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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0249
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2. Bericht der Stadt Nürnberg für den Goslarer Rat

sti vortrawt, in die welt gepracht hatt, erfolgt ist,
und, wie zu besorgen ist, auch die leuffent an vihel
orten troen, noch mehr und beswerlicher beschehen
wurden, dan auß demselben anfenglichen swurmen
und irsall des nachtmals ist der ander irsall des wid-
derteuffens22, auß demselben aber noch vihel er-
schregklicher unchristlicher irrunge, das Christus
nur ein mensche und nitt Gott, das er in sunden
entpfangen, das er fur die sunde der menschen nit
genug gethan habe, das keyn obergkeit christlick
seyn koyn, das Godt wyder leiblich auff erden ko-
men und ein leiblich regiment auffrichten werde, das
alle obergkeit furtilget und nit pleiben werden, auch
alle ding gemain seyn sollen, und was der elenden
irrung mehr seyn und ye tieffer und grosser werden.
Und das synt die fruchte, die auß solichen irsalen
erfolgen, von | eyner plintheit in die andern zufhal-
len, auch alle unordenunge und unschigklicheit un-
der den menschen zuerwecken.
In bedacht des alles und zuvor der ehre Gotts und
seyns heyligen worts hatt ein rathe hierin nit auff
andere stende oder iren glauben setzen oder so lang
warten wollen, biß das gifft dieserc irsaln gleich ey-
nem krebs umme sich freist [sic] und bey den iren zu
weyth einwurtzel, das es nit mehr oder gar be-
schwerlichd zuheylen wehr, und das sie die verseum-
ligkeit irer ampts nochmaln vil zu langsam23 bereu-
wen wurden, und demnach dieße irsalln und
swurmereyen durch ernstlich, offentlich verpott und
außruffen bey den iren allenthalben abgestelt. Zu
forderst aber wurdet kayner der widderteufer in
eyns rats gepiethen mit nichten gedult, dieweyle
dieselb secte in sonders zu uffruren und vertilgung
der uberigkeiten geneigt24. Daneben auch hatt ein
erbarer rath verpotten, die puchlein derselbigen ir-
c Korr. aus: dessen.
d Korr. aus: schwerlich.

22 Zu den Täufern, die seit 1524 im Nürnberger Gebiet tä-
tig waren, vgl. Seebass, Osiander, S. 122-130; Gün-
ther Bauer, Anfänge täuferischer Gemeindebildun-
gen in Franken, Nürnberg 1966 (= EKGB 43).
23 Spät, s. FWb 9,1, Sp. 266.
24 Im September 1527 hatte der Nürnberger Rat ein Man-
dat gegen die Täufer erlassen, s. Bauer, Anfänge,
S. 140.

rigen lerer und was sunst zu smach, aufruren und
irsaln dienlich seyn mag, damit schir die gantze welt
uberfult ist, nit fail zuhaben, zutrugken und ver-
kauffen, nit darumb, damit imants zu diesem oder
eynem andern glauben zu mussigen25, dan das ist
keyn ampt ainiger christlichen oberigkeit, sonder
damit zuvorhueten, das ider seyn verfurich, irrig
hertze nit offen ware, andere damit zuvorgiften, und
dergleichen schetliche zertrennung, abfall, ungehor-
sam und zerspaltung zuverhueten und die iren in
eynem rechten frieden zuerhalten, wie auch ein ide
obergkeit zum forderlichsten schuldich und ver-
pflicht ist. Was auch solichs alles vermittelst gotli-
cher hulff in Nuremberg bißhero vorhuth hath mus-
sen, dieselbs, so solichen irsaln anhengich seyn, auch
wyder iren willn bekennen.
Item in allen kirchen der statt Nuremberg ist abge-
stelt der erschrocklich bißhero gehalten mißprauch
der messen, darin man nit allain fur lebendich und
todt gheoffert, auch dorauß ein unvorschemte, licht-
ferdige cramerye umb gelt gemacht, sonder auch
Christum, unsern selichmacher, der durch das ey-
nige offer seyns sterbens und pluth vergiessens am
creutz für alle unsere sunde bezcalt und gnug ghetan
hatt26, widerumb zu offeren unterstanden haben,
und vihil anderer grewlicher gotslesterung darinn
geubet. |
Und wurdet an stadt derselben missen das nacht-
mahl Christi zur dechtnus27 seyns heyligen leydens
also gebraucht, das man fhrue zu der zeit fur gehal-
tener fruemissen und dan zum tagampt zwey gesun-
gene ampt myt eynem priester und zwen levi-
ten28 oder kirchen diener helt. In solichem ampt
wurdet anfanges der introitus29 allaine von der zeit
25 Nötigen, zwingen, s. DRW 9, Sp. 1059.
26 Vgl. Kol 1,20.
27 Erinnerung, Gedächtnis, s. FWb 5, Sp. 22.
28 Diakone, s. FWb 9,1, Sp. 1089.
29 Der Einleitungsgesang aus dem Proprium missae mit
den drei Teilen Antiphon, Psalm (meist auf einen Vers
reduziert) und Gloria patri (kleine Doxologie), vgl. Lei-
turgia 2, S. 61-67.

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