Grafschaft Schaumburg
Also, ob gleich Abel und die armen Kindlein in
Aegypten123 oder zu Bethlehem124 grawsamblich er-
mordet werden, so kommen sie doch in ewige Selig-
keit. Aber das Volck zu Sodoma125 felt nach der leib-
lichen straff in ewige, grössere straffen. Offt wird
auch die zeitliche straff der Bekehrten gelindert, wie
Gott spricht: Ruffe mich an in der trübsal, so wil ich
dich erretten etc.126
Also ist nun die erste ursach, darumb die Kirche
dem leiblichen Tode und anderen straffen noch un-
terworffen ist, daß diese Menschliche Natur sündig
ist, und Gott wil das sündige Wesen zerbrechen. |81|
Drumb bleibet der leibliche Tod. Dieses ist also ver-
ordnet und verkündiget im ersten Buch Mose im
3. Capit. [19], Da Adam und Heva wiederumb ange-
nommen sind und gleichwol dem leiblichen Tode un-
terworffen. Und fallen offt die Heiligen als David in
eusserliche Sünden, so kommen andere leibliche
straffen dazu.
Die ander ursach: Der Heiligen elend in diesem le-
ben ist zeugnus, daß ihre Natur noch sündig ist, kalt
in Gottes furcht unnd schwach im glauben, hat viel
zweiffels unnd viel unordentlicher neigung. Diese
Sünden achtet die Welt nicht; aber Gott wil, daß wir
in der Kirchen seinen Willen lernen und nicht stoltz
werden unnd uns selbst sehr klug und gantz rein
düncken und aus eigener Klugheit Lehre oder Re-
giment machen wollen, wie Samosatenus127, Ar-
rius128 und sehr viel Menschen offt sich auffgeblasen
haben; und sihet man zu dieser zeit auch viel auff-
geblasener Reformatores. |82|
123 Vgl. 2Mos 11,4-8.
124 Vgl. Mt 2,16-18.
125 Vgl. 1Mos 19,24-25.
126 Ps 50,15.
127 Hier ist wohl von Paulus von Samosata die Rede und
nicht von dem zur zweiten Sophistik zählenden Schrift-
steller Lukian von Samosata. Paulus von Samosata, in
den Jahren 261-268 Bischof von Antiochia, soll nach
Eusebius (h. e. 7, 30, 11) die Lehre vertreten haben, daß
Christus „von unten“ ein Mensch wie andere gewesen
sei. Eine 268 in Antiochia stattfindende Synode verur-
So sollen wir nun unsere schwachheit, thorheit und
innerliche unreinigkeit mehr und mehr erkennen,
beklagen unnd nicht gering achten, sondern wissen,
das Gott warhafftiglich wider die Sünde zürnet, ob
er gleich die Persohn umb des Herrn Christi willen
aus Barmhertzigkeit angenommen hat. Er wil dan-
noch sein Gericht unverachtet haben und wil, daß
die Sünde gantz zerstöret werde. Dazu dienen aller-
ley grosse betrübnus, damit die Heiligen überfallen
werden, als Adam, Heva, Abraham, Isaac, Jacob,
Job, Jeremias. Solche Exempel gehören alle in diese
Regel im Psalmen: Es ist mir gut, daß du mich ge-
demütigest, damit ich dein Gesetz lerne129. Wir sol-
len anders nicht gedencken, denn was hochbegabt
ist, wird auch wiederumb tieff gedemütiget.
Denn Gott wil, daß wir unsere Sünde und sein Ge-
richt nicht gering achten. Es muß einem jeden auch
dahin kommen, daß er mit hertzen spreche: Ich bin
ein Würmlein unnd |83| nicht ein Mensch, ein spott
der Leute und verachtung des Volckes130. Und bleibt
gewißlich die Regel im Luca am 16. Cap. [15]: Was
bey den Menschen hoch ist, das ist ein grewel für
Gott. Diß sind so hohe Wort, daß sie kein Creatur
genugsam betrachten kan.
Doch sollen wir den Herrn Christum ansehen: Die-
ser ist das vollenkommen Exempel der Demuth. Er
ligt für Gott und fühlet den unaußsprechlichen zorn
Gottes wider deine und meine Sünde, als hette er sie
selbst gethan und sihet gründlich des ewigen Vatters
Weißheit und Willen und demütiget sich unter ihn.
teilte ihn deshalb und enthob ihn seines Bischofsamtes.
Vgl. LACL, S. 558f.
128 Hier ist, trotz der Schreibweise, kein Vertreter der rö-
mischen Familie der Arrii gemeint, sondern der alexan-
drinische Presbyter Arius, der die Wesensgleichheit von
Vater und Sohn ablehnte und eine Geschöpflichkeit des
Logos vertrat. Seine Lehren wurden auf dem I. Konzil
von Nizäa verworfen (vgl. auch den Art. 1 der Confessio
Augustana).
129 Ps 119,71.
130 Ps 22,7.
120
Also, ob gleich Abel und die armen Kindlein in
Aegypten123 oder zu Bethlehem124 grawsamblich er-
mordet werden, so kommen sie doch in ewige Selig-
keit. Aber das Volck zu Sodoma125 felt nach der leib-
lichen straff in ewige, grössere straffen. Offt wird
auch die zeitliche straff der Bekehrten gelindert, wie
Gott spricht: Ruffe mich an in der trübsal, so wil ich
dich erretten etc.126
Also ist nun die erste ursach, darumb die Kirche
dem leiblichen Tode und anderen straffen noch un-
terworffen ist, daß diese Menschliche Natur sündig
ist, und Gott wil das sündige Wesen zerbrechen. |81|
Drumb bleibet der leibliche Tod. Dieses ist also ver-
ordnet und verkündiget im ersten Buch Mose im
3. Capit. [19], Da Adam und Heva wiederumb ange-
nommen sind und gleichwol dem leiblichen Tode un-
terworffen. Und fallen offt die Heiligen als David in
eusserliche Sünden, so kommen andere leibliche
straffen dazu.
Die ander ursach: Der Heiligen elend in diesem le-
ben ist zeugnus, daß ihre Natur noch sündig ist, kalt
in Gottes furcht unnd schwach im glauben, hat viel
zweiffels unnd viel unordentlicher neigung. Diese
Sünden achtet die Welt nicht; aber Gott wil, daß wir
in der Kirchen seinen Willen lernen und nicht stoltz
werden unnd uns selbst sehr klug und gantz rein
düncken und aus eigener Klugheit Lehre oder Re-
giment machen wollen, wie Samosatenus127, Ar-
rius128 und sehr viel Menschen offt sich auffgeblasen
haben; und sihet man zu dieser zeit auch viel auff-
geblasener Reformatores. |82|
123 Vgl. 2Mos 11,4-8.
124 Vgl. Mt 2,16-18.
125 Vgl. 1Mos 19,24-25.
126 Ps 50,15.
127 Hier ist wohl von Paulus von Samosata die Rede und
nicht von dem zur zweiten Sophistik zählenden Schrift-
steller Lukian von Samosata. Paulus von Samosata, in
den Jahren 261-268 Bischof von Antiochia, soll nach
Eusebius (h. e. 7, 30, 11) die Lehre vertreten haben, daß
Christus „von unten“ ein Mensch wie andere gewesen
sei. Eine 268 in Antiochia stattfindende Synode verur-
So sollen wir nun unsere schwachheit, thorheit und
innerliche unreinigkeit mehr und mehr erkennen,
beklagen unnd nicht gering achten, sondern wissen,
das Gott warhafftiglich wider die Sünde zürnet, ob
er gleich die Persohn umb des Herrn Christi willen
aus Barmhertzigkeit angenommen hat. Er wil dan-
noch sein Gericht unverachtet haben und wil, daß
die Sünde gantz zerstöret werde. Dazu dienen aller-
ley grosse betrübnus, damit die Heiligen überfallen
werden, als Adam, Heva, Abraham, Isaac, Jacob,
Job, Jeremias. Solche Exempel gehören alle in diese
Regel im Psalmen: Es ist mir gut, daß du mich ge-
demütigest, damit ich dein Gesetz lerne129. Wir sol-
len anders nicht gedencken, denn was hochbegabt
ist, wird auch wiederumb tieff gedemütiget.
Denn Gott wil, daß wir unsere Sünde und sein Ge-
richt nicht gering achten. Es muß einem jeden auch
dahin kommen, daß er mit hertzen spreche: Ich bin
ein Würmlein unnd |83| nicht ein Mensch, ein spott
der Leute und verachtung des Volckes130. Und bleibt
gewißlich die Regel im Luca am 16. Cap. [15]: Was
bey den Menschen hoch ist, das ist ein grewel für
Gott. Diß sind so hohe Wort, daß sie kein Creatur
genugsam betrachten kan.
Doch sollen wir den Herrn Christum ansehen: Die-
ser ist das vollenkommen Exempel der Demuth. Er
ligt für Gott und fühlet den unaußsprechlichen zorn
Gottes wider deine und meine Sünde, als hette er sie
selbst gethan und sihet gründlich des ewigen Vatters
Weißheit und Willen und demütiget sich unter ihn.
teilte ihn deshalb und enthob ihn seines Bischofsamtes.
Vgl. LACL, S. 558f.
128 Hier ist, trotz der Schreibweise, kein Vertreter der rö-
mischen Familie der Arrii gemeint, sondern der alexan-
drinische Presbyter Arius, der die Wesensgleichheit von
Vater und Sohn ablehnte und eine Geschöpflichkeit des
Logos vertrat. Seine Lehren wurden auf dem I. Konzil
von Nizäa verworfen (vgl. auch den Art. 1 der Confessio
Augustana).
129 Ps 119,71.
130 Ps 22,7.
120