Neue Kommunikationsformen im Bettelordenskonvent I 189
der Regula bullata, wenn auch in aller Kürze, an der Stelle, wo das Stundengebet
angesprochen wird, mit dem Hinweis, dass die Laienbrüder täglich 24 Vaterun-
ser zur Matutin, fünf zur Laudes und sieben jeweils zur Prim, Terz, Sext, Non
und Komplet beten sollen und zwölf zur Vesper (RB cap. 3).
Unmissverständlich geht aus dieser Überlieferung hervor, dass die mendikan-
tische Lebensform, jedenfalls in der frühen Zeit, gerade nicht an einen speziell
für die Bedürfnisse der Gemeinschaft entworfenen Ort gebunden ist. Bettel-
mönche leben eine ortsunabhängige Form der vita rehgiosa, eine nomadische
Lebensform, die, bedingt durch Betteln und Predigt, in der alltäglichen kom-
munikativen Interaktion mit Außenwelt Verwirklichung fand.22
Man könnte auch sagen, der Bettelordenskonvent ist das lokale Zentrum der
wirtschaftlichen Grundversorgung für die Mitglieder des Ordens und damit
lokale Basis der internationalen Gemeinschaft, der Ort an dem jedes Mitglied
des Ordens in jeder beliebigen europäischen Stadt Unterkunft, Verpflegung
und Gesprächspartner finden konnte. Das bedeutet, dass der Konvent ordens-
organisatorisch als lokaler Stützpunkt der mendikantischen Infrastruktur an-
zusprechen ist, als eine Form des Gemeinschaftslebens, das zuerst und vor al-
lem funktional zu Bewältigung der Hauptaufgabe der Bettelorden, nämlich der
Predigt, ausgerichtet war.
Mit dieser gänzlich neuen Offenheit, einhergehend mit der strukturellen Un-
organisiertheit des Konvents kokettiert die franziskanische Chronistik zuwei-
len. So erzählt Jordanus von Giano schmunzelnd, dass die Brüder in Erfurt, als
man sie fragte, ob man ihnen ein Kloster bauen solle, nicht einmal gewusst hät-
ten, was ein Kloster sei. „Ich weiß gar nicht, wie ein Kloster aussieht“, habe der
zuständige Bruder geantwortet, „baut uns ein Haus möglichst nah am Wasser,
damit wir uns die Füße waschen können.“23 Was ist ein Konvent? - unorgani-
siert, strukturell offen, durchlässig - der Fluss im Konventsgarten der Erfurter
Brüder mag diese Durchlässigkeit metaphorisch sehr treffend fassen.
3.3. Modelle: Wie funktioniert Kommunikation im Konvent?
Lässt sich heute noch rekonstruieren, wie die Kommunikation im Konvent
funktionierte?
22 Vgl. dazu Annette KEHNEL/Anne Müller, Dauer durch Wandeln, in: Stephan Müller e. a.
(Hg.), Dauer durch Wandel. Institutionelle Ordnungen zwischen Verstetigung und Trans-
formation, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 107-119.
23 Chronica Fratris Jordani, ed. h. Boehmer, Paris 1908; Lothar Hardick (Hg.), Nach
Deutschland und England. Die Chroniken der Minderbrüderjordan von Giano und Thomas
von Eccleston, übersetzt von Kletus Kohorst und Philipp Seidensticker (Franziskanische
Quellenschriften 6), Werl/Westfalen 1957, S. 37-114, hier S. 74.
der Regula bullata, wenn auch in aller Kürze, an der Stelle, wo das Stundengebet
angesprochen wird, mit dem Hinweis, dass die Laienbrüder täglich 24 Vaterun-
ser zur Matutin, fünf zur Laudes und sieben jeweils zur Prim, Terz, Sext, Non
und Komplet beten sollen und zwölf zur Vesper (RB cap. 3).
Unmissverständlich geht aus dieser Überlieferung hervor, dass die mendikan-
tische Lebensform, jedenfalls in der frühen Zeit, gerade nicht an einen speziell
für die Bedürfnisse der Gemeinschaft entworfenen Ort gebunden ist. Bettel-
mönche leben eine ortsunabhängige Form der vita rehgiosa, eine nomadische
Lebensform, die, bedingt durch Betteln und Predigt, in der alltäglichen kom-
munikativen Interaktion mit Außenwelt Verwirklichung fand.22
Man könnte auch sagen, der Bettelordenskonvent ist das lokale Zentrum der
wirtschaftlichen Grundversorgung für die Mitglieder des Ordens und damit
lokale Basis der internationalen Gemeinschaft, der Ort an dem jedes Mitglied
des Ordens in jeder beliebigen europäischen Stadt Unterkunft, Verpflegung
und Gesprächspartner finden konnte. Das bedeutet, dass der Konvent ordens-
organisatorisch als lokaler Stützpunkt der mendikantischen Infrastruktur an-
zusprechen ist, als eine Form des Gemeinschaftslebens, das zuerst und vor al-
lem funktional zu Bewältigung der Hauptaufgabe der Bettelorden, nämlich der
Predigt, ausgerichtet war.
Mit dieser gänzlich neuen Offenheit, einhergehend mit der strukturellen Un-
organisiertheit des Konvents kokettiert die franziskanische Chronistik zuwei-
len. So erzählt Jordanus von Giano schmunzelnd, dass die Brüder in Erfurt, als
man sie fragte, ob man ihnen ein Kloster bauen solle, nicht einmal gewusst hät-
ten, was ein Kloster sei. „Ich weiß gar nicht, wie ein Kloster aussieht“, habe der
zuständige Bruder geantwortet, „baut uns ein Haus möglichst nah am Wasser,
damit wir uns die Füße waschen können.“23 Was ist ein Konvent? - unorgani-
siert, strukturell offen, durchlässig - der Fluss im Konventsgarten der Erfurter
Brüder mag diese Durchlässigkeit metaphorisch sehr treffend fassen.
3.3. Modelle: Wie funktioniert Kommunikation im Konvent?
Lässt sich heute noch rekonstruieren, wie die Kommunikation im Konvent
funktionierte?
22 Vgl. dazu Annette KEHNEL/Anne Müller, Dauer durch Wandeln, in: Stephan Müller e. a.
(Hg.), Dauer durch Wandel. Institutionelle Ordnungen zwischen Verstetigung und Trans-
formation, Köln/Weimar/Wien 2002, S. 107-119.
23 Chronica Fratris Jordani, ed. h. Boehmer, Paris 1908; Lothar Hardick (Hg.), Nach
Deutschland und England. Die Chroniken der Minderbrüderjordan von Giano und Thomas
von Eccleston, übersetzt von Kletus Kohorst und Philipp Seidensticker (Franziskanische
Quellenschriften 6), Werl/Westfalen 1957, S. 37-114, hier S. 74.