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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0049
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Einleitung

über mehrere Generationen hinweg in der Hand einer Familie. Erst nach der Mitte des 16. Jh. trat ein
gräflicher Amtmann als obrigkeitlicher Beamter an ihre Seite23. Anfang des 16. Jh. gelang es den Land-
ständen, die sich zum Landtag versammelten, ein Mitspracherecht bei der Regierung der Grafschaft zu
erlangen. Neben dem Adel gehörten die Städte und die Prälaten der Klöster zu den Landständen24.
An der Spitze der gräflichen Verwaltung stand der Kanzler; unter Graf Otto IV. hatten dieses Amt
Johann Gogreve und Anton von Wietersheim inne. Neben der Kanzlei bestand ein Ratskollegium, das sich
aus Klerikern und einheimischen Adeligen zusammensetzte25.

II. Die Reformation in der
Grafschaft Schaumburg
Die Reformation wurde erst 1559 unter Graf Otto IV. eingeführt. Damit war die Grafschaft eines der
letzten Territorien im Weserraum, in der sie Fuß fassen konnte. Zwar hatte es an einzelnen Orten der
Grafschaft schon Geistliche gegeben, die im reformatorischen Sinne predigten, wie etwa Johannes Rohde in
Lindhorst26, Eberhard Poppelbaum in Oldendorf27 oder Johannes Weber (Textor) in Propsthagen28, ihr
Auftreten war aber anscheinend ohne nachhaltige Wirkung geblieben29. In den wenigen städtischen Zentren
der Grafschaft läßt sich keine starke reformatorische Bewegung festmachen30. Auch die vom Adel domi-
nierten Landstände nahmen zunächst eine eher distanzierte Haltung gegenüber der neuen Bewegung ein, da
sie durch die Aufhebung der Stifte und Klöster den Verlust wichtiger Versorgungsmöglichkeiten für ihre
Söhne und Töchter fürchteten31.
Für die im Vergleich zu den benachbarten Territorien späte Einführung der Reformation wird in der
Literatur aber hauptsächlich die besondere Lage innerhalb des Grafenhauses verantwortlich gemacht32.
Nach dem Tod des Grafen Jobst I. hatte Adolf XIII. 1531 die Regentschaft des Landes angetreten33. Ob
diese Regierungsübernahme auf eine testamentarische Weisung Jobsts I. oder auf einen Beschluß der Land-
stände zurückging, ist unklar34. Adolf hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Reihe von Domherrenstellen
(in Lüttich, Mainz und Köln) inne. Ab 1533 konnte er mit der Nachfolge Hermann von Wieds auf dem
Stuhl des Kölner Erzbischofs rechnen, da ihn das Kölner Domkapitel in diesem Jahr zum Koadjutor mit
dem Recht der Nachfolge bestellte35. Trotz der Aussicht auf den Kölner Bischofsstuhl führte Adolf die
Regierung der Grafschaft aber noch mehr als ein Jahrzehnt weiter. Unter seiner Regierung lassen sich
Bemühungen zu einer Neuorganisation der Landesverwaltung und zu einem Abbau des beträchtlichen
Schuldenbergs beobachten36. Vor allem auf sein Wirken ist es aber wohl auch zurückzuführen, daß während
der dreißiger und vierziger Jahre des 16. Jh. die reformatorische Bewegung in der Grafschaft Schaumburg
nicht Fuß fassen konnte37.

23 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 31f.
24 Ebd., S. 33f.
25 Ebd., S. 98f.
26 Vgl. Pastoren der Landeskirchen 2, S. 81.
27 Ebd. 1, S. 494; Brosius, Stift Obernkirchen, S. 149; Ol-
dermann, Stift Fischbeck, S. 95.
28 Pastoren der Landeskirchen 2, S. 281.
29 Vgl. Bei der Wieden, Einführung der Reformation,
S.38-40.
30 Vgl. Schindling / Ziegler, Territorien 6, S. 160.
31 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 196.

32 Vgl. Schindling / Ziegler, Territorien 6, S. 160; Hus-
meier, Graf Otto IV., S. 186; Bei der Wieden, Ein-
führung der Reformation, S. 40.
33 Vgl. Bei der Wieden, Schaumburgische Genealogie,
S. 120-123. Die beiden älteren Söhne Jobsts I., Otto und
Heinrich, waren früh verstorben.
34 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 48.
35 Vgl. Gatz, Bischöfe, S. 6.
36 Vgl. Husmeier, Graf Otto IV., S. 55f.
37 Vgl. Schindling / Ziegler, Territorien 6, S. 160; Hus-
meier, Graf Otto IV., S. 114.

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