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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0135
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21. Kirchenordnung [nach 1603]

gleich, wer er wolle, vor sich selbst ohn unßer zuvor
erlangte dispensation (die doch nit anderß dan auß
sondern, erheblichen und hochwichtigen, unß darzu
bewegenden ursachen allein im dritten grad lineae
aequalis etwan beschehen möchte) in ermelten gra-
dibus sich zu verheurathen erlaubt sein soll. Und da
jemandt diß gebott uberschreitten würde, derselbe
soll ohn mittel unßerer unnachläßsigkeit ernster
poen und straff mit landtverweißung oder sonsten
gewärtig sein.l
mZum andern gereicht auch nit wenig zu Gott, dem
herrn, und seiner heiligen ordnungen zu unehren die
heimliche verlöbnuß, die da weit eingerißen und
uberhandt genommen, daß es schier vom jungen
volck dafür geachtet werden will, wann nur eins von
dem andern ein heimlische zusagung und verweh-
nung147 der ehe halben erlangt oder sich miteinander
fleischlich vermischen, daß alßbaldt darauß ein ehe-
liche verbindung folgen müste. Solches aber nit al-
lein dem von Gott eingesetzten und gesegneten ehe-
standte zu sondern unehren, darzu den eltern zu ab-
bruch ihres vätterlichen und gebürenden gehorsams,
dem viertten gebott Gottes zuwider, gereichet, son-
dern auch durch solche vie[l]fältige schande |58v|
unnd uppigkeiten der zorn Gottes gehäuffet und ge-
mehrt wirtt.
Damit dann dießer leichtfertigkeit mit ernst begeg-
net, auch daß gemeine volck obermeltes ihres hirun-
der gefasten wahns und unverstandts offentlich be-
richtet werde und soviel ursach haben möge, sich
vor solchem, Gott, dem herrn, mißfälligen und zum
höchsten straffbahren händtlen zu hütten, so setzen,
ordtnen und wollen wir deßgleichen, daß hinfuro in
unßern gebieten mäniglichen, weß standts ein jeder
seie, der heimlichen eheverlöbnuß und vielmehr der
[un]ordentlichen, Gott, dem herrn, zum höchsten
mißfälligen fleischlichen vermischung sich gäntzlich
bei ungnädiger, ernster straffe, die nit allein denen
personen, so sich heimlich verloben undt zur unge-
bur vermischen, sondern auch allen denen, die da
m-m Aus KO Nassau 1576, fol. E Illr - E IVr.
Aus KO Nassau 1576, fol. E IVv - F Ir (Absätze ver-
tauscht).

alß copler darbei sein oder sonst in einigem wege
darzu hülffe, rath und vorschub geben, unnachläßig
widerfahren solle, eußere und enthalte; die ehe an-
ders nicht, dann nach Gottes ordtnung in seinem
nahmen mit wohlbedachtem muth, hertzen und sin-
ne und seiner eltern oder, in mangell derselben, der-
jenigen, so an statt der eltern sein, alß vormünder
und anderer nechstgesipter und angewandter
freundte rath und vorwißen christlich und ehrbar-
lich anfahe.m
Es soll auch keiner oder keine unßerer leibeigenen
sich an ein frembden leibeigen versprechen, er oder
sie habe den deßen von unß erlaubnuß erlanget. Sie
mögen |59r| die ehe uf den fall wohl abreden oder
einander nichts gewißes oder bündiges zusagen.
nUnd im fall gleich die personen, so dießem unßerm
ernsten gebott zuwider heimliche verlöbnußen ange-
fangen oder sonst anderer verbottener, unzimlicher
weiße sich zusammen gethan hetten, dieselbige für
sich selbst oder auch mit verwilligung ihrer eltern
und freundte zu volnziehen geneigt weren, so sollen
doch die pfarrer solche personen für sich selbsten nit
aufkündigen, viel weniger für der christlichen ge-
mein einsegnen, sondern die sachen zuforderst, wie
sich dieselben angefangen, verlauffen und zugetra-
gen haben, in schrifften mit vorwißen unßers super-
intendenten umbständiglich in unßer cantzlei gelan-
gen laßen, daselbsthero sowohl dem pfarrer des auff-
kündigung und einsegnens alß sonst der straff hal-
ber gegen solche personen gebührlicher bescheidt er-
folgen soll.
Dießem aber allem, so viel müglich, vorzukommen,
sollen nit allein die predicanten jederzeit und für-
nemblich auff die sontage daß junge volck trewlich
erinnern und vermahnen, sondern auch die eltern
und haussherrn selbst ihre kinder und gesinde inson-
derheit hierinnen unterrichten und verwarnen, auch
fleißig mit zusehen undt die ihren in acht nehmen,
daß sie in solche und dergleichen schande |59v| unnd
147 Zusage, Zusicherung, vgl. Grimm, DWb 25, Sp. 2074.

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