Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Armgart, Martin [Bearb.]; Meese, Karin [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (24. Band = Siebenbürgen): Das Fürstentum Siebenbürgen - das Rechtsgebiet und die Kirche der Siebenbürger Sachsen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2012

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30664#0128
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

hatten sich außerhalb der Stuhlsverfassung als Distrikt (terra) organisiert. Die Stadträte der beiden Vororte
Bistritz und Kronstadt hatten auch Leitungsfunktionen für die umliegenden Landgemeinden. Die Stellung
der beiden Vororte, die zugleich überregionale Handelszentren waren, ähnelte Reichsstädten in Deutsch-
land. Erst 1486 war die Angleichung der Rechtsverhältnisse abgeschlossen, als der Freibrief von 1224 auf
alle der sächsischen Nationsuniversität angehörenden Stühle und Distrikte (sowie die Stadt Klausenburg)
ausgedehnt wurde4.
Vorort für das nordsiebenbürgische Nösnerland war das am Handelsweg über den Borgapass gelegene
Bistritz5. Der Distrikt wurde 1366 mit sächischen Freiheiten und dem Rechtzug nach Hermannstadt pri-
vilegiert. Die Rechtsstellungen gefährdeten landesherrliche Versuche, das Nösnerland als Erbgrafschaft zu
verleihen (1453 an Johann Hunyadi, 1529 an den moldauischen Woiwoden Petru Rares); der Distrikt
verstärkte dadurch im 16. Jahrhundert die Anlehnung an Hermannstadt. 1475 wurde das Landgebiet durch
den Erwerb der Herrschaft Rodenau mit ertragreichen Silberbergwerken erweitert.
Das nach dem Burzenbach benannte Burzenland bildete den südöstlichen Eckpunkt Siebenbürgens. Mit
dem Törzburger Pass verfügte es über die kürzeste Karpatenüberquerung nach Südosten. Der dortige
Distrikt geht auf die kurzzeitige Tätigkeit des Deutschen Ordens 1211-1225 zurück. Der Vorort Kron-
stadt6 entwickelte sich durch die Lage am Handelsweg in den Orient zur bevölkerungsreichsten Stadt
Siebenbürgens. Im 15. Jahrhundert glückte die Verdrängung oberherrlicher Rechte des Szeklergrafen und
des ihm unterstehenden Burzenländer comes, 1498 wurde die Zollstätte und Grenzburg Törzburg mit zuge-
hörigen Dorfherrschaften erworben.
Auch andere sekundäre hospites-Siedlungen wurden ganz oder teilweise mit sächsischen Freiheiten aus-
gestattet, gehörten aber weiterhin zum Komitatsboden. Als Beispiel genannt sei das südlich von Bistritz
gelegene Sächsisch-Reen. Es war Vorort eines kirchlichen Kapitels innerhalb der sächsischen geistlichen
Universität, löste im 15. Jahrhundert grundherrliche Rechte der Familie Banffy ab oder ersetzte sie durch
regelmäßige Geldzahlungen und erhielt 1460 den Gerichtszug nach Bistritz und Hermannstadt.
Eine eigene Entwicklung nahm die hospites-Siedlung Klausenburg7. Als Endpunkt des Königssteigs und
Komitatsvorort wurde sie zur größten Stadt im Nordwesten Siebenbürgens. Ohne sächsisch besiedeltes
Umland führte der Zuzug von Ungarn ab 1458 zur paritätischen Besetzung städtischer Ämter. Am Anfang
der Reformation orientierten sich namentlich die sächsischen Stadtpfarrer am sächsischen Gebiet. Die
anschließende Entwicklung zum kirchlichen und kulturellen Zentrum des siebenbürgischen Komitatsbo-
dens, die rege ungarische Drucktätigkeit und der Anschluß an die unitarische Konfession beschleunigten die
Abkehr Klausenburgs vom sächsischen Rechtsgebiet, die 1664 förmlich abgeschlossen wurde.
Die Sicherung der „sächsischen Freiheiten“, auch im Zusammenwirken mit den anderen Landständen,
führte im 15. Jahrhundert zur Ausbildung einer gemeinsamen Vertretung, der sächsischen Nationsuniver-

4 Daugsch, Nationsuniversität, S. 179-216; Gündisch,
Nationsuniversität, S. 63-92; Philippi, Autonomie,
S. 93-107. Zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte
vgl. die Monographien von Müller, Nationsuniversi-
tät, und Müller, Stühle und Distrikte sowie die Studie
von Tontsch, Statutargesetzgebung, S. 29-44. Zu den
Sekundärsiedlungen Müller, Deutschtum, S. 161-
208; zum Hermannstädter Rechtskreis Moldt, Sieben-
bürgen, S.41-118.
5 Zur Geschichte von Stadt und Distrikt Dahinten, Bis-
tritz; Wagner, Siedlungsgeschichte Nordostsiebenbür-
gens, S. 123-137; umfangreiche Quellenerschließung
Urkunden-Regesten Bistritz I—III; zur rechtlichen Ent-
wicklung und zum Anschluß an den Hermannstädter
Rechtskreis Moldt, Siebenbürgen, S. 70-78.

6 Zur Stadtgeschichte Roth, Kleine Stadtgeschichte;
Roth, Kronstadt; Philippi, Kronstadt; Hermann,
Kronstadt; zur Konfessionsgeschichte Szegedi, Kron-
stadt, S. 126-296; umfangreiche Quellenedition QGK
I-IX. Der Band QGK VIII.2 (Annales Ecclesiastici)
druckte 2002 zentrale kirchengeschichtliche Quellen des
16. bis 18. Jahrhunderts. Zur rechtlichen Entwicklung
und zum Anschluß an den Hermannstädter Rechtskreis
Moldt, Siebenbürgen, S. 79-99.
7 Burger/Gräf, Klausenburg; zur Konfessionsge-
schichte Szegedi, Reformation, S. 77-88 und Szegedi,
Klausenburg, S. 51-76; Urkundenbuch Jakab, Oklevél-
tár. Zur rechtlichen Entwicklung und zur Verbindung
mit dem Hermannstädter Rechtskreis Moldt, Sieben-
bürgen, S.100-118.

110
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften