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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0355
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26. Ordnung für das Spital St. Pankratius (Siechenhof)

den unter einander führen, von Gott und seinen hei-
ligen worte reden, waß sie davon in predigten ge-
höret haben, sich wieder unter einander erinnern die
zeith (über ihrer arbeit den werckeltag), die Sontage
und heilige tage mit psalmen, lobgesängen und
geistlichen liedern zubringen64.
Und sonderlich gebieten wir diesen personen, daß sie
fleissig am gebet und Vater unser halten sollen,
wenn sie des morgens zusammen kommen, des
abends wiederum von einander gehen, auf ihre knie
fallen für alle fromme christen, für einen erbarn,
wohlweisen rath dieser stadt Goslar, für die gantze
gemeine und bürgerschaft und insonderheit für die,
deren allmosen sie geniessen, hertzlich bitten. Und
hierine soll der hoffmeister und meisterinn ihnen gu-
the exempel geben, die personen |31| zusammen fo-
dern in die gemeine stuben, sollen anfangen und die
andern sollen ihnen folgen.
Die kirche ist auf dem hoffe65, daß sie nicht weit
darnach gehen dürfen66. Darum auch alle personen,
wenn ihr pfarrherr prediget, sich in die kirche ein-
finden sollen, Gottes worth hören, den catechismum
lernen, das gemeine gebeth helffen halten den ver-
ordneten Donnerstag. Die Sontage und andere hei-
lige tage sollen sie sich in der pfarrkirche zu St. Ste-
phan67 einfinden und Gottes worth mit fleiß hören
und lernen. Und andere tage ist es denen auch nicht
verbothen, die zu fuße sind. Denn alle tage, gottlob,
in der stadt geprediget wird. Und darum wollen wir,
daß der hoffmeister und meisterinn hierauf guthe
achtung geben, daß niemand ohne wichtige sonder-
liche ursache, aus verachtung und leichtfertigkeit,
die predigt und sacrament versäume. Sie sollen bey
zeiten nach den läuten auf den hoffe in der kirchen
seyn und helffen mit singen, embsich beten und
fleissig zuhören, auch offte und sonderlich alle quar-

64 Vgl. Eph 5,19 und Kol 3,16.
65 Gemeint ist die beim Spital gelegene Kapelle, die dem
Hl. Pankratius geweiht war. Vgl. Graf, Niederkirchen-
wesen, S. 94f. und S. 453 (Erwähnungen der Kapelle).
66 Brauchen, nötig haben, s. Grimm, DWb 2, Sp. 1722.
67 Zu St. Stephani vgl. die Einleitung S. 179.

tal, wie oben berührt68, zum seligen tische des Herrn
sich bereiten, auf daß ihre gottesfurcht von jeder-
mann gespüret werde. Daß ist ihnen nützlich und
gut bey |32| Gott und menschen. So offt aber jemand
ohne gnugsame ursache die predigt versäumet, soll
er der praebende dieselbige woche mangeln. Und
was die bröcke69, so hiedurch fallen, anlanget, soll
denen andern pröbenern zum besten kommen. Und
daß sol auch den verächtern des testaments des
Herrn geschehen und gesaget seyn.
In andern predigten in der stadt sollen sie die ersten
seyn und mit fleisse der gottesdienste auswar-
ten70 und alle ihre gottseligkeit gegen jedermann mit
wahrheit kund machen, damit fromme christen ih-
nen desto williger geben.
Diejenigen, so es alters halber und ohne hinderniß
ihrer eigenen schwachheit thun können und zu
schwachen oder krancken gefodert werden, sollen
sich (doch um eines jeglichen gebühr und ziemlichen
lohn) darzu williglich gebrauchen lassen, der
krancken woll warten und in fallender noth ihnen
fleissig und gerne fürbeten und sich dienstbarlich
erzeigen gegen jedermann. Dardurch wird mancher
frommer christ bewogen werden, ihrem hoff mit
grössern gütern zu begaben. Und weil die praebende
oder theil, so einem jeden fält, geringe ist, sollen die,
so gesund seyn, müssig-| 33| gang vermeiden, ein je-
der in seinem hause oder kammer oder in der stuben
nehen, spinnen, knitten71 oder damit er sonst auf
oder ausser den hoffe seinen pfenning kann erwer-
ben, treülich verrichten.
Mögen auch wol bei frommen leüten durch warten
der kinder, einhüten72 oder andern dienst seinen
pfenning oder stücklein brod suchen. Darinnen sol-
len sie sich auch willig und den leüten angenehm

68 Vgl. S. 328.
69 Strafgelder, s. Schiller / Lübben 1, S. 429.
70 Mit Ernst nachgehen, eifrig besuchen, s. FWb 2,
1507-1509.
71 Stricken, s. Grimm, DWb 11, Sp. 1536 (s.v. knütten).
72 Das Haus hüten, s. DRW 2, Sp. 1402.

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