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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Goeters, J. F. Gerhard [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (19. Band = Rheinland-Pfalz, 2, 2. Teilband): Die Reichsstädte Landau, Speyer und Worms - die Grafschaften Leiningen, Sayn und Wied - die Wild- und Rheingrafschaft - das Fürstentum Pfalz-Simmern - die Grafschaft Pfalz-Veldenz (Nachtrag) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.30660#0198
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Kurpfalz

20. Mandat zur Polizeiordnung 9. Dezember 1591 (Text S. 780)
Mandat an die Inspektoren vom 9. Dezember 1591 zur Einhaltung ergangener Polizeivorschriften und vermehrter
kirchlicher Aufsicht.
Dies Mandat will den voraufgegangenen Befehl, auf den es sich ausdrücklich bezieht, in seiner Abzwek-
kung durch die Mitwirkung der kirchlichen Organe, insbesondere der Inspektoren unterstützen. Es sieht die
Ursache vieler Misstände in der Unzulänglichkeit pastoraler Amtsführung, als deren besondere Formen
Erregung von Ärgernis, Faulheit und besserungsunwillige Unfähigkeit namhaft gemacht werden. Intensive
Visitationstätigkeit der Inspektoren, die vor allem der Predigt, der Katechismusunterweisung und Befol-
gung der Kirchenordnung gelten soll, soll die Pastoren anhalten, Hirten und Vorbilder ihrer Gemeinden zu
werden und zu sein, wie der voraufgegangene Befehl dies bezüglich der Polizeiordnung den weltlichen
Beamten vorschrieb.
Überblickt man die kirchliche Gesetzgebungstätigkeit Johann Casimirs als Administrator insgesamt, so
gliedert sie sich in drei Phasen. Die erste, deren Signum das Mandat de non calumniando ist (Text Nr.
XIV/80), scheint einen völligen Bekenntniswandel nicht beabsichtigt zu haben, sondern ein auskömmliches
Nebeneinander der beiden reformatorischen Konfessionen in einem Territorium angestrebt zu haben. Die
konkordistische Bekenntnistreue des lutherischen Ministeriums und deren mit dem Vormundschaftsstreit
unselig verquickter württembergischer Theologensukkurs einerseits und die über dies Ziel hinausstrebenden
Tendenzen der reformierten Berater des Pfalzgrafen liessen diesen Versuch scheitern. Die zweite Phase von
1585 bis 1587 bringt demzufolge eine obrigkeitliche, mithin violente Religionsänderung, die ihr Recht aus
der Wiederherstellung von Bekenntnis, Gottesdienst und Kirchenverfassung, wie sie zur Zeit Friedrichs III.
galten, herleitete. Reste des kurpfälzischen Luthertums erhielten sich als kleine Minorität, die sich erst viel
später kirchlich neu konstituieren konnte. Die letzte Phase steht gewissermassen im Zeichen einer Vertie-
fung und Ausformung der gesetzten Verhältnisse, ihre Dokumente beabsichtigen eine Erziehung der gesam-
ten Bevölkerung zum reformierten Ideal christlichen Lebens.
Am 6. Januar 1592 starb Johann Casimir, nachdem sein letztes grosses politisches Projekt eines pro-
testantischen Bündnisses durch den Tod seines Schwagers Christian von Sachsen und eine neuerliche luthe-
rische Reaktion in Kursachsen gescheitert war. Die Restauration der reformierten Kirche in Kurpfalz war
das einzig dauerhafte Ergebnis seines Wirkens. Da seiner unglücklichen Ehe mit Elisabeth von Sachsen ein
Erbe nicht entsprossen war, fielen die von ihm innegehabten pfälzischen Ämter zugleich mit der Regierung
der Kurlande an seinen Neffen Friedrich.

VIII. Die Regierungszeit Friedrichs IV. (1592-1610)
Als Johann Casimir starb, war sein Neffe und Mündel Friedrich IV. 17 1/2 Jahre alt, zu dem von der
Goldenen Bulle vorgeschriebenen Mündigkeitsalter, um sofort die Selbstregierung als Kurfürst antreten zu
können, fehlte ihm noch ein halbes Jahr. Dieser Umstand ließ seinen Grossonkel Reichard von Pfalz-Sim-
mern auf den Plan treten und die Vormundschaft beanspruchen. Aus zwei Bestimmungen Kaiser Sigis-
munds leitete dieser sogar her, dass der Regierungsantritt des jungen Kurfürsten erst nach vollendetem 25.
Lebensjahr stattfinden könne. In der Zwischenzeit hofften Reichard und seine fürstlichen Freunde durch
eine abermalige Religionsänderung das Luthertum in der Rheinpfalz wieder restituieren zu können. Doch
der Kurprinz erklärte sich sofort zum Kurfürsten, nahm die Landeshuldigung ein und verlautbarte in
verschiedenen Schreiben auf Mahnungen zu einer „Reinigung“ seiner Landeskirche hin seine feste Absicht,

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