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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0373
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Einleitung

einem deutschen König verliehene Urkunde enthielt u.a. Bestimmungen zur Freiheit von Leibeigenen nach
Jahr und Tag und zur Sicherung des Grundeigentums26.
Als Vorläufer des späteren Rats gelten die Bürgerausschüsse, die zum einen die Interessen der civitas
gegenüber dem Erzbischof als Stadtherrn vertraten und die zum anderen auch Konflikte unter den Bürgern
schlichteten. Umstritten ist in der Literatur die Frage, ob ein solcher Bürgerausschuß bereits 1159 beim
Abschluß des sogenannten „Weidebriefes“ tätig war27. Consules selbst werden erstmals in einer Urkunde
vom November 1225 genannt28. Ein Rathaus findet 1229 Erwähnung; es lag zwischen dem Liebfrauenkirch-
hof und der Sögestraße. Anfang des 15. Jh. wurde es durch das noch heute bestehende gotische Rathaus
ersetzt29.
Anfangs wurden die Ratsherren von den Bürgern nach den 1229 gebildeten vier Kirchspielen gewählt (s.
unter B). Starb ein Ratsherr, mußte er durch einen anderen aus dem gleichen Stadtviertel ersetzt werden.
Erst 1392 wurde die Ratswahl nach Vierteln unterbrochen30. Mehr und mehr rückte an die Stelle der Wahl
aber die Selbstergänzung des Rates. Meist blieben die Ratsherren lebenslang im Amt. Bis 1288 bestand der
Rat aus zwölf Ratsherren (jeweils drei aus einem der Viertel), von da an bis 1304 aus 14. Danach stieg die
Zahl der Mitglieder auf 36 an (neun aus jedem Viertel), von denen jeweils zwölf „im Eide“ saßen31. Die an
der Spitze des jeweiligen Drittels stehenden Männer wurden ab 1344 als „Bürgermeister“ bezeichnet. Nach
1398 erfolgte eine Aufgliederung des Rats in vier Viertel mit insgesamt vier Bürgermeistern und 20 Rats-
herren, von denen jeweils die Hälfte amtierte32. Im Jahr 1426 wurde der bestehende Rat gestürzt und ein
neuer mit zwei Bürgermeistern und zwölf Ratsherren gewählt. Im Unterschied zur vorangehenden Zeit
bekleideten die Ratsherren ihr Amt nun nicht mehr auf Lebenszeit. Auch durfte sich der Rat nicht mehr
selbst ergänzen, sondern ein Ausschuß aus Ratsherren und Vertretern von Kaufmannschaft und Zünften
bestimmte die neuen Mitglieder. Nach nur sieben Jahren kehrte man aber nicht zuletzt auf äußeren Druck
(Hanse, Kaiser und Papst) zur alten Verfahrensweise aus der Zeit vor 1426 zurück, nur daß es jetzt 24
(sechs pro Viertel) statt 20 Ratsherren gab33. Diese Zusammensetzung blieb über mehrere Jahrhunderte
hinweg weitgehend erhalten34. Zumindest im 16. Jh. kam es jedoch während des Aufstands der 104 und
während der Unruhen nach der Ausweisung des Dompredigers Albert Hardenberg mit dem Auszug von
Teilen des Rates aus der Stadt (vgl. unten S. 368 und 386f.) zu kurzfristigen Abweichungen von dieser
Gewohnheit.
Die „Wittheit“ (Weisheit) findet erstmals in den Nachträgen zum Stadtrecht von 1303 bzw. 1308
Erwähnung. Dabei scheint es sich um ein Kollegium gehandelt zu haben, das der Rat in wichtigen städti-
schen Fragen zur Beratung hinzuzog und auch an den Entscheidungen beteiligte. Später bezeichnete „Witt-
heit“ dann den nicht amtierenden Ratsteil, der durch den „sitzenden Rat“ konsultiert wurde35. In den
Urkunden heißt es in diesen Fällen: der Rat und die Wittheit.
Die meisten Ratsmitglieder waren Grund- und Rentenbesitzer; daneben gehörten auch Kaufleute und
seit dem 15. Jh. in zunehmender Zahl Juristen dem Rat an36. Während sich im 13. Jh. noch eine Reihe von

26 Ebd., Nr. 65, S. 71-73; Abb. der Urkunde in Schwarz-
wälder, Bremen-Lexikon 1, S. 62. Vgl. Dieter Häger-
mann, Das Barbarossa-Diplom von 1186 und seine
Bedeutung für die Entwicklung der Stadt Bremen, in: BrJ
65 (1987), S. 27-42.
27 Vgl. Scheper, Institutionen, S. 9ff. und Hägermann,
Recht und Verfassung, S. 20.
28 Bremisches UB 1, Nr. 138, S. 159f. Bereits in der Zeugen-
liste einer Urkunde von 1206, in welcher der Bremer Erz-
bischof den Bürgern die Verfügung über den wifrad ein-
räumte, einen den Frauen bestimmten Erbteil (Kleider,
Schmuck, Brautkiste), erscheinen die Namen einer Reihe
von Personen, die Familien angehörten, die in der Folge

Mitglieder des Rates stellen sollten (vgl. Schwarzwäl-
der, Geschichte 1, S. 45).
29 Vgl. Schwarzwälder, Bremen-Lexikon 2, S. 703-706.
30 Bremisches UB 4, Nr. 141, S. 184f. Vgl. Lübcke, Bremer
Rat, S. 10; Schwarzwälder, Bremen um 1300, S. 38.
31 Vgl. Lübcke, Bremer Rat, S. 5f.
32 Ebd., S. 10.
33 Ebd., S. 11f. Der Kaiser verhängte infolge der Klage des
alten Rates die Reichsacht über Bremen; der Papst
exkommunizierte den neuen Rat.
34 Vgl. Schwarzwälder, Bremen-Lexikon 2, S. 700.
35 Vgl. ebd., S. 993; Lübcke, Bremer Rat, S. 6.
36 Vgl. Schwarzwälder, Bremen um 1300, S. 37f.

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