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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0224
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Goslar

Münsterstift verfaßten „Reformation und ordenunge de Ceremonien“, wo nur für die Feier des Abendmahls
die deutsche Sprache vorgesehen ist (s. oben S. 199), wird hier auf deren Verwendung in allen Gottesdien-
sten gedrungen.

16a. Eingabe der Prädikanten zu den Klöstern und Stiften, 18. Juli 1544 (Text S. 279) / 16b. Stellungnahme
des Rates zur Eingabe der Prädikanten, 30. März 1545 (Text S. 287)
Auf dem Speyerer Reichstag fanden Verhandlungen zwischen den Goslarer Gesandten und den kaiserlichen
Räten über die Nutzung der geistlichen Güter statt. Im Unterschied zu den Vertretern des Schmalkaldi-
schen Bundes, die im Braunschweiger Abschied der Stadt die Nutzung der Güter zuerkannt hatten, war der
Kaiser zu einem solchen Schritt nicht bereit227. Über die Frage der Nutzung der Güter hinaus wurde von
seiten der evangelischen Prädikanten nun aber eine grundsätzliche Lösung für die Stifte und Klöster ange-
strebt. Deshalb wandten sie sich im Juli 1544 in einer umfangreichen Eingabe an den Goslarer Rat.
Im Magdalenerinnenkloster am Frankenberg hatte, wie in der „Reformatio“ von 1542 vorgesehen,
inzwischen eine Visitation stattgefunden. Diese hatte zur Entlassung der bisherigen Domina geführt228,
ohne daß sich in der Folge die Verhältnisse im Konvent besserten. Die Klausur wurde weiterhin nicht
beachtet. Vor allem aber beklagten sich die Prädikanten über die Schmähung des Evangeliums durch die
Konventualinnen. Wie die Nonnen in den Frauenklöstern anderer Städte, in denen die Reformation einge-
führt worden war, wehrten sich die Goslarer Magdalenerinnen gegen die verordneten Geistlichen und die
ihnen auferlegte Teilnahme am evangelischen Gottesdienst, indem sie die Predigten störten229. Die Prädi-
kanten forderten daher nun sogar eine Aufhebung des Frankenberger Klosters und dessen Umwandlung in
ein christliches Hospital und Armenhaus. Der verbliebene Konvent sollte mit dem des Klosters Neuwerk
zusammengelegt werden, ungeachtet der unterschiedlichen Ausrichtung der beiden Orden230.
Die von den Prädikanten in der Eingabe genannten Mißstände bei den Zisterzienserinnen des Klosters
Neuwerk gleichen denen, die bereits in der „Reformatio“ von 1542 für den Frankenberger Konvent aufge-
führt worden waren: ein für Nonnen unangemessenes Verhalten, Verschwendung des Besitzes, Mißachtung
der Klausur und Schmähung der evangelischen Lehre. Auch die Lösungen gehen teilweise in die gleiche
Richtung wie die in der „Reformatio“ für das Magdalenerinnenkloster vorgesehenen: eine konsequente
Durchsetzung der Klausur und das Verbot des Zutritts für fremde Personen. Vor allem der Aufenthalt der
Schwester Herzog Heinrichs d. J. im Kloster Neuwerk hatte für Unmut gesorgt231. Zur Beseitigung der
wirtschaftlichen Mißstände und Bekämpfung der aufgelaufenen Schulden, die nicht zuletzt auch durch die
Heranziehung des Konvents zur Land- und Türkensteuer durch Herzog Heinrich d. J. gestiegen waren,
drängten die Prädikanten auf die Übernahme der Klosterökonomie durch den Rat. Die bisher mit dem
Kloster verbundenen Wirtschaftshöfe und ihr Inventar sollten veräußert, Äcker, Wiesen und Gärten in der
Umgebung der Stadt an Goslarer Bürger verpachtet werden. Lediglich das zur Versorgung des Konvents
nötige Land und Vieh sollte beim Kloster bleiben. Wie die Magdalenerinnen durch den Pfarrer und Kaplan
von St. Peter und Paul am Frankenberg sollten die Zisterzienserinnen durch die evangelischen Geistlichen
der benachbarten Pfarrkirche St. Jakobi seelsorgerlich betreut werden.
Die von Eberhard Widensee 1534/35 für das Münsterstift entworfene „Reformatio und ordenung de
ceremonien“ (Nr. 11) war ohne Wirkung geblieben. Deshalb unterbreiteten die Prädikanten neben den
Plänen für die Frauenklöster dem Rat auch ein Konzept für die Zukunft der beiden kaiserlichen Stifte

227 Vgl. Blume, Goslar und der Schmalkaldische Bund,
S. 120-124; RTA JR 15,4, S. 2333 (s. v. Goslar).
228 Der Name der Domina ist nicht überliefert. In der Liste
der Priorinnen bzw. Dominae ist im Niedersächsischen
Klosterbuch 2, S. 538f. zwischen 1533 und 1564 eine
Lücke.

229 Vgl. Sehling, EKO XX,1, S. 81.
230 Einen solchen Schritt hatten die Magistrate anderer
Städte auch unternommen, vgl. ebd., S. 82.
231 Zu ihr vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 3, S. 1400.

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