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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0383
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weise wörtlich abgeschrieben ist, und die Londoner KO als Vorbilder dienten. Daneben zeigt sich hier der
auch nach Ostfriesland hinüberwirkende Einfluß der KO der Kurpfalz von 1563 6a. Die Lütetsburger
KO in niederdeutscher Sprache ist in das 1607 für die Gemeinde eingerichtete Kirchen- oder Protokoll-
buch eingetragen, das sich gegenwärtig mit dem Lütetsburger Hausarchiv im Staatsarchiv Aurich be-
findet 7. Rückert und, getreu nach Rückerts Publikation, Graf Edzard zu Inn- und Knyphau-
sen-Lützburg veröffentlichten die KO 1674 bzw. 1868 in hochdeutscher Sprache und etwas veränderter
Fassung 8. Wir teilen sie nach dem genannten Kirchenbuch mit: Text Nr. 18 (Illb γ).

Im Jahr 1680 begann man im Dorf Bargebur in der Herrlichkeit Lütetsburg, nachdem Dodo,
Freiherr zu Inn- und Knyphausen, und die Reformierten Nordens in einer Konvention vom 17. Sep-
tember 1679 9 ihre kirchlichen Rechte gegeneinander abgegrenzt hatten, eine Kirche für die reformierte
Gemeinde Lütetsburg-Norden zu errichten, deren Bau im Anfang zwar von den Gegnern zerstört, 1684
aber wieder aufgenommen und baid vollendet wurde 10.

e) Anhang: die KO der Londoner Fremdlingsgemeinde a Lascos in ihrer ver-
kürzten und deutschen Fassung (Illbδ). A Lasco hatte seine Ordnungsideen zuerst in Emden
entwickelt, dann in London weiter ausgebaut und schließlich schriftlich niedergelegt in seiner IdealKO
von 1550ff. „Forma ac ratio tota ecclesiastici ministerii, in peregrinorum potissimum vero Germanorum
ecclesia, instituta Londini in Anglia...,“ die 1555 zu Frankfurt am Main erschien 11. Für den prakti-
schen Gebrauch wurde die KO von a Lascos Mitarbeiter Martin Micron in niederländischer Sprache be-
arbeitet und kürzer gefaßt, wobei auch der Älteste Jan Utenhove eine gewisse Rolle spielte 12. In Form
dieser „Ordinancien“ Microns erschien die KO zuerst 1554 „buyten“ London 12a. 1565 wurde Microns
KO in hochdeutscher Übersetzung in Heidelberg gedruckt.

Die niederländischen Flüchtlinge, die 1554 aus London nach Emden kamen, brachten a Lascos
Ordnungsideen, die in Emden ihren Ausgangspunkt hatten, also wohl in weiterentwickelter Form da-

6a W. Niesel, aaO. 136ff.

7 Vgl. Anm. 97; zur Einrichtung des Kirchenbuches auch E. Graf Knyphausen-Lützburg, 24f.

8 M. Rückert, 85—141; E. Graf Knyphausen-Lützburg, 74-102.

9 Die Konvention ist gedruckt bei E. Graf Knyphausen-Lützburg, 44ff.

10 E. Graf Knyphausen-Lützburg, 52ff.; U. v. Alvensleben, 138. — Zu den Norder Verhältnissen, ausführ-
lich zum Bau einer reformierten Kirche, auch H. Schmidt in: JbE 40 (1960), 121 ff. 130ff. 137ff.

11 Abgedruckt bei A. Kuyper II, 1ff. - Die Geschichte des Druckes der lateinischen KO a Lascos ist kompliziert.
Aus a Lascos Vorrede läßt sich schließen, daß der Druck bereits in England begonnen, in Ostfriesland fortgesetzt
und in Frankfurt vollendet wurde; vgl. unten S. 571, Anm. 58. In Frankfurt war es dann schwierig, einen Drucker
zu finden, der zu dem bisher Gedruckten - dem Werk fehlte sowohl der Anfang als der Schluß — die passenden Typen
besaß; auch Schwierigkeiten konfessioneller Art behinderten anfangs die Fertigstellung des Druckes. Vgl. den Brief
des Frankfurter Buchdruckers Peter Braubach an Westphal vom 19. Juli 1555 bei C. H. W. Sillem, 195f.

12 Eine Schwierigkeit bietet die Frage nach dem eigentlichen Urheber der niederländischen Übersetzung, nämlich inso-
fern, als sich zwei Überlieferungen zu widersprechen scheinen. A Lasco nennt Micron als den Übersetzer seiner
lateinischen KO (A. Kuyper II, 35), während Micron selbst in der Vorrede zu den Ordinancien darauf hinweist,
daß Jan Utenhove „diese unsere gegenwertige ordnung“ ins Niederländische übersetzt habe (unten S. 583). Ver-
mutlich ist Utenhove als Übersetzer älterer, in der Londoner Gemeinde gebrauchter Formulare anzusehen, die
Micron in seinen Ordinancien mit verwendet hat. Näheres s. unten S. 571ff. — Micron (Micronius) wurde etwa 1523,
wahrscheinlich zu Gent, geboren, studierte in Basel und Zürich. 1550—1553 wirkte er in London als Prediger der
niederländischen Fremdengemeinde.Vgl. J. H. Gerretsen; S.D. van Veen, RE 3 13, 56f.; W.F. Dankbaar,
2f.; RGG 3 IV, 939. - Zu Jan Utenhove s. unten S. 565.

12a Der Druckort ist vermutlich Emden. Der Name des Druckers wird mit „Collinus Volckwinner“ angegeben. Daß
es sich dabei um ein Pseudonym handelt, wird allgemein anerkannt. Die gängigste Meinung ist, daß damit Gillis
van den Erven, ein Flüchtling der Londoner Fremdengemeinde, der sich dann in Emden niederließ, gemeint sei
(vgl.u.a. J.H. Gerretsen, 84f. 78; J. M. Reu I, 3, 1, 2, 718* ;W. F. Dankbaar, 4). Das Pseudonym weist je-
doch auf dessen Mitarbeiter Nikolaus (= Volckwinner) van den Berghe (= Collinus); darüber J. Weerda, Eine
Denkschrift Godfried van Wingen’s an den Emder Kirchenrat gegen die Gheillyart-Bibel von 1556, in: Neder-
landsch Archief voor Kerkgeschiedenis 31 (1939), 107, Anm. 2; auch Weerda I, 155 mit Anm. 4; Theologische
Literaturzeitung 1957 Nr. 3, 207. - Zu weiteren Ausgaben der „Ordinancien“ s. Dankbaar, 4ff.

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