S. 378.
10 Neu, Reformation, S. 136.
11 Vgl. Hinsen, Reformation, S. 55.
12 Abgedruckt bei: Hinsen, Reformation, S. 56.
13 Der wegen seines Glaubens aus Antwerpen hatte fliehen
müssen und noch 1580 wegen heimlichen Predigens in
Köln verhaftet wurde, vgl. Neu, Geschichte, S. 306.
14 Vgl. Text 5 im Teil Pfalz-Zweibrücken.
15 Vgl. Neu, Geschichte, S. 307.
16 Vgl. Neu, Geschichte, S. 308.

17 Schon 1592 hatte Graf Hermann von Manderscheid-
Blankenheim seinen todkranken Vetter Dietrich
gewarnt, dass Philipp von der Marck sich nicht an die
Abmachungen halten werde - er tat das allerdings nicht
aus Sorge um das Bekenntnis der Untertanen, sondern
weil er die Zersplitterung des Manderscheidischen Ein-
flussgebietes fürchtete, vgl. Neu, Reformation, S. 134.
18 Vgl. das Schreiben Philipps an Rudolf II. vom 12. Mai
1593, abgeruckt bei: Neu, Reformation, S. 136f.
19 Vgl. Hinsen, Reformation, S. 59.

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