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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 2. Teil): Grafschaft Schaumburg, Goslar, Bremen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.30840#0394
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Bremen

6. Vergleich des Rates mit dem Kapitel des Stifts St. Wilhadi wegen der Verwendung der Präbenden,
18. Mai 1545 (Text S. 490)
Neben dem Domstift bestanden auch die beiden Kollegiatstifte St. Wilhadi und St. Ansgarii nach der Ein-
führung der Reformation in der Hansestadt weiter. Ernsthafte Schritte zu einer Auflösung der beiden Stifte
scheint der Bremer Rat nicht unternommen zu haben. Auch Versuche zu einer Umgestaltung der Stifte im
evangelischen Sinne mit einer Erneuerung des Offiziums, wie wir sie in Goslar finden (s. im Abschnitt zu
Goslar, Nr. 11), lassen sich für Bremen nicht nachweisen. Die seelsorgerliche Betreuung der Gemeinden und
den Pfarrgottesdienst, für den bis zur Reformation Mitglieder der beiden Kapitel zuständig gewesen
waren194, übernahmen die evangelischen Prädikanten195.
Der Bremer Rat scheint aber schon bald nach der Durchsetzung der Reformation ein Mitspracherecht
bei der Verleihung der Pfründen beansprucht zu haben. Darüber kam es zum Streit mit dem Kapitel des
Wilhadistifts. Das Kapitel mußte schließlich einlenken, weil das Stift hoch verschuldet war und die Stadt
zu seinen Hauptgläubigern zählte196. Wie schon bei der Vereinbarung der Stadt mit Erzbischof Christoph
sollte der Vergleich bis zur Abhaltung eines allgemeinen Konzils oder einer Nationalversammlung Gültig-
keit besitzen (vgl. Nr. 3a und b).
Mit der Vereinbarung vom 18. Mai 1545 ging die Besetzung der in den päpstlichen (ungeraden) Mona-
ten freiwerdenden Pfründen des Wilhadistifts an die Bremer Ratsherren über, die in den anderen Monaten
blieb in der Hand der ordentlichen Kollatoren (also in der Regel des Kapitels). Gegenseitig räumten sich
Rat und Kapitel ein Bestätigungsrecht für die vorgeschlagenen Kandidaten ein. Nach den Vorstellungen
des Rates sollten die Präbenden vor allem zur Unterstützung des geistlichen Nachwuchses verwendet wer-
den. Für die an den Universitäten Studierenden sollte ein Fonds aus den Pfründen der Vikare gebildet
werden, die nicht wieder besetzt wurden.
In zwei weiteren Kontrakten zwischen Rat und Stiftskapitel vom 7. Mai 1556 und vom 29. August 1585
ging es dann um die Versorgung der beiden Prädikanten. Nach der Auffassung des Rates war der predigt-
stuhl nicht genügend mit Kirchengütern ausgestattet, so daß die beiden Prädikanten aus dem gemeinen gute
unterhalten werden mußten. Deshalb wandte sich der Rat neuerlich an das Stiftskapitel. Die Chorherren
weigerten sich zunächst, in Verhandlungen einzutreten, erklärten sich schließlich aber bereit, zwei Kano-
nikate mit den dazugehörigen Kurien an den predigtstuhl zu geben. Darüber hinaus sollten auch noch vier
Pfründen von Vikaren, die durch den Tod der Beseitzer frei geworden waren, zum Unterhalt der evange-
lischen Prediger verwendet werden197.
In dem 1585 zwischen Rat und Stiftskapitel abgeschlossenen Vertrag war ausdrücklich festgehalten, daß
die getroffenen Bestimmungen nur so lange Gültigkeit haben sollten, bis die Schulden des Stifts abgetragen
waren. Da eine solche Abtragung aber in weite Ferne rückte, erklärte sich das Kapitel im April 1603
schließlich mit dem Verbleib der beiden Kanonikate und der dazugehörigen Kurien beim predigtstuhl ein-
verstanden. Der Rat sagte dem Kapitel im Gegenzug seinen Schutz und Schirm zu und versprach, die
Privilegien und Gerechtigkeiten des Stifts zu wahren. Daß der größte Teil der Kanoniker zu dieser Zeit
bereits evangelisch war, zeigt die Klausel des Vertrags, wonach die Chorherren zusammen mit ihren ehe-
weibern in der Kirche begraben werden sollten198.

194 Vgl. die Einleitung, S. 356.
195 Vgl. Niedersächsisches Klosterbuch 1, S. 223f.; Bremer
Pfarrerbuch 1, S. 65-67.
196 Das Niedersächsische Klosterbuch 1, S. 225 beziffert die
Schulden des Stifts Mitte des 16. Jh. auf 2.400 Reichsta-
ler.

197 StaatsA Bremen 2-Z.13.i. (ohne Blattzählung). Auf
Wunsch des Rates stimmten die residierenden Vikare des
Stifts in einer gesonderten Ratifikationsurkunde dem letz-
ten Punkte zu.
198 StaatsA Bremen 2-Z.13.i. (ohne Blattzählung).

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