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Telekleides

Gelder während seiner Kampagne auf Sizilien vor Gericht gezogen wurde (vgl.
MacDowell 1971, 163-4; vgl. hier unten, zu Δάκης).
Textgestalt Statt des tradierten οντιν’ schlug Kock ήν τιν’ vor (vgl. hier
unten, zu οντιν’), das in Kombination mit dem ebenfalls konjizierten όρά
(anstelle des tradierten όράς) folgenden Sinn ergäbe (Bothe 1855,125 und van
Herwerden 1855, 18: „statim ad mordendum paratus ubi aliquem hominem
videt“; vgl. auch Grasberger 1888, 328): ,ein Dakes ist er [bzw. zu einem Beißer
wird er], wenn er irgendeinen Mensch sieht“ - was, im Vergleich zur tradierten
Fassung, keine Verbesserung des Verses darstellt (gegen die Interpunktion
von Toup 1790, IV 124 in Δάκης τίς έστιν; zu Recht Meineke II. 1 368: „quo
nihil proficitur“).
Interpretation Wenn hinter dem sprechenden Namen Dakes sich die Person
des Laches verbergen sollte (vgl. hier unten, zu Δάκης), hätten wir es mit einem
Politiker und General zu tun (PA 9019; PAA 602280; LGPNII280 [25]), welcher
sonst nur in Aristophanes’ Wespen Gegenstand der komischen Verspottung
wurde (vgl. Sommerstein 1996, 344), namentlich unter dezidiertem Verweis
auf dessen getrübte Beziehung zu Kleon, der ihn erfolglos anklagte (Ar. Vesp.
240-4. 835-42. 894-1008; vgl. Thuc. IV 118,8. 11-14, auch zu seinem Antrag
auf einen einjährigen Waffenstillstand mit Sparta im Frühjahr 423 v.Chr.).
Die dramatische Situation ist nicht klar zu rekonstruieren: möglich wäre
durchaus, daß jemand von Laches spricht oder auf ihn deutet. Der historische
Hintergrund könnte überdies derselbe wie beim Laches/Labes der Wespen
sein, d.h. die Kampagne nach Sizilien vom J. 427 v.Chr., die er als Stratege
führte, um die mit Leontinoi verbündeten Städte von Syrakus zu schützen
(Thuc. III 86; vgl. Geske 2005, 67-71). Die Ausdrücke ,schnappen“ (λαβεϊν)
und ,beißen“ (δακεϊν) wären in der Bildersprache ähnlich genug, um dieselbe
Referenz zu haben, nämlich die Unterschlagung öffentlicher Gelder (vgl. hier
oben, Zitatkontext, S. 145; zum metaphorischen Gebrauch von δάκνειν, auch
in der Umgangssprache, vgl. Collard 2005, 380). Aber von größerer Relevanz
dürfte der Gebrauch des Verbs δάκνειν (wiewohl in einer korrupten Stelle) in
com. adesp. fr. 700 (έξυβρίσας πειθαρχεϊν ούκέτι τολμά, / άλλά j" δάκνει j"
τήν Εύβοιαν και ταϊς νήσοις έπιπηδά, in Plut. Per. 7,8) sein, einem Fragment,
das Telekleides zugeschrieben wurde (vgl. hier oben, S. 18). Hier ist vom
Volk“ die Rede, das nach Perikies’ Tod in seinem Übermut den Gehorsam
verweigert und, in der Gewalt skrupelloser Demagogen, eine militärisch ag-
gressive Politik unternimmt, die sich auf die ägäischen Inseln und Euboia
niederschlägt, welche gleichsam ,gebissen“ wird, δάκνειν dürfte somit generell
zur Militäraktion eines Strategen passen, gleichviel ob des Laches oder eines
anderen. Rein theoretisch wäre auch eine Wiedergabe möglich wie ,es ist ein
Dakes, wen auch immer du siehst“; bei dieser Generalisierung ginge jedoch
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