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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0070
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66 1 Volker Leppin

nun eine potestas appropriandi, welche daraus resultierte, dass quae in nullius
bonis sunt, occupanti conceduntur75 76-. Gerade das Nichtvorhandensein von
Rechtstiteln bei gleichzeitigem Fortfall des ursprünglichen konsensualen domi-
nium ermöglichte also Eigentumserwerb. Dieser gestaltete sich als vom Ur-
stand unterschiedenes dominium commune771, solches nämlich, das auf kollekti-
ven Aneignungsvorgängen basierte77. Schon diese Eigentumsform wird von
Ockham als defizient qualifiziert, insofern sie ex natura corrupta hervorgeht78.
Die dritte Etappe aber, in welcher die Welt seiner Zeit noch lebte, wurde
durch die von Ps.-Clemens angesprochene Verteilung der Güter begründet,
und diese beruhte ausschließlich auf menschlichem Recht wie Ockham anhand
der offenkundigen Besitzaufteilung zwischen Kain und Abel zeigt, die nicht
auf ein göttliches Gebot zurückgehe, also auf menschlicher Rechtsetzung be-
ruhe79 - subtil deutete er mit diesem Verweis auf die uneinigen Brüder zugleich
an, dass die Aufteilung der Güter von Beginn an Anlass für Verbrechen unter
den Menschen gab.
Das heilsgeschichtliche Szenario ermöglichte durch Differenzierung unter-
schiedlicher Rechtsstufen eine rechtliche wie historische Verortung der franzis-
kanischen Lebensweise80. Rechtlich ließen sich zwei Formen des Naturrechts -
die potestas utendi im Urstand und die potestas appropriandi im Stand der

75 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 14, 188-192 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 435).
76 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 14, 191-196 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 435).
77 Zu diesem besonders komplexen mittleren Zustand vgl. auch Ockham, Opus nonaginta die-
rum 14, 188-191: Ad hoc dicunt isti impugnatores [i.d. die Gegner des Papstes, d. h. Michael
von Cesena, Ockham und ihre Gefährten; V.L.] quod primi parentes post peccatum non habu-
erunt dominium communes omnium temporalium proprie loquendo de dominio, sed habe-
bant potestatem appropriandi sibi et etiam acquirendi commune dominium (Ockham, Opera
Politica 2 [wie Anm. 50], S. 435).
78 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 14, 200f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 435).
79 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 88, 53f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 656).
80 Vor diesem Hintergrund scheinen mir eher Schöpfungslehre und Hamartiologie den Kern
der Argumentation auszumachen, weniger die Christologie, die Johannes Schlageter,
Wurde die Armutsauffassung des Franziskus von Assisi von der „offiziellen“ Kirche schließ-
lich abgelehnt? Francisci Armutsverständnis und der Streit über „dominium Christi“ und
„paupertas Christi“ unter Papst Johannes XXII. (1316-1334), in: Franziskanische Studien
60, 1978, S. 97-119, 99, 113-117, als „theologische Kernfrage“ in den Mittelpunkt rücken will.
Schlageter macht damit allerdings auf den interessanten Umstand aufmerksam, dass sich,
vermittelt über Bonaventura und Nikolaus III., in der Tat der Schwerpunkt von einer primär
christologischen Argumentation bei Franziskus selbst (Schlageter, Francisci Amtsver-
ständnis, S. 102-104; David Flood, Poverty and the Gospel, in: Franciscan Studies 64, 2006,
S. 1-15, 2-10) zu einer stärker schöpfungstheologischen verschoben hat.
 
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