34 I Eva Schlotheuber
kommunitäten, dem intellektuellen Horizont und religiösen Ausdruck der Nonnen
jenseits der Mystik schien freilich lange weder notwendig noch vielversprechend,
da die Amtskirche den Frauen das Lehramt und öffentliche Äußerungen zu religi-
ösen Fragen untersagte.3 Mit dem Verbot der öffentlichen Lehre war auch der Aus-
schluss von den öffentlichen Lehrinstitutionen, den Latein- und Domschulen so-
wie den Universitäten verbunden. Von Frauen selbständig verfasste Schriften sind
deshalb im Mittelalter eine Seltenheit. Insbesondere die germanistische Forschung
hat die Nonnen ganz überwiegend als Rezipientinnen und zwar vorwiegend der
volkssprachlichen religiösen Literatur eingeschätzt und nachhaltig bezweifelt,
dass sie im Spätmittelalter noch in der Lage waren, sich die Liturgie und die Bibel,
die Schriften der Kirchenväter oder die scholastische Theologie selbständig zu er-
schließen.4 Die geistlichen Frauen erschienen damit als weitgehend abgeschnitten
von den lateinischen Traditionen und den gelehrten Diskursen der Männer.
Das wirkmächtige Gebot des Paulus, dass die Frauen in der Kirche schweigen
sollen (I Cor, 14) galt allerdings nicht, wenn die göttliche Offenbarung die Äuße-
rungen von Frauen (oder Laien) autorisierte, wie es beispielsweise bei den Mysti-
Twelfth-Century Germany (Medieval Church Studies 13), Turnhout 2007, S. 139-74; Ali-
son Isdale Beach, Women as Scribes. Book Production and Monastic Reform in Twelfth-
Century Bavaria (Cambridge Studies in Palaeography and Codicology 10), Cambridge
2004; Christina Lutter, Geschlecht und Wissen, Norm und Praxis, Lesen und Schreiben:
Monastische Reformgemeinschaften im 12. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Instituts
für österreichische Geschichtsforschung 43), Wien 2005; Claudia Opitz, Erziehung und Bil-
dung in Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters (12.-15. Jahrhundert), in: Elke
Kleinau (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung 1: Vom Mittelalter bis zur
Aufklärung, Frankfurt a. M. 1996, S. 63-78; der Forschungsstand für das Spätmittelalter ist
zusammengestellt bei Jeffrey HAMBURGER/Eva ScHLOTHEUBER/Susan MARTi/Margot
Fassler (Hgg.), Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300-1425: Inscrip-
tion and Illumination in the Choir Books of a North German Dominican Convent, Münster
2017, Bd. 1, S. 44-47; vgl. zuletzt Eva Schlotheuber, Gelehrte Bräute Christi. Religiöse
Frauen in der spätmittelalterlichen Gesellschaft (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation
/ Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation), Tübingen 2018; vgl.
Virginia BLANTON/Veronica O’MARA/Patricia Hoops (Hgg.), Nuns’ Literacies in Medieval
Europe: The Antwerp Dialogue (Medieval Women: Texts and Contexts 28), Turnhout 2018.
3 Früh benannt als ein Forschungsdesiderat hat dies Burkhard Hasebrink, Tischlesung und
Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion, in:
Martin KiNTZiNGER/Sönke LoRENz/Michael Walter (Hgg.), Schule und Schüler im Mit-
telalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts (Beihefte
zum Archiv für Kulturgeschichte 42), Wien 1999, S. 187-216; vgl. zur mystischen Literatur
und ihrem „Sitz im Leben“ die in den letzten Jahren zu Unrecht in den Hintergrund getrete-
ne herausragende Grundlagenforschung von Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen
Mystik, 4 Bde., München 1990-1999.
4 So Klaus Grubmüller, Geistliche Übersetzungsliteratur im 15. Jahrhundert. Überlegun-
gen zu ihrem literaturgeschichtlichen Ort, in: Hartmut Boockmann (Hg.), Kirche und
Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts (Abhandlungen
kommunitäten, dem intellektuellen Horizont und religiösen Ausdruck der Nonnen
jenseits der Mystik schien freilich lange weder notwendig noch vielversprechend,
da die Amtskirche den Frauen das Lehramt und öffentliche Äußerungen zu religi-
ösen Fragen untersagte.3 Mit dem Verbot der öffentlichen Lehre war auch der Aus-
schluss von den öffentlichen Lehrinstitutionen, den Latein- und Domschulen so-
wie den Universitäten verbunden. Von Frauen selbständig verfasste Schriften sind
deshalb im Mittelalter eine Seltenheit. Insbesondere die germanistische Forschung
hat die Nonnen ganz überwiegend als Rezipientinnen und zwar vorwiegend der
volkssprachlichen religiösen Literatur eingeschätzt und nachhaltig bezweifelt,
dass sie im Spätmittelalter noch in der Lage waren, sich die Liturgie und die Bibel,
die Schriften der Kirchenväter oder die scholastische Theologie selbständig zu er-
schließen.4 Die geistlichen Frauen erschienen damit als weitgehend abgeschnitten
von den lateinischen Traditionen und den gelehrten Diskursen der Männer.
Das wirkmächtige Gebot des Paulus, dass die Frauen in der Kirche schweigen
sollen (I Cor, 14) galt allerdings nicht, wenn die göttliche Offenbarung die Äuße-
rungen von Frauen (oder Laien) autorisierte, wie es beispielsweise bei den Mysti-
Twelfth-Century Germany (Medieval Church Studies 13), Turnhout 2007, S. 139-74; Ali-
son Isdale Beach, Women as Scribes. Book Production and Monastic Reform in Twelfth-
Century Bavaria (Cambridge Studies in Palaeography and Codicology 10), Cambridge
2004; Christina Lutter, Geschlecht und Wissen, Norm und Praxis, Lesen und Schreiben:
Monastische Reformgemeinschaften im 12. Jahrhundert (Veröffentlichungen des Instituts
für österreichische Geschichtsforschung 43), Wien 2005; Claudia Opitz, Erziehung und Bil-
dung in Frauenklöstern des hohen und späten Mittelalters (12.-15. Jahrhundert), in: Elke
Kleinau (Hg.), Geschichte der Mädchen- und Frauenbildung 1: Vom Mittelalter bis zur
Aufklärung, Frankfurt a. M. 1996, S. 63-78; der Forschungsstand für das Spätmittelalter ist
zusammengestellt bei Jeffrey HAMBURGER/Eva ScHLOTHEUBER/Susan MARTi/Margot
Fassler (Hgg.), Liturgical Life and Latin Learning at Paradies bei Soest, 1300-1425: Inscrip-
tion and Illumination in the Choir Books of a North German Dominican Convent, Münster
2017, Bd. 1, S. 44-47; vgl. zuletzt Eva Schlotheuber, Gelehrte Bräute Christi. Religiöse
Frauen in der spätmittelalterlichen Gesellschaft (Spätmittelalter, Humanismus, Reformation
/ Studies in the Late Middle Ages, Humanism and the Reformation), Tübingen 2018; vgl.
Virginia BLANTON/Veronica O’MARA/Patricia Hoops (Hgg.), Nuns’ Literacies in Medieval
Europe: The Antwerp Dialogue (Medieval Women: Texts and Contexts 28), Turnhout 2018.
3 Früh benannt als ein Forschungsdesiderat hat dies Burkhard Hasebrink, Tischlesung und
Bildungskultur im Nürnberger Katharinenkloster. Ein Beitrag zu ihrer Rekonstruktion, in:
Martin KiNTZiNGER/Sönke LoRENz/Michael Walter (Hgg.), Schule und Schüler im Mit-
telalter. Beiträge zur europäischen Bildungsgeschichte des 9. bis 15. Jahrhunderts (Beihefte
zum Archiv für Kulturgeschichte 42), Wien 1999, S. 187-216; vgl. zur mystischen Literatur
und ihrem „Sitz im Leben“ die in den letzten Jahren zu Unrecht in den Hintergrund getrete-
ne herausragende Grundlagenforschung von Kurt Ruh, Geschichte der abendländischen
Mystik, 4 Bde., München 1990-1999.
4 So Klaus Grubmüller, Geistliche Übersetzungsliteratur im 15. Jahrhundert. Überlegun-
gen zu ihrem literaturgeschichtlichen Ort, in: Hartmut Boockmann (Hg.), Kirche und
Gesellschaft im Heiligen Römischen Reich des 15. und 16. Jahrhunderts (Abhandlungen