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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0328
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Goslar

Solche und dergleichen |32| felle und sachen, so ihrer
artt und eigenschafft, auch nach vermüge beschrie-
bener rechte, nicht stracks weltliche sachen und
hendel, sondern zum theill die conscientien mit be-
langen seint, die sollen, als vorberürt, vor dem con-
sistorio gesucht, geklaget, verhandelt und entschie-
den werden. Und sollen die verordenten darinne
erkennen und bescheid geben nach den beschriebe-

nen rechten, wo die dem göttlichen wortt nicht ent-
kegen befunden. Wo aber die beschriebenen rechte
dem göttlichen recht ungemes und zuwieder, da sol-
len sie sich des göttlichen worts halten und ihr ur-
thel und recht darnach geben, wie dann in etlichen
fellen hernach angezeigt und in den consistoriis zu
Wittenbergk und Leipzigk11 gehalten wird. Und
erstlich:

Wie in ehesachen vor dem consistorio procedirt und
verfahret werden sollj

Dieweil auch causae matrimoniales, nach laut und
besage12 beschriebener rechte, summarie, de simplici
et plano, sine strepitu et figura iudicii13, tractiret
und gehandelt werden sollen, so setzen, ordenen und
wollen wir, daß in ehesachen vor unserm consistorio
schleunig und ohn alle weitleuftigkeit sol procedirt
und vorfahren wer-| 33| den, wie sich das in summa-
rischen und privilegirten14 sachen zu rechte eigenet
und gebühret. Was aber dannoch zu nothwendiger
ausführung der sachen gehörig und sonsten zu einem
summarischen process von nöthen, als citatio legi-
tima, defensio, probatio15, darin sollen sich die ver-
ordenten des consistorii dem rechten gemes und be-
scheidentlich verhalten.
Und derwegen, wenn eine partt klage fürbringet, sol
sein gegentheil uf einen bestimten tag citirt, fürbe-

scheiden und erfordert werden. Und im fall, daß
daßelbe ungehorsam, ohne rechtmeßige, ehe-
hafftk16 impediment und verhinderung außen pliebe
und peremtorie17 citirt were, soll es nochmals und
zum überfluß, zu ausführung und darthuung seiner
ehehafft und rechtmeßige entschuldigung seines
auspleibens, citiert werden. Pliebe es dan nochmals
außen oder mocht keine rechtmeßige noch erhebli-
che ehehafft allegiren18 und darthun und also con-
tumaciam purgiren19, sol es zu straff und in poenam
contumaciae der sachen, als derselben convin-
cirt20 und überwunden, verlustig erkant und con-
demnirt werden. Im fall auch, daß das klagende
theil selbst nicht erschiene, sol citatio circumdu-
cirt21 und cassirt und dasl beklagte theil ab instantia
iudicii absolvirt werden und daruff ferner befah-

j In C und D folgt dieser Teil erst nach dem Kapitel „Von
graden, darinnen die ehe verboten“.
k Korr. in A aus: eheschafft.
l C und D: der.

11 Das Leipziger Konsistorium ging aus dem 1545 von Her-
zog August von Sachsen nach dem Tod des Bischofs Si-
gismund von Lindenau als Administrator des Hochstifts
in Merseburg gegründeten Konsistorium hervor. Dieses
war für das Stiftsland, die herzoglichen Ämter an Saale
und Mulde sowie eine Reihe von thüringischen Ämtern
zuständig gewesen, hatte 1548 aber, nach der durch das
Interim erzwungenen Wahl eines neuen Bischofs von
Merseburg, seine Funktion verloren. 1550 wurde darauf-
hin in Leipzig ein neugeschaffenes Kollegium installiert,
das sich zunächst aus vier promovierten Theologen und
zwei promovierten Juristen zusammensetzte. Eine eigene
Konsistorialordnung erhielt es erst im Jahr 1580. Vgl.
Jens Kunze, Der neu erschlossene Bestand ,Konsi-

storium Leipzig' im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig,
in: Stadtgeschichte. Mitteilungen des Leipziger Ge-
schichtsvereins, Jahrbuch 2009, S. 43-66.
12 Angabe, Wortlaut, s. FWb 3, Sp. 1576.
13 Vgl. CIC Cl. 2,1,2 (= CIC, ed. Friedberg 2, Sp. 1143).
14 Vorrangig zu behandelnden, s. DRW 10, Sp. 1326.
15 Beweisführung, s. Oberländer, Lexicon juridicum,
S. 561.
16 Berechtigte, rechtlich begründbare bzw. entschuldbare,
s. DRW 2, Sp. 1221f.
17 Abschließend, zwingend, s. DRW 10, Sp. 601.
18 Vorbringen.
19 Sich vom Vorwurf des Ungehorsams reinigen, s. Ober-
länder, Lexicon juridicum, S. 187.
20 Überführt, s. Oberländer, Lexicon juridicum, S. 189.
21 Die Wirkung der citatio erlischt, so daß der Kläger eine
neue citatio erlangen muß. Vgl. Oberländer, Lexicon
juridicum, S. 127.

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