Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

DOI Kapitel:
I. Das Geschäftsjahr 2003
DOI Kapitel:
Nachrufe
DOI Artikel:
Dransfeld, Klaus: Ludwig Genzel (17.2.1922 - 27.1.2003)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0152
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
164

NACHRUFE

krise - eine schwere Zeit. Einige Bilder, die seine Mutter gemalt hatte, hingen bis
zum Tod von Ludwig Genzel in seiner Stuttgarter Wohnung.
1932 besuchte Ludwig Genzel zunächst das altsprachliche Lessing-Gymnasium
in Frankfurt, wechselte aber angesichts seiner naturwissenschaftlichen Neigungen
einige Jahre später zum Wöhler-Gymnasium. Im zweiten Kriegsjahr legte er dort mit
18 Jahren das Notabitur ab, sogleich gefolgt vom Arbeitsdienst und anschließend
vom Wehrdienst, wovon ihn erst das Kriegsende wieder befreite. Der Drill bei der
Rekrutenausbildung weckte in dem jungen sensiblen Ludwig eine tiefe Aversion
gegen alles Militärische, so daß er auch dem wiederholten Drängen seiner Vorge-
setzten zu einer Offizierslaufbahn nie nachgab. Statt dessen wurde er Ausbilder für
Bordfunker bei der Luftwaffe, erprobte Radargeräte, was seinen technischen Interes-
sen entsprach, und blieb bis zum Kriegsende als Unteroffizier in Halle stationiert. Mit
einigen Kriegskameraden verband ihn noch lange eine enge Freundschaft.
Erst 1946 — nunmehr im Alter von 24 Jahren — konnte er in Frankfurt das
Studium der Physik, Chemie und Mathematik beginnen. Im Jahr darauf heiratete
er seine spätere Frau Eva-Maria Schlüter. In den ersten Semestern lernte er auch
Reimar Lüst kennen, mit dem sich seine Wege später bei der Max-Planck-Gesell-
schaft wieder kreuzen sollten. Nach dem Verlust von so vielen Lebensjahren durch
den Krieg verfolgte Ludwig Genzel nunmehr das Studium sehr zielstrebig und mit
großem Arbeitseinsatz. Fast alle Vorlesungen wurden schriftlich ausgearbeitet, und wo
das Geld nicht reichte zum Kauf eines Lehrbuchs, wurden ganze Kapitel hand-
schriftlich kopiert. Diese Zielstrebigkeit und Entschlossenheit sind Ludwig Genzel
auch bei allen seinen späteren Unternehmungen als Charaktereigenschaften geblie-
ben.
Schon 1949 schloß er die Diplomarbeit ab und 1951 seine experimentelle
Doktorarbeit bei Professor M. Czerny über die Ultrarotabsorption von Gläsern bis
zu Temperaturen von 1400°C. Diese Themenstellung über Glasschmelzen ergab sich
wohl aus den Industriekontakten seines Doktorvaters mit der Firma Schott. Auch
Ludwig Genzel hatte seit dieser Zeit nie Kontaktschwierigkeiten mit der Industrie.
Seinen Doktorvater hat Ludwig Genzel besonders wegen seines experimentellen
Geschicks und seiner gradlinigen Art sehr geschätzt. Auch der Lebensphilosophie
von Ludwig Genzel entsprach die preußische Geradheit und das Pflichtbewußtsein
von Czerny durchaus, aber etwas abgemildert durch die „Schlauheit eines hessischen
Jungen“, wie es Ludwig Genzel humorvoll ausdrückte. Der Lehrer von Czerny, war
der berühmte Infrarot-Spektroskopiker H. Rubens, der im gleichen Jahr (1922) starb,
in dem Ludwig Genzel zur Welt kam. Ludwig Genzel bezeichnete sich oft mit
Humor und Stolz als „Enkel“ von Rubens.
1952 wurde der Sohn Reinhard Genzel geboren, um dessen spätere naturwis-
senschaftliche Erziehung sich der Vater nach der Schilderung des Sohnes „mehr als
die meisten anderen Väter“ persönlich gekümmert hat. Insbesondere haben Vater und
Sohn gerne zusammen experimentiert z.B. mit Funkenlichtquellen und Fourier-
Spektrometer. Die junge Familie Genzel wohnte damals im Obergeschoß des physi-
kalischen Instituts, so daß der Weg zu den Experimenten nicht weit war. Schon dem
gerade 14-jährigen Sohn versuchte der Vater die Schrödingergleichung verständlich
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften