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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0209
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Einleitung

verlassen. Daß Amsdorf ihn trotzdem dem Goslarer Rat empfahl, dürfte wohl auf die Fürsprache Luthers
zurückzuführen sein, den Amandus im April 1526 in Wittenberg aufgesucht hatte.
Im vierten Artikel ihrer Eingabe an den Goslarer Rat vom 18. März 1528 hatten die Pfarrgenossen der
Jakobigemeinde geklagt, daß alle unse parrers hyr tho Goßler wedder God und wedder syn godtlyke wort synt,
ock alle erhe levedage dat wort Godes nycht geprediget hebben (Nr. 1, S. 223f.). Eine der vorrangigen Aufgaben
mußte für den neuen Superintendenten daher die Berufung evangelischer Pfarrer sein. Zu den ersten neuen
Geistlichen gehörte Anton Corvinus, der an der Kirche St. Stephani den bisherigen Pfarrherrn Heinrich
Degen ablöste. Das Pfarramt an St. Jakobi erhielt als Nachfolger von Johannes Hardt der ehemalige Chor-
herr des Stifts auf dem Georgenberg Johannes Schulten121. Mit der Berufung von Heinrich Gefferdes (Geb-
hard) aus Halberstadt zum Pfarrer der Frankenberger Kirche setzte sich die dortige Gemeinde über den
Propst des Klosters hinweg, der nach der Inkorporation der Pfarrkirche in das benachbarte Kloster der
Magdalenerinnen bislang stets die Pfarrstelle innegehabt hatte122.
Neben der Neubesetzung der Pfarrstellen unternahm Amandus auch eine Reorganisation des Schul-
wesens der Stadt Goslar. Noch im Jahr 1528 gründete er die Rats- oder Marktschule. Erster Rektor dieser
Schule wurde der Theologe Michael Volumetius, der mit Anton Corvinus befreundet war123. Beide reisten
1529 gemeinsam zu Luther nach Wittenberg. Volumetius bekleidete das Amt des Rektors der Schule bis
1542, dann erhielt er das Pfarramt an der Frankenberger Kirche124.
Kurz nach Amandus’ Amtsantritt erließ der Rat eine „Ordnung der Gottesdienstzeiten für die Goslarer
Pfarrkirchen“. Darin waren die Gottesdienstzeiten für die Marktkirche, die Stephanskirche, die Jakobskir-
che und die Frankenberger Kirche festgelegt, nicht jedoch für St. Thomas, bei der die Erneuerung des
Gottesdienstes anscheinend zunächst am Widerstand des Stiftskapitels von St. Simon und Judas gescheitert
war, zu dem die Pfarrkirche gehörte125. Die Ordnung zeigt die herausgehobene Stellung der Marktkirche.
Am Sonntag fanden in den Pfarreien nach der neuen Ordnung jeweils zwei Gottesdienste statt: der Haupt-
gottesdienst um 7 Uhr am Morgen und ein weiterer Gottesdienst am Mittag bzw. frühen Nachmittag.
Während unter der Woche in der Marktkirche an jedem Tag Gottesdienst gefeiert wurde, war dies bei den
übrigen Kirchen nur an zwei Tagen der Fall. Auch die Vesper wurde fortan nurmehr in der Marktkirche
abgehalten.
3. Gottesdienstordnung: Vom teglichen gots dinst [nach 8. März 1528] (Text S. 236) / 5. Gottes-
dienstordnung: Kyrchenordenung der stadt Goslar [1528/29] (Text S. 241)
Während in der vorhergehenden Ordnung (Nr. 4), die noch im April 1528 vom Superintendenten und den
Pfarrern angenommen wurde, nur die Zeiten aufgeführt sind, zu denen die Gottesdienste in den Pfarrkir-
chen der Stadt (mit Ausnahme von St. Thomas) am Sonntag und unter der Woche gefeiert werden sollten,
geht es in den unter Nr. 3 und 5 abgedruckten Texten um deren liturgische Ausgestaltung. Das Nebenein-
ander der beiden Ordnungen zeigt die Suche nach einer geeigneten neuen liturgischen Gestalt für die Got-
tesdienste der Reichsstadt126. Behandelt werden in beiden Ordnungen die Früh- und Hauptgottesdienste am
Sonntag, die Gottesdienste in der Woche und die Vesper. Die für die Gottesdienste angesetzten Zeiten

121 Vgl. Gidion, Gemeinde St. Jakobi, S. 45: Johannes
Schulten wird dort als ehemaliger Prior des Augustiner-
chorherrenstifts auf dem Georgenberg bezeichnet; in der
Liste der Institutsvorstände im Niedersächsichen Klo-
sterbuch, Bd. 2, S. 488f. ist er jedoch nicht verzeichnet.
122 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 2, S. 533.
123 Volumetius und Corvinus standen noch 1539 in Verbin-
dung. So verfaßte Corvinus auch ein Epitaph für Volu-

metius’ verstorbene Frau („Epitaphium uxoris Michaelis
Volumetii, paedagogi Goslariani), vgl. Briefwechsel des
Antonius Corvinus, hrsg. von Paul Tschakert, Han-
nover / Leipzig 1900 (= QDGNS 4), S. 11 und 64.
124 Vgl. Gidion, Geschichte des Ratsgymnasiums, S. 22f.
125 Vgl. oben S. 179.
126 Vgl. Seven, Goslarer Reformation, S. 81.

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