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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0078
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74 I Volker Leppin

erreicht, dass nämlich nicht der Papst die kaiserliche Macht begründete, wie es
Johannes XXII. in seiner Auseinandersetzung mit Ludwig letztlich beanspruchte.
Konsequent folgerte Ockham am Ende des dritten Buches seines Breviloquiums:
„Ex praetactis in hoc tertio patenter concluditur quod allegatio nulla est, immo
quod haereticalis est, qua quidam probare nituntur quod ideo Imperium est apapa,
quia nullum verum dominium temporalium rerum, nulla vera iurisdictio tempora-
lis est velfuit extra ecclesiam: eo quodper scripturas divinas probatum est quod tarn
verum dominium proprium temporalium rerum quam vera iurisdictio temporalis
fuit extra ecclesiam,“125
Der Satz macht deutlich, dass Ockham in Verbindung aus franziskanisch-heils-
geschichtlicher Argumentation und Parteinahme für den Kaiser ein Modell
entworfen hatte, das die weltliche Herrschaft jenseits kirchlich-klerikalen Zu-
griffs situierte, weswegen in aller Klarheit galt, dass das Romanum Imperium
non sit apapa126.
Die konkrete Ausgestaltung von Herrschaft erfolgt vielmehr in einer Weise,
bei der nun deutlicher als in den theologischen Grundlagen die Prägung durch
Marsilius von Padua zu spüren ist: Zunächst nämlich liegt bei Ockham wie bei
Marsilius127 die potestas condendi leges et iura humana beim Volk128 - der ent-
scheidende Unterschied zu Marsilius aber liegt darin, dass dieser den Gedanken
einer Fundierung der Macht im Volk aus der Notwendigkeit der Bindewirkung
der Gesetze ableitet129. Demgegenüber handelt es sich bei der Rückführung der
imperialen Macht auf das Volk für Ockham um eine konsequente Folgerung aus

125 Ockham, Breviloquium 111,16,1-6 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 193); s. zu
diesem Argument McGrade, Political Thought (wie Anm. 1), S. 98.
126 Ockham, Breviloquium IV, 1,10 (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 194). Dass
sich in diesem Verständnis weltlicher Macht viele Gedanken bereits finden, die gerne Martin
Luther zugeschrieben wurden, hat Helmar Junghans, Das mittelalterliche Vorbild für Lu-
thers Lehre von beiden Reichen, in: Ders., Spätmittelalter, Luthers Reformation, Kirche in
Sachsen. Ausgewählte Aufsätze, hg. von Michael BEYER/Günther Wartenberg (Arbeiten
zur Kirchen- und Theologiegeschichte 9), Leipzig 2001, S. 11-30, deutlich hervorgehoben;
vgl. auch die differenzierte Einordnung bei Volker Mantey, Zwei Schwerter - Zwei Reiche.
Martin Luthers Zwei-Reiche-Lehre vor ihrem spätmittelalterlichen Hintergrund (Spätmit-
telalter und Reformation. NR 26), Tübingen 2005, S. 87-106.
127 Marsilius, Defensor pacis I, 12, § 5, Nr. 65,3-6, erklärt, legumlacionis auctoritatem humanam
ad solam civium universitatem aut eius valenciorem partem pertinere (Marsilius von Padua,
Der Verteidiger des Friedens (Defensor Pacis), hg. von Horst Kusch, Darmstadt 1958).
128 Ockham, Breviloquium III, 14,4f. (Ockham, Opera Politica IV [wie Anm. 115], S. 189).
129 Marsilis, Defensor pacis I, 12 § 6 Nr. 66, 19-24: Rursum ad principalem conclusionem sic:
quoniam illius tantummodo est legumlacionis auctoritas, per quem late melius aut simpliciter
observantur. Hoc autem est tantummodo civium Universitas: ipsius igitur est auctoritas lacio-
nis legum (Marsilis, Defensor pacis [Ed. Kusch] [wie Anm. 127], 124).
 
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