Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0135
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
21. Kirchenordnung

daß uns Vergebung der Sünden, gnad, ewiges Leben
und ewige Gerechtigkeit zugesagt und gegeben wird.
Von diesen Gütern allen erinnert uns diese Niessung.
Und dieweil uns befohlen, das jeder |62| selbst die
Sacrament brauchen sol, ist bezeuget, daß die ge-
meine Verheissung gewißlich auch zu dir gesprochen
ist und das du selbst dieser gnaden und güter theil-
hafftig bist. Diese ubung des glaubens sol im Brauch
des Sacraments von einem jeden geschehen.
Darumb sol auch niemand zu dieser Niessung kom-
men, der nicht zu Gott bekehret ist, sondern behar-
ret in Sünden wider gewissen. Und solche verstehen
diesen Trost nicht. Wer aber zu Gott bekehret ist
unnd Trost am Herrn Christo suchet, der sol zur
Niessung kommen und dabey betrachten unnd gleu-
ben, das ihm selbst unnd nicht allein andern Verge-
bung der Sünden und gnade gegeben werde, nicht
von wegen seines Verdiensts oder dieses Wercks,
sondern umb des Herrn Christi willen, der den gros-
sen zorn Gottes versühnet hat, und bezeuget mit
dieser Niessung, daß wir seine Gliedmaß sind unnd
mit seinem Blut gewaschen.

Nach diesem Trost und nach dieser applica-| 63| tion
sollen sampt der Niessung in allen folgen hertzliche
Dancksagung und anruffung für uns selbst, für die
Kirchen und für Christliche Regiment etc.
Es sollen auch die Leute unterrichtet werden von
den Mißbreuchen: Erstlich, dieser Mißbrauch ist
gantz grob und schrecklich, das viel das Sacrament
empfahen umb der gewohnheit willen, die nicht zu
Gott bekehret sind, sondern verharren in Sünden
wider gewissen. Von diesen spricht S. Paulus: Sie
empfahen zu grosser straffe und werden schuldig
durch ihre unwirdige Niessung, nicht an Brod und
Wein, sondern am Leib und Blut Christi90. Item,
man thut unrecht, wenn das Sacrament den Leien
nicht gantz gereichet wird91. Item, wenn man sagt,
das man vergebung der Sünden mit diesem Wercke
verdiene etc. Item, unrecht ists, das Sacrament ver-
kehren in andere Breuche, Als umbzutragen und an-
zubeten, so doch kein ding ausser dem brauch |64|
,wie es Gott geordnet hat, kan Sacrament seyn.
Nun spricht der Text: Accipite, manducate92.

Von der Poenitentia oder Bekehrung

Die erste Predigt im Paradeiß, die der Sohn Gottes
selbst gethan hat, straffet erstlich die Sünde in
Adam und Heva sehr schrecklich; darnach gibt er
ihnen Trost und offenbaret die wunderbarliche
Heimligkeit93 von der Erlösung der Menschen und
vergebung der Sünden durch den künfftigen Weibes
Sahmen, der der Schlangen den Kopf zertretten
würde94. Und ist diese Predigt nicht eine faule95, ver-
gebliche Stimme gewesen, sondern der Sohn Gottes
ist zugleich in ihren Hertzen krefftig gewesen, da die
Sünde angeklaget ist mit diesen tieffen Worten:
Worumb hastu das gethan?96 | 65| Da sind sie beyde in
grossen schrecken und in Tod gefallen, wie wir selbst

in angst fallen, die nicht auszureden ist, wenn wir
Gottes zorn fühlen. Dann, ob gleich die Menschen
eine kleine zeit in der Blindheit ohne schmertzen le-
ben, so kömpt doch hernach das Gericht und straff,
wie mit Adam, Saul, David etc. Demnach haben
Adam und Heva auch leben, trost unnd frewde an
Gott gefühlet und seind wiederumb auß dem Tod
und aus der Helle gerissen, da sie diese Wort gehöret
haben: Des Weibes Samen wird der Schlangen den
Kopff zertretten97. Und diese Predigt ist für und für
in Gottes Kirchen gewesen. Und ist der Sohn Gottes
dadurch krefftig und samlet ihme also eine ewige
Kirchen.

90 1Kor 11,27.
91 Gemeint ist: nur unter einer Gestalt.
92 1Kor 11,24.
93 Geheimnis, s. FWb 7, Sp. 1555f.

94 Vgl. 1Mos 3,15.
95 Hinfällige, falsche, s. Grimm, DWb 3, Sp. 1369.
96 1Mos 3,13.
97 1Mos 3,15.

115
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften