Das WIN-Kolleg
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fassen zu können. Das Wissen des Ganzen wiederum ist auf die partikulare Erkennt-
nis angewiesen, um überhaupt einen Inhalt zu besitzen. Wird die exakte Bestimmung
der Denkinhalte durch deren Einstellung in eine logisch oder arithmetisch formali-
sierte Ordnung akzentuiert, sprechen wir von der universalisierten Rationalität. Das
Symbol hingegen leistet Vergegenwärtigung des Ganzen. Eindeutigkeit ist dabei nie-
mals zu erreichen, weil die ratio humana zu keiner Zeit die Gesamtheit aller Einzel-
dinge überblickt, so daß das symbolisch vergegenwärtigte Ganze stets nur per antici-
pationem erfaßt wird. Jeder Begriff besitzt freilich auch eine symbolische Dimension,
während jedem Symbol — wenn es irgend verständlich sein, d. h. eine dechiffrierba-
re Bedeutung haben soll - zugleich begriffliche Qualität zukommen muß.
Dieses fundamentale dialektische Moment des menschlichen Weltzugangs
äußert sich auf höherer Ebene, nämlich beim Bemühen des Menschen um die kul-
turelle Erschließung seiner Welt als eines sinnvollen Ganzen, im Neben- und Gegen-
einander zweier wiederum komplementärer Verstehens- und Erkenntnisweisen. Em
symbolisches Weltverständnis richtet sich ideahter auf das Wirklichkeitsganze, das es
sinnerschließend und zugleich sinnstiftend zu durchdringen sucht. Aufgrund seines
Vollständigkeitsanspruchs, der sich auch auf die Transzendenz erstreckt, erfolgt em
symbolischer Zugriff auf die Welt stets hermeneutisch-analogisch und verzichtet
dabei zugunsten einer umfassenden Weltdeutung auf Genauigkeit und definitive,
begründete Erkenntnis. Umgekehrt erreicht die umversalisierte Rationalität mittels
ihrer je maßgeblichen Methode innerhalb ihres Denksystems zwar höchstmögliche
Präzision und Eindeutigkeit; jedoch gelingt ihr dies nur durch den Verzicht auf eine
Letztbegründung ihrer obersten Begriffe und Sätze. Indem das umversalisierte Den-
ken die Rückbindung an das Wirklichkeitsganze und folglich an den Urgrund
abblendet, entsagt es der Möglichkeit, die Welt insgesamt zu erkennen und sinnstif-
tend zu erklären. Ein primär universalisierter Zugriff auf die Wirklichkeit entbehrt
damit zentraler kulturstiftender Funktionen.
Welterschließende und orientierende Aufgaben fallen somit nicht in den Kom-
petenzbereich eines universalisierten Denkens, sondern zwingend in den anderer,
nämlich symbolisch verfahrender Formen der Rationalität. Daraus folgt weiterhin,
daß universalisiertes und symbolisches Denken keine alternativen Formen der
Rationalität sind; vielmehr findet umversalisierte Erkenntnis immer innerhalb einer
aufs Ganze zielenden symbolisch-analogischen Rationalität statt, wenngleich deren
Primat phasenweise nicht ausdrücklich gemacht wird. Da das umversalisierte Den-
ken nicht in der Lage ist, die von ihm geforderte Letztbegründung selbst zu leisten,
muß es zwangsläufig auf evidente, oberste Begriffe und Sätze zurückgreifen. Diese
werden ihm allerdings ausschließlich durch seinen spezifischen, symbolisch-analo-
gisch gewachsenen, orientierungs- und sinnstiftenden kulturellen Horizont geliefert.
Die vermeintlich evidenten obersten Begriffe und Sätze erweisen sich deshalb als
scheinevident. Sie besitzen axiomatischen Charakter, d. h. sie werden als selbstver-
ständlich lediglich vorausgesetzt. Da die universalisierten und partikularisierten Wis-
senschaften jeweils nur einen begrenzten Weltausschnitt unter einer eingeschränkten
Perspektive in den Blick nehmen, können sie ihren eigenen Standort sowie ihren
Beitrag zur Welterschließung nicht mehr selbst bestimmen. Die universalisierten
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fassen zu können. Das Wissen des Ganzen wiederum ist auf die partikulare Erkennt-
nis angewiesen, um überhaupt einen Inhalt zu besitzen. Wird die exakte Bestimmung
der Denkinhalte durch deren Einstellung in eine logisch oder arithmetisch formali-
sierte Ordnung akzentuiert, sprechen wir von der universalisierten Rationalität. Das
Symbol hingegen leistet Vergegenwärtigung des Ganzen. Eindeutigkeit ist dabei nie-
mals zu erreichen, weil die ratio humana zu keiner Zeit die Gesamtheit aller Einzel-
dinge überblickt, so daß das symbolisch vergegenwärtigte Ganze stets nur per antici-
pationem erfaßt wird. Jeder Begriff besitzt freilich auch eine symbolische Dimension,
während jedem Symbol — wenn es irgend verständlich sein, d. h. eine dechiffrierba-
re Bedeutung haben soll - zugleich begriffliche Qualität zukommen muß.
Dieses fundamentale dialektische Moment des menschlichen Weltzugangs
äußert sich auf höherer Ebene, nämlich beim Bemühen des Menschen um die kul-
turelle Erschließung seiner Welt als eines sinnvollen Ganzen, im Neben- und Gegen-
einander zweier wiederum komplementärer Verstehens- und Erkenntnisweisen. Em
symbolisches Weltverständnis richtet sich ideahter auf das Wirklichkeitsganze, das es
sinnerschließend und zugleich sinnstiftend zu durchdringen sucht. Aufgrund seines
Vollständigkeitsanspruchs, der sich auch auf die Transzendenz erstreckt, erfolgt em
symbolischer Zugriff auf die Welt stets hermeneutisch-analogisch und verzichtet
dabei zugunsten einer umfassenden Weltdeutung auf Genauigkeit und definitive,
begründete Erkenntnis. Umgekehrt erreicht die umversalisierte Rationalität mittels
ihrer je maßgeblichen Methode innerhalb ihres Denksystems zwar höchstmögliche
Präzision und Eindeutigkeit; jedoch gelingt ihr dies nur durch den Verzicht auf eine
Letztbegründung ihrer obersten Begriffe und Sätze. Indem das umversalisierte Den-
ken die Rückbindung an das Wirklichkeitsganze und folglich an den Urgrund
abblendet, entsagt es der Möglichkeit, die Welt insgesamt zu erkennen und sinnstif-
tend zu erklären. Ein primär universalisierter Zugriff auf die Wirklichkeit entbehrt
damit zentraler kulturstiftender Funktionen.
Welterschließende und orientierende Aufgaben fallen somit nicht in den Kom-
petenzbereich eines universalisierten Denkens, sondern zwingend in den anderer,
nämlich symbolisch verfahrender Formen der Rationalität. Daraus folgt weiterhin,
daß universalisiertes und symbolisches Denken keine alternativen Formen der
Rationalität sind; vielmehr findet umversalisierte Erkenntnis immer innerhalb einer
aufs Ganze zielenden symbolisch-analogischen Rationalität statt, wenngleich deren
Primat phasenweise nicht ausdrücklich gemacht wird. Da das umversalisierte Den-
ken nicht in der Lage ist, die von ihm geforderte Letztbegründung selbst zu leisten,
muß es zwangsläufig auf evidente, oberste Begriffe und Sätze zurückgreifen. Diese
werden ihm allerdings ausschließlich durch seinen spezifischen, symbolisch-analo-
gisch gewachsenen, orientierungs- und sinnstiftenden kulturellen Horizont geliefert.
Die vermeintlich evidenten obersten Begriffe und Sätze erweisen sich deshalb als
scheinevident. Sie besitzen axiomatischen Charakter, d. h. sie werden als selbstver-
ständlich lediglich vorausgesetzt. Da die universalisierten und partikularisierten Wis-
senschaften jeweils nur einen begrenzten Weltausschnitt unter einer eingeschränkten
Perspektive in den Blick nehmen, können sie ihren eigenen Standort sowie ihren
Beitrag zur Welterschließung nicht mehr selbst bestimmen. Die universalisierten