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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0139
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21. Kirchenordnung

und sind zu Gott bekehret, so haben |77| wir auch im
Hertzen zeugnus, daß wir Gottes Kinder sind, und
fühlen warhafftigen Trost an Gott. Rom. 8 [15]: Ihr

habt empfangen den heiligen Geist, dadurch ihr zu
Gott ruffen köndt: Abba, lieber Vater.

Worumb die Christliche Kirche unter das Creutze
gelegt sey?

Dieser schein macht die Vernunfft irr, das zugleich
Gottes Volck im leiden und elend ist wie andere
Heidnische Völcker, die Christliche Lehre öffentlich
verachten, als Heiden und Türcken etc., drumb ist
hochnötig, die Leute wol zu unterrichten, daß sie
wissen, warumb die Kirche unter das Creutz gelegt
unnd sie also elendiglich zerstrewet ist in der Welt
unter allerley Völcker und Weltlichen Herrschaff-
ten. Und ob gleich Gott bißweilen ein friedliche Her-
berge gibet unter eine Herrschafft, die auch Gott
unnd den |78| Herrn Christum recht erkennet unnd
recht anruffet, So ist doch die Kirche nicht ein Kö-
nigreich, das eigne weltliche Macht unnd Schutz ha-
be.
Und ist wunderbarlich: Gott erhelt für und für seine
Kirche auff Erden unnd lest sie gleichwol in verfol-
gung bleiben. Als da Abel getödtet ward und nu
Cain von Gott abgefallen war, da war die Kirche
viel enger worden, und waren Adam unnd Heva
selbst in tieffer Betrübnus118. Aber sie blieben Kir-
che unnd wurden durch Gott im Glauben gesterckt
und im leben erhalten. Und gab ihnen Gott hernach
wiederumb einen Sohn, der zu Gott bekehret ward
und in rechter bekentnus blieb119. Also für und für
erhelt Gott eine Versamblung, ob gleich viel Glied-
maß getödtet werden und die ubrigen auch in be-
trübnus leben.
Hie sollen wir ursach und trost wissen, damit wir

118 Vgl. 1Mos 4,1-16
119 Vgl. 1Mos 4,25.
120 Vgl. 2Sam 11 Davids Ehebruch mit Bathseba und die
Ermordnung ihres Mannes Uria. Bei der „Verjagung“
Davids ist wohl der Aufstand Absaloms gemeint, in des-
sen Folge David zur Flucht aus Jerusalem gezwungen
war (2Sam 15 und 16).
121 Thyestes wurde von seinem Vater Pelops nach dem
Mord an seinem Stiefbruder Chrysippos nach Mykene

nicht gedencken wie die Heiden, Dieweil alle Völ-
cker mancherley elend haben und alle Menschen des
Tods gewertig sind, Gott |79| achte ein Volck wie das
ander. Unnd sollen die Leut wider die Heidnischen
gedancken durch Göttliche Lehre fleissig unterrich-
tet und gesterckt werden. Erstlich ist wahr, alle
Menschen, Heiden und Gottes Kinder, sind alle zu-
gleich in den Tod gesteckt von wegen der Erbsünd.
Dazu strafft Gott der Heiden und seiner Außerwel-
ten eusserliche Sünden mit vielen leiblichen straffen,
Hunger, Kranckheit, Krieg, Zerstörungen etc. Da-
vid wird verjagt von wegen des Ehebruchs und
Todtschlages120 wie andere Heidnische Könige,
Thyestes, Tarquinius Superbus etc.121 Jerusalem
wird grawsamblich zerstöret wie Troja oder Thebe
[sic] etc. Diese straffen gehen auch also durch die
Welt uber Heiden und Gottes volck. Dann Gott helt
seine Regel: Eusserliche Sünden straffet er auch mit
leiblichen Plagen, alle Menschen zu erinnern, daß er
weise und gerecht sey und habe einen ernsten, war-
hafftigen, grossen Zorn wider die Sünd. |80|
Aber wie unterschied ist zwischen den zweyen Sche-
chern, die neben dem Herrn Christo hangen122, also
ist unterschied zwischen den Heiligen und Gottlosen
in diesem leiblichen elend und straffen. Der bekehr-
te Mörder und der Spötter sterben beyde leiblich,
aber der Gottlose felt in ewige straffe, der ander
kömpt in ewige Seligkeit und fühlet im Hertzen
frewde an Gott und den anfang ewiger Seligkeit.

verbannt. Später ließ er seinen Vater ermorden (Hyg.
fab. 85-86). Der wegen seiner Willkür und Grausamkeit
gefürchtete siebte und letzte König Roms Tarquinius Su-
perbus wurde wegen der Untaten seiner Söhne durch
Verwandte um L. Iunius Brutus gestürzt und ins Exil
gezwungen, wo er auch starb (vgl. Cic. rep. 2, 44-46;
Liv. 1, 46 - 2, 21). Vgl. DNP 12, Sp. 519f. und 33f.
122 Vgl. Lk 23,39-43.

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