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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2003 — 2004

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I. Das Geschäftsjahr 2003
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Jung, Ernst G.: Heinrich Schipperges (17.3.1918 - 10.5.2003)
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https://doi.org/10.11588/diglit.67592#0160
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172

NACHRUFE

so festzulegen, dass sie zur richtigen Zeit Wirkung versprechen, als Beweis für die
Allmacht der Gottheit und auch für die spezielle Beziehung des Heilers zu dieser.
Medizin entstand in sozialen Gemeinschaften schon sehr früh durch erfüllte und
effektive Heilhandlungen im sakralen Kontext.
Heinrich Schipperges hat diese anthropologischen Wurzeln und die frühen
Weisheiten in der Medizin gesucht und gefunden, trefflich aufgearbeitet und in
lesenswerten Büchern für uns festgehalten. Von den Griechen und Römern ausge-
hend zog er den Faden in die arabische Hochkultur (Maimonides, Ibn Chaldun,
Avicenna u.a.) und weiter, über Hildegard von Bingen ms Mittelalter bis zu Para-
celsus.
Er studierte zusätzlich zur Medizin noch Arabistik und Islamwissenschaften,
habilitierte sich 1959 mit einem Thema über „Rezeption und Assimilation der ara-
bischen Medizin durch das lateinische Mittelalter“, lehrte dieses Fach an der Uni-
versität Kiel und erlangte rasch internationale Reputation.
Im Jahre 1961 wurde er von der Universität Heidelberg als ihr erster Ordina-
rius für Medizingeschichte berufen. Hier baute er das Institut für Geschichte der
Medizin auf, welchem er bis zu seiner Emeritierung 1986 vorstand.
Die moderne, naturwissenschaftlich basierte Medizin war ihm gleichermaßen
vertraut, von Rudolf Virchow bis zur modernen Gentherapie. Die frappanten Er-
folge der prothetischen und mikroinvasiven Chirurgie beschäftigten und imponier-
ten ihm. Und gerade deswegen suchte er stets die Zusammenhänge und die gegen-
seitigen Bedingtheiten der traditionellen und der naturwissenschaftlichen Medizin.
Diese zwei Welten waren nicht nach seiner Vorstellung, er suchte das Verbindende,
Gemeinsame und alles, was in die Zukunft weist und hilfreich wirkt. Während am
Anfang der Medizingeschichte das Staunen über die Abweichungen menschlichen
Seins und deren Gottheitsbezug im Vordergrund standen, steht heute, dem vorläufi-
gen Endbereich solcher Betrachtungen, der Anspruch auf Gesundheit im Vorder-
grund. Machbarkeit, Realisierung und Finanzierung stehen zur Debatte, ohne dass,
wie über alle Jahrtausende, die sakrale Bezugnahme verloren ginge, heute allerdings
zunehmend mit spiritueller Einfärbung. So führen uns die Arbeiten von Heinrich
Schipperges durch die Zeiten, in mutige Vergleiche hinein und heran an immer wie-
der überdachte Visionen.
„Medizingeschichte ist Teil der Kulturgeschichte“, bemühte er sich stetig und
erfolgreich zu vermitteln. Die Medizin, insbesondere ihre Fachgesellschaften, nah-
men diesen Dienst gerne und öfters auf, ganz besonders die Chirurgie und die Der-
matologie, wenn es galt, Traditionen zu wahren, Standorte zu bestimmen und Ver-
pflichtungen zu argumentieren. Die Universitad Complutense in Madrid verlieh
ihm die Ehrendoktorwürde und viele wissenschaftliche und Fach-Gesellschaften
ehrten ihn und nahmen ihn in ihre Gemeinschaften auf.
Sein Geist war und blieb rege, erfindungsreich und unkonventionell, und seine
Feder äußerst fruchtbar, über tausend Artikel und mehr als 70 Bücher zeugen davon.
Er war als Autor wesentlich dem Heidelberger Springerverlag zugetan und auch ver-
pflichtet. Dieser legte uns, just im Sterbemonat Mai 2003, das letzte Buch von Hein-
rich Schipperges auf den Tisch, ein historisch-kritisches Panorama über „Gesundheit
 
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