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Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Editor]; Melville, Gert [Editor]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0153
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Theorie für die Praxis I 149

zu sehr an McKinsey und zu wenig an den Kirchenvätern“.6 Bilgri trat 2004 aus
dem Kloster aus, blieb aber Priester und ist heute als Unternehmensberater und
Autor tätig.
Nicht weniger als ein Wirtschaftskrimi in Klostermauern ist diese Episode
vom Andechser Klosterberg. Sie handelt, wenn man die zitierten Pressestimmen
aufmerksam liest, allerdings nicht wirklich von dem Kloster oder dem Konvent
Andechs und schon gar nicht vom Orden der Benediktiner. Im Mittelpunkt ste-
hen vielmehr einzelne Ordensmänner, deren Stellung innerhalb des Konvents,
ihre interne Position und Akzeptanz und, vor allem, die Wirkung, die das Klos-
ter unter ihrem Einfluss nach außen entfaltet. Als Einzelpersönlichkeiten stehen
sie zwischen der normierenden Tradition von Orden und Kloster einerseits, den
Herausforderungen von Gesellschaft und Wirtschaft andererseits.
Wirtschaftlicher Erfolg, in der Gesellschaft ein allseits respektierter Leistungs-
nachweis, wird selbst einem Ordensmann attestiert. Die Frage, ob damit auch den
traditionellen Idealen seines Konventes und Ordens gedient sei, wird heute deut-
licher gestellt als in früheren Jahrhunderten. Schon vor achthundert Jahren hat
allerdings die feinsinnige Unterscheidung von individueller Besitzlosigkeit und
kollektivem Vermögen zu Kritik an dem Orden der Benediktiner geführt und zur
Gründung von Reformgemeinschaften. Im Übrigen vertritt heute der ehemalige
Benediktiner Bilgri gerade keine modernistische Position, sondern sieht Ansätze
zu einem offenen Diskurs über die Zeitgemäßheit kirchlicher Ordnungsformen
und den reflektierten Umgang mit Grenzen als Erbe der Kirche seit dem Mittelal-
ter: „Im sogenannten finsteren Mittelalter hat wissenschaftliche Auseinanderset-
zung vor allem in theologischen Fakultäten stattgefunden. Die Philosophie der
Antike wurde in Klosterbibliotheken für die Neuzeit bewahrt. Man stellte sich
allen Problemen, die das Denken gebot, und diskutierte offen“.7
Offenheit im Kloster? „[...] [G]anz neue Dinge zu entwerfen und zu ver-
suchen, [...] Neues auszuprobieren - das ist das Labor.“ So hat es Stefan Wein-
furter in einem Interview Anfang 2015 formuliert.8 Entdecken neben Bewah-
6 Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH. Albert Schäffer (2004): Kloster Andechs. Suche
nach dem rechten Maß. 6.7.2004. URL: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kloster-an-
dechs-suche-nach-dem-rechten-mass-1177435.html - Download vom 24.Mai 2018.
7 Die Kirche wird als große Neinsagerin wahrgenommen. [Interview mit Anselm Bilgri], Süd-
deutsche Zeitung, Interview: Oliver Das Gupta (11. März 2010): „Wir sprachen nie offen über
Sexualität“. Klartext zum Missbrauchsskandal: Der frühere Prior des Klosters Andechs, An-
selm Bilgri, plädiert für eine Öffnung der Kirche - und kritisiert Bischof Mixa. URL: http://
www.sueddeutsche.de/politik/2.220/kirche-anselm-bilgri-wir-sprachen-nie-offen-ueber-
sexualitaet-1.4417 - Download vom 24. Mai 2018.
8 Eva-Mana Götz (12.2.2015): Impulse aus dem Kloster. URL: http://www.deutschlandfunk.
de/innovationen-im-mittelalter-impulse-aus-dem-kloster.H48.de.html?dram:article_
id=311458 - Download vom 24. Mai 2018.
 
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