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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0218
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Goslar

dessen Absage, Paul vom Rode als Nachfolger vorgeschlagen. Rode hatte wie Amsdorf in Leipzig und dann
in Wittenberg studiert. Auf die Empfehlung Luthers war er 1523 nach Stettin gekommen, wo er maßgeblich
an der Einführung der Reformation beteiligt war181. Mit Johannes Amandus geriet er aneinander, als dieser
sich nach seiner Ausweisung aus Königsberg für kurze Zeit in Stettin aufhielt182. Am 24. Februar 1531 nahm
Rode die Berufung des Goslarer Rates zum Superintendenten mit einer Besoldung von jährlich 300 Gulden
an183. Wie ein Brief Amsdorfs vom September des gleichen Jahres zeigt, ließ die Stadt den neuen Superin-
tendenten sogar durch einen eigenen Boten in Stettin abholen. Amsdorf äußerte in seinem Brief die Hoff-
nung, der Goslarer Rat werde sich dissen mann lassen bevolen sein und ihn bei sich behalten, es koste, was es
wolle184. Kurze Zeit später muß Rode Goslar aber schon wieder verlassen haben. Was ihn dazu bewog, läßt
sich nicht sicher klären. Nach einer bei Hölscher überlieferten Äußerung soll Rode dem Rat Falschheit
wegen der Verhandlungen mit den kaiserlichen Kommissaren vorgehalten haben185.
Der Goslarer Rat wandte sich daraufhin erneut an Amsdorf um Hilfe. Dieser schlug Eberhard Widensee
(Weidensee)186 als Superintendenten vor, der ihm von seiner Magdeburger Tätigkeit her bestens bekannt
war. In Magdeburg war Widensee 1524 durch die Gemeinde zum Prediger an St. Ulrich bestellt worden und
hatte am 17. Juli die erste deutsche Messe mit der Kommunion unter beiderlei Gestalt gefeiert. Später hatte
er die Pfarrstelle an der Kirche St. Jakobi erhalten. Mit dem von Amsdof 1531 als Superintendenten vor-
geschlagenen Johannes Fritzhans stand er in enger Verbindung187.
Seit 1526 war Widensee dann in Hadersleben im Herzogtum Schleswig tätig gewesen188. Der Goslarer
Rat sandte ein Berufungsschreiben nach Hadersleben: diwile wy einen obersten predikanten, de darover ein
truwelik uppsehent hebben scholde, entberen, de wile wi nu I. A. W. alse einen rechtschaffen pastor und herde
[Hirten] der schape Christi romen heren, und wi in unsen hogsten noden darvor erkant und erwelet, so ernennen
wy und erwelen I. A. W. alse eine rechtschaffen pastor und superintendenten189. Von seiten Herzog Christians
(des späteren Königs Christian III. von Dänemark) gab es anscheinend aber Widerstand gegen Widensees
Abwerbung190. Damit könnte auch zusammenhängen, daß die Bestallungsurkunde für Widensee zwar vom
8. September 1533 stammt, er sein Amt aber erst im Februar 1534 antrat191.
Widensee war als Pfarrer der Marktkirche und Superintendent auf Lebenszeit gewählt worden. Die
Besoldung von 140 bzw. 160 Gulden (vgl. Nr. 10a, Anm. 28) lag aber deutlich unter der Summe, die man
zwei Jahre zuvor Paul vom Rode versprochen hatte. Auch wenn er mit seiner Familie im Pfarrhof der
Marktkirche frei wohnen durfte und auch von städtischen Abgaben weitgehend befreit war, reichte die
Bezahlung anscheinend aber nicht aus, da ihm 1540 auf sein Drängen hin eine einmalige Zulage von 300
Gulden gewährt wurde192.

maligen Franziskanermönch, der ab 1524 als Pfarrer der
Heilig-Geist-Parochie in Magdeburg viel zum Aufbau des
evangelischen Kirchenwesens der Stadt beitrug, vgl.
NDB 5, S. 635; BBKL 2, Sp. 133f., LThK3 4, Sp. 162.
181 Zu Paul vom Rode (* 1489 in Quedlinburg, † 1563 in Stet-
tin) vgl. ADB 29, S. 7-10; Reformatorenlexikon, S. 179f.
182 Vgl. Tschackert, Amandus, S. 26f.
183 Der Brief ist abgedruckt in Hölscher, Geschichte der
Reformation, S. 103f.
184 Ebd., S. 104.
180 Ebd. S. 113. Einige Jahre später (1537) nahm Rode auf
die Empfehlung Luthers hin einen Ruf als Superintendent
nach Lüneburg an, kehrte von dort aber wie seinerzeit in
Goslar rasch wieder nach Stettin zurück. Vgl. dazu Ro-
bert Stupperich, Zur Geschichte des Superintenden-
tenamtes der Stadt Lüneburg (1531-1540). Briefwechsel

der Stadt mit Urbanus Rhegius, Hermann Bonnus, Paul
vom Rode und Herzog Barnim von Pommern, in:
JGNKG 65 (1967), S. 117-141.
186 Zu ihm vgl. die biographischen Informationen unter
Nr. 10a, Anm. 1.
187 Vgl. Koch, Zwinglianer, S. 526f.
188 Zur Tätigkeit dort vgl. Schwarz-Lausten, Reforma-
tion in Dänemark, S. 34-36.
189 Zitiert nach Hölscher, Geschichte der Reformation,
S. 114.
190 Darauf weist Widensee auch in seinem Revers vom 2.
Februar (Nr. 10b) hin.
191 Siehe auch die Datierung des zweiten Exemplars der
Bestallungsurkunde, Nr. 10a, textkritische Anm. a.
192 Vgl. Hesse, Superintendenten, S. 106f.

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