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ANTRITTSREDEN
Die Analyse von Entscheidungssituationen bei Ungewissheit und den sich dar-
aus ergebenden Risiken war Gegenstand meiner Dissertation, und diese Thematik
hat mich seither nicht mehr losgelassen. Die Arbeit befasste sich mit der stochasti-
schen linearen Optimierung, einem Problem, bei dem optimale Unternehmensmaß-
nahmen bei nicht genau bekannten Rahmendaten wie zukünftige Absatzmengen,
Preise oder verfügbare Kapazitäten zu entwickeln waren. Dies war em Thema,
das in idealer Weise eine Verbindung von ökonomischer Fragestellung, mathemati-
scher Modellierung und handfester Entwicklung von Entscheidungsempfehlungen
erlaubte.
Die Arbeit wurde von der Fakultät wohlwollend aufgenommen, da sie mir aber
nur den Dr. rer. pol. verleihen konnte, musste sie erstmals einen aus der Mathematik
kommenden Exoten in das Korsett der Promotionsordnung zwängen. Man ent-
schied, dass ich in einem dreistündigen Rigorosum über die gesamte Betriebs- und
Volkswirtschaftslehre von vier Vertretern der Fakultät geprüft werden sollte. Dies war
natürlich inhaltlich eine Herausforderung, noch schwieriger war es jedoch, vier viel-
beschäftigte Hochschullehrer gleichzeitig für drei Stunden an einen Tisch zu brin-
gen. Als em Termin über die Mittagszeit gefunden wurde, bedeutete mir die lebens-
kluge Dekanatssekretärin, dass hungrige Professoren keine gemütlichen Prüfer seien,
dass aber das Dekanat - wie heute — keine Mittel für derartige Lebensgenüsse habe.
So pressten die gutwilligen Professoren nicht nur mein letztes Wissen aus mir her-
aus, sie aßen auch, ohne es zu wissen, gleichzeitig auf meine Kosten.
Mit der Promotion zum Dr. rer. pol. war natürlich die mathematische Jung-
fräulichkeit endgültig verloren. Als Seiteneinsteiger eine wissenschaftliche Laufbahn
in der Betriebswirtschaftslehre zu ergreifen, schien mir gleichermaßen riskant wie
reizvoll. Das Letztere gab den Ausschlag, und mit Hilfe eines Habilitandenstipen-
diums der DFG konnte ich mich mit einer Arbeit zur „Investitions- und Finanzpla-
nung bei qualitativer Information“ 1976 habilitieren. In dieser Schrift entwickelte
ich eine Theorie für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen von Unterneh-
men für den Fall, dass nur ordinale Wahrscheinlichkeitsinformationen über die
entscheidungsrelevanten künftigen Ereignisse vorliegen. Die mit diesen Wahrschein-
lichkeitsinformationen verträglichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen bilden ein
konvexes Polyeder, wodurch die Lösung der entscheidungslogisch begründeten
Max-Mm-Probleme erheblich vereinfacht wird.
Da der erste Ruf auf den Lehrstuhl für Investition und Finanzierung an der
Universität Dortmund drei Stunden vor dem Habilitationskolloquium bei mir ein-
ging, konnte ich in dieses letzte Prüfungsgespräch vor der vollständig versammelten
Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen mit etwas mehr Gelassenheit gehen,
als ich mir dies in den zurückliegenden Wochen vorstellte.
Nach der Übernahme dieses Lehrstuhles in Dortmund im Jahr 1977 kristalli-
sierten sich in den folgenden beiden Jahren drei wesentliche Forschungsgebiete her-
aus, mit denen sich meine Mitarbeiter und ich in den nächsten 25 Jahren zunächst
in Dortmund und seit 1990 an der Betriebswirtschaftlichen Fakultät in Mannheim
befassen sollten: Die Bewertung von Finanzinstrumenten, insb. Derivate wie Futu-
res, Optionen und Swaps, die empirische Kapitalmarktforschung und das Manage-
ANTRITTSREDEN
Die Analyse von Entscheidungssituationen bei Ungewissheit und den sich dar-
aus ergebenden Risiken war Gegenstand meiner Dissertation, und diese Thematik
hat mich seither nicht mehr losgelassen. Die Arbeit befasste sich mit der stochasti-
schen linearen Optimierung, einem Problem, bei dem optimale Unternehmensmaß-
nahmen bei nicht genau bekannten Rahmendaten wie zukünftige Absatzmengen,
Preise oder verfügbare Kapazitäten zu entwickeln waren. Dies war em Thema,
das in idealer Weise eine Verbindung von ökonomischer Fragestellung, mathemati-
scher Modellierung und handfester Entwicklung von Entscheidungsempfehlungen
erlaubte.
Die Arbeit wurde von der Fakultät wohlwollend aufgenommen, da sie mir aber
nur den Dr. rer. pol. verleihen konnte, musste sie erstmals einen aus der Mathematik
kommenden Exoten in das Korsett der Promotionsordnung zwängen. Man ent-
schied, dass ich in einem dreistündigen Rigorosum über die gesamte Betriebs- und
Volkswirtschaftslehre von vier Vertretern der Fakultät geprüft werden sollte. Dies war
natürlich inhaltlich eine Herausforderung, noch schwieriger war es jedoch, vier viel-
beschäftigte Hochschullehrer gleichzeitig für drei Stunden an einen Tisch zu brin-
gen. Als em Termin über die Mittagszeit gefunden wurde, bedeutete mir die lebens-
kluge Dekanatssekretärin, dass hungrige Professoren keine gemütlichen Prüfer seien,
dass aber das Dekanat - wie heute — keine Mittel für derartige Lebensgenüsse habe.
So pressten die gutwilligen Professoren nicht nur mein letztes Wissen aus mir her-
aus, sie aßen auch, ohne es zu wissen, gleichzeitig auf meine Kosten.
Mit der Promotion zum Dr. rer. pol. war natürlich die mathematische Jung-
fräulichkeit endgültig verloren. Als Seiteneinsteiger eine wissenschaftliche Laufbahn
in der Betriebswirtschaftslehre zu ergreifen, schien mir gleichermaßen riskant wie
reizvoll. Das Letztere gab den Ausschlag, und mit Hilfe eines Habilitandenstipen-
diums der DFG konnte ich mich mit einer Arbeit zur „Investitions- und Finanzpla-
nung bei qualitativer Information“ 1976 habilitieren. In dieser Schrift entwickelte
ich eine Theorie für Investitions- und Finanzierungsentscheidungen von Unterneh-
men für den Fall, dass nur ordinale Wahrscheinlichkeitsinformationen über die
entscheidungsrelevanten künftigen Ereignisse vorliegen. Die mit diesen Wahrschein-
lichkeitsinformationen verträglichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen bilden ein
konvexes Polyeder, wodurch die Lösung der entscheidungslogisch begründeten
Max-Mm-Probleme erheblich vereinfacht wird.
Da der erste Ruf auf den Lehrstuhl für Investition und Finanzierung an der
Universität Dortmund drei Stunden vor dem Habilitationskolloquium bei mir ein-
ging, konnte ich in dieses letzte Prüfungsgespräch vor der vollständig versammelten
Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen mit etwas mehr Gelassenheit gehen,
als ich mir dies in den zurückliegenden Wochen vorstellte.
Nach der Übernahme dieses Lehrstuhles in Dortmund im Jahr 1977 kristalli-
sierten sich in den folgenden beiden Jahren drei wesentliche Forschungsgebiete her-
aus, mit denen sich meine Mitarbeiter und ich in den nächsten 25 Jahren zunächst
in Dortmund und seit 1990 an der Betriebswirtschaftlichen Fakultät in Mannheim
befassen sollten: Die Bewertung von Finanzinstrumenten, insb. Derivate wie Futu-
res, Optionen und Swaps, die empirische Kapitalmarktforschung und das Manage-