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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0350
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Goslar

nem fleiß und treüe beweisen, daß ihm in seinem
gewissen und für jederman unvorweislich sey.
Weil auch die bettler von allen orten häuffig auf den
hof in das oberhaus pflegen zu kommen, eine zeith
mehr als die andere, und von alters her ihnen da
herberge vergönnet worden, soll doch keiner oder
keine ohne wissen und willen des hoffmeisters dar-
inn herbergen und über eine oder zwo nacht nicht
gelitten werden. Und wo sie muthwillen und büberei
wolten treiben, soll sie der hoffmeister mit ernst dar-
inn ansprechen34 und ihnen keinerlei weise büberei
gestatten. Wo sie sich daran nicht |18| kehren, soll
der hofmeister sie vom hofe treiben. Ist er ihnen zu
schwach, soll er andere seine mittbrüder auf dem
hofe zu hülfe nehmen, die ihm auch treülich bey-
stehen sollen. Wil es auch nicht helffen, soll er die
herren vormünder darin zu rathe und hülffe neh-
men.
Und weil die herren vorsteher nicht allezeith können
auf den hofe seyn, soll er nahmen[s] derselben volle
macht haben, zu gebieten und zu verbieten einem
jeden auf den armenhofe, welcher die allmosen da
geniesset, auch beide der meisterinn und ihren mäg-
denc und den hirten, was zu thun und zu lassen ist in
rechten, billigen und christlichen dingen. Und dem-
selbigen sollen auch alle benante personen auf dem
hofe gehorsam leisten, nicht anders denn als wären
die herren vormunden selbst gegenwärtig.
So aber jemand sich hierin wolte sperren und sich zu
guth dünken lassen, dem hoffmeister gehorsam zu
leisten, der soll gewarnet werden. Und wo er dann
nicht folget, soll er denen herren vorstehern ange-
zeiget werden, welche ihn nach gelegenheit und er-
käntniß der sache in billige straffe nehmen sollen.

c Hs.: mädgen.
34 Zur Rede stellen (s. FWb 1, Sp. 1463f.), aber auch: gegen
sie vorgehen (Sp. 1467f.).

Unternimt sich auch jemand35, dem hofmeister in
seinem ambte zu irren, lästert und schmähet auch
|19a| ihn, soll der hoffmeister nicht wieder schelten
noch lästern, sondern die sache auf erkäntniß der
herren vorsteher stellen, die darinn auch recht rich-
ten und urtheilen sollen. Und er soll immer nur nach
friede und einigkeit trachten und die erhalten, so
viel ihm möglich ist, und in dem, das ihm zu schwer
ist, dem pastor und vormunden zu hülffe nehmen.
Und soll nicht sein eigen richter seyn, sondern mit
grosser gedult trachten, was zu dulden ist, um frie-
den willen, wie dann ein jeder in seinem ambte mit
gedult alles überwinden muß, waß nicht zu ändern
ist.
Endlich aber, weil der hofmeister für allen andern
mehr mühe und arbeith auf und ausser dem armen-
hofe hat, so er anders sein ambt recht treülich mei-
nen will, wie er geschworen hat, so soll er neben sei-
nem pröben theil noch einen theil nehmen, wie vor
gebräuchlich gewesen, zu den lohne, den er sonst an
gelde hat, wie die vorigen vor ihme gehabt haben.
Und ob solches wol geringe ist, so ist der ewige Gott
ein vergelter alles guthen36; der wird sein grosser
lohn seyn, so er treüe und fleiß anwendet.
Er soll aber selbst persönlich alle die gedachte ge-
schäffte ausrichten oder, da er geschäffte oder
kranckheit halber verhindert, durch einen andern
aus ihrem mittel, soll die zinße bei den leuthen,
wenn sie |19b| betagt, einmahnen und sie bey keinem
lassen aufwachsen oder, da jemand mit den zinßen
säumig würde, mit der vormunden hülffe und for-
derung durch gerichtszwang demselbigen zur bezah-
lung bringen37. Und was er also von zinsen auf-
nimbt, soll er den vormunden zustellen und von
ihnen wiederum fodern, was man auf dem hoffe be-
darff und den armen gebühret, auf das sie darüber
richtige register halten.

35 Sich unternehmen - sich herausnehmen, s. Grimm,
DWb 24, Sp. 1697f.
36 Vgl. Spr 19,17.
37 Vgl. oben S. 327.

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