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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0075
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Das urkirchliche Ideal der Franziskaner als Maßstab der Kirche I 71

aber galt, selbst nach Exüt qui seminat, ein eigenes ius utendi, sondern lediglich
eine licentia utendi106. Ihr folgend dürfen die Franziskaner die Güter gebrauchen,
quamdiupapaeplacuerit^7: Sie sind arm, weil ihnen jegliches dominium abgeht108,
und eben darin lebt in ihnen auf Grundlage der überbliebenen urständlichen
potestas utendi die Lebensweise der Apostel und der Urgemeinde wieder auf.
3. Übertragung der franziskanischen Argumentation
auf das Verhältnis von Papst und Kaiser
Die beschriebenen, weit ausholenden Argumentationen hat Ockham unmittel-
bar aus dem Interesse, seine eigene „franziskanische Option“ zu begründen,
entwickeln können, ja, müssen. Er knüpfte dabei an schon vorhandene Argu-
mente seiner Franziskanerbrüder an und entwickelte diese vermittels seiner gu-
ten scholastischen Ausbildung weiter. Im Opus nonaginta dierum war er inso-
fern auch noch ganz und gar Sachwalter seines Ordens - obwohl er sich schon
im Schutze des Kaisers Ludwig des Bayern befand. Die Allianz mit diesem hatte
sich daraus ergeben, dass Johannes XXII. seine Kaiserwürde im Gefolge einer
fraglichen Doppelwahl nach dem Tod Heinrichs VII. am 19. und 20. Oktober
1314 bestritten hatte109. Indem Ludwig den Franziskanern und anderen Schutz
an seinem Hofe gewährte, setzte er die bereits in der Sachsenhäuser Appellation
begonnenen Bemühungen fort, eine Allianz aus den Gegnern des Papstes ganz
unterschiedlicher Provenienz zu schmieden. Dabei hatte er seit 1326 schon einen
Gelehrten am Hof, der sich in geradezu idealer Weise als Vertreter der kaiser-
lichen Interessen eignete: Marsilius von Padua hatte seinen 1324 vollendeten110
Defensor pacis von vorneherein an Ludwig adressiert111 und auch inhaltlich ge-
nau dessen Würde als Friedensstifter in diesem Werk begründet.
106 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 61, 102f. (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 561).
107 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 77, 166 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 628).
108 Ockham, Opus nonaginta dierum c. 77, 174-188 (Ockham, Opera Politica 2 [wie Anm. 50],
S. 628).
109 S. Unverhau, Approbatio-Reprobatio 22: Gewählt wurden der Habsburger Friedrich III.
der Schöne von Österreich und der Wittelsbacher Ludwig; vgl. narrativ auch Martin Clauss,
Ludwig IV. der Bayer. Herzog, König, Kaiser, Regensburg 2014, S. 37-51.
110 Frank Godthardt, The Life of Marsilius of Padua, in: Gerson MoRENO-RiANo/Cary J.
Nederman (Hgg.), A Compamon to Marsilius of Padua (Brill’s Companions to the Christi-
an Tradition 31), Leiden/Boston 2012, S. 13-55, 22.
111 Marsilius, Defensorpacis d. 1 c. 1 (Marsilius von Padua, Der Verteidiger des Friedens [Defen-
sor Pacis], hg. B. Horst Kusch, Darmstadt 1958, S. 22-24 [Nr. 8,2-16]).
 
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