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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0050
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Grafschaft Schaumburg

Selbst als er am 21. April 1544 zu Gunsten seines jüngeren Bruders Otto auf das Primogenitur- und
Erbrecht an der Grafschaft verzichtete, behielt er - wohl mit ausdrücklicher Billigung der Landstände -
weiterhin die politische Führung der Grafschaft. Daran änderten auch die im Juli 1546 erfolgte Bestellung
zum Administrator des Erzbistums Köln und die ein Jahr später vollzogene Wahl zum Erzbischof nichts.
Erst Anfang der fünfziger Jahre wird ein langsamer Übergang der Geschäfte an Otto IV. erkennbar38. Als
Adolf XIII. am 20. September 1556 in seiner Brühler Residenz verschied, folgte ihm sein jüngerer Bruder
Anton auf den Stuhl des Kölner Erzbischofs. Anton starb aber bereits zwei Jahre später im Juni 155839.
Daß auch er Einfluß auf die schaumburgische Politik nahm, zeigen die Verhandlungen mit dem braun-
schweig-lüneburgischen Herzogshaus über die Vermählung Ottos IV. mit der Tochter Herzog Ernsts des
Bekenners, die Anton auf Schloß Aertzen verantwortlich führte40. Erst das Abreißen der familiären Bin-
dung an das Kölner Erzbistum eröffnete die Möglichkeit eines konfessionellen Wechsels in der Grafschaft
Schaumburg.
Obwohl ein solcher konfessioneller Wechsel durch die Anerkennung des evangelischen Bekenntnisses auf
dem Augsburger Reichstag von 1555 erleichtert worden war, bedurfte es doch des äußeren Anstoßes durch
die gerade genannte Eheschließung mit der Tochter des evangelischen Welfenherzogs Ernst des Beken-
ners41. Die Ehe mit Elisabeth Ursula von Braunschweig-Lüneburg war die zweite Ehe des Schaumburger
Grafen. Bereits 1544, nur wenige Monate nach dem Verzicht seines Bruders Adolf auf das Primogenitur-
und Erbrecht, war Otto IV. eine Ehe mit der Tochter eines evangelischen Fürstenhauses, des Greifen-
herzogs Barnim IX., eingegangen42. Barnim IX. von Pommern-Stettin43 hatte an der Universität Witten-
berg studiert und seit dieser Zeit auch Verbindungen zu Luther unterhalten. Zusammen mit seinem Vetter
Philipp I. führte Barnim 1534 auf dem Landtag in Treptow die Reformation in Pommern ein44. Obwohl
Barnims Tochter Maria wohl von einem evangelischen Geistlichen am Hof in Stadthagen betreut wurde45,
scheint dies keinerlei Auswirkungen auf die konfessionelle Situation der Grafschaft Schaumburg gehabt zu
haben46. Vielmehr wurde den Ständen auf dem Landtag im November 1544 ausdrücklich zugesichert, die
Grafschaft by alter christlicher religion pleiben zu lassen47. Maria starb im Jahr 1554.
Deutlich anders entwickelte sich die Lage nach der zweiten Vermählung Graf Ottos mit Elisabeth von
Braunschweig-Lüneburg, die am 23. Mai 1558 auf dem Schloß in Celle, der Residenz der Herzöge48,
stattfand. In der einen Monat zuvor, am 6. April 1558, in Hannover unterzeichneten Eheabsprache hatte
der Graf der Forderung der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg nach Einsetzung eines lutherischen
Hofpredigers ausdrücklich zugestimmt49. Zwar lehnte er den zunächst vorgeschlagenen Hannoveraner

38 Vgl. Schindling / Ziegler, Territorien 6, S. 161; Hus-
meier, Graf Otto IV., S. 88-91 (der Abschnitt ist „Ver-
harren im Wartestand“ überschrieben).
39 Vgl. Gatz, Bischöfe, S. 24f.
40 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 187.
41 Vgl. Bei der Wieden, Einführung der Reformation,
S. 40.
42 Die Ehe war wohl vom Herzog von Braunschweig-Lüne-
burg, Ernst dem Bekenner, einem Schwager Barnims IX.,
vermittelt worden. Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 63.
43 Zu Barnim IX. (nach anderer Zählung XI.) von Pom-
mern-Stettin vgl. NDB 1, S. 595f.
44 Vgl. Sehling, EKO IV, S. 304-306. Ein Jahr nach der
Einführung der Reformation erschien die von Johannes
Bugenhagen verfaßte „Kerken-ordeninge des ganzen
Pomerlandes“ Ebd., S. 328-344.
45 NLA Bückeburg L 1, Nr. 1391.

46 Vgl. Schindling / Ziegler, Territorien 6, S. 160; Hus-
meier, Graf Otto IV., S. 64.
47 StaatsA Detmold L 47 / 2, Nr. 3, Bl. 66-68; vgl. Bei der
Wieden, Einführung der Reformation, S. 33.
48 Herzog Ernst der Bekenner war 1546 gestorben. Da seine
Söhne noch minderjährig waren, setzte der Kaiser den
Kölner Erzbischof Adolf und Graf Otto IV. von Schaum-
burg zu Vormündern ein (dazu Husmeier, Graf
Otto IV., S. 86-88). Die Regierung führte in dieser Zeit
ein Kollegium aus Statthaltern und Räten. Der älteste
Sohn von Herzog Ernst, Franz Otto, übernahm 1555 die
Regierung, ihm folgten dann 1559 seine Brüder Heinrich
und Wilhelm. Vgl. Geschichte Niedersachsens, 3,1, S. 69f.
49 NLA Bückeburg F 3, Nr. 144: dass die Luneburgisschen
ein predicanten, der dem freulin, ßo nach der Ausburgischen
[sic] confession ertzogen, das sacrament beiderlei gestalt ver-
reiche [...], vergonnt haben wollen.

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