192 I Annette Kehnel
Geschichten in anonymisierten Fassungen oft in ihren Predigten weiter er-
zählt und in ihre Exempelsammlungen aufgenommen. Woher, wenn nicht aus
der Beichte, beziehen die Brüder ihre Kenntnis von Inzest und Verführungen,
von reichen Damen, die ihr Pferd festlich geschmückt gerne bei der eigenen
Beerdigung sähen oder von jungen Männern, die durch ehebrecherische Ab-
sichten sich regelmäßig in Dämonen verwandeln und aus diesem Zustand nur
durch die Beichte erlöst werden. Zuweilen wird die Beichte sogar als direkte
Quelle für eine Geschichte angeführt (retulit mihi quiclam frater confessoris)
und Thomas von Eccleston fasst die Erfahrungen der Beichtväter in der engli-
schen Provinz in einem eigenen Kapitel zusammen. Auch konventsintern fan-
den natürlich regelmäßige Beichten statt. Thomas berichtet ausführlich über
eine Beichte im Zusammenhang mit den Seelennöten eines Bruders, der von
einer Ordensfrau (mulier religiosa) durch erdichtete Visionen verwirrt worden
war und für das Beichtgespräch mit dem Provinzminister sogar eine schriftli-
che Vorlage anfertigte.
5. Das Konventskapitel wurde in der Frühzeit der Bettelordenzeit täglich gehal-
ten und scheint wie eine Art kollektives Beichtgespräch funktioniert zu haben.
6. Predigt. Die Predigt in und außerhalb des Konventes ist natürlich der locus
classicus der Kommunikation, die in den zahlreichen von Bettelmönchen ver-
fassten Predigthilfen und Exempelsammlungen Verschriftlichung fand.
Aus der hier angeführten Liste für uns fassbarer Kommunikationssituationen
im Konvent - die sich ohne Zweifel noch erweitern ließe - wird die Funktion des
Ordens als kommunikative Schaltstelle anschaulich. Der Konvent erscheint als
ein Umschlagplatz für Wissen, eine Funktion, die zum einen mit den pastoralen
Tätigkeiten der Brüder und mit ihrem Predigtamt eng verknüpft ist, die sich
aber auch aus den - im Konvent übernommenen - monastischen Traditionen,
wie etwa Schuldkapitel oder Aderlass, speist. Wichtig ist auch hier die struktu-
relle Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Konvent und Umwelt.
3.4. Ordnungen: Zur Architektur der durchlässigen Kommunikation
im Konvent
Schließlich ein letzter Punkt. Die Voraussetzungen für den Konvent als Ort
der offenen Kommunikation lassen sich auch räumlich fassen, nämlich in der
Architektur der Bettelordenskonvente. Architektonisch können die frühen
Bettelordenskonvente als auf ein Minimum reduzierte Klosterbauten beschrie-
ben werden, bestehend aus einschiffigen Kirchen, dem Kreuzgang und einem
Geschichten in anonymisierten Fassungen oft in ihren Predigten weiter er-
zählt und in ihre Exempelsammlungen aufgenommen. Woher, wenn nicht aus
der Beichte, beziehen die Brüder ihre Kenntnis von Inzest und Verführungen,
von reichen Damen, die ihr Pferd festlich geschmückt gerne bei der eigenen
Beerdigung sähen oder von jungen Männern, die durch ehebrecherische Ab-
sichten sich regelmäßig in Dämonen verwandeln und aus diesem Zustand nur
durch die Beichte erlöst werden. Zuweilen wird die Beichte sogar als direkte
Quelle für eine Geschichte angeführt (retulit mihi quiclam frater confessoris)
und Thomas von Eccleston fasst die Erfahrungen der Beichtväter in der engli-
schen Provinz in einem eigenen Kapitel zusammen. Auch konventsintern fan-
den natürlich regelmäßige Beichten statt. Thomas berichtet ausführlich über
eine Beichte im Zusammenhang mit den Seelennöten eines Bruders, der von
einer Ordensfrau (mulier religiosa) durch erdichtete Visionen verwirrt worden
war und für das Beichtgespräch mit dem Provinzminister sogar eine schriftli-
che Vorlage anfertigte.
5. Das Konventskapitel wurde in der Frühzeit der Bettelordenzeit täglich gehal-
ten und scheint wie eine Art kollektives Beichtgespräch funktioniert zu haben.
6. Predigt. Die Predigt in und außerhalb des Konventes ist natürlich der locus
classicus der Kommunikation, die in den zahlreichen von Bettelmönchen ver-
fassten Predigthilfen und Exempelsammlungen Verschriftlichung fand.
Aus der hier angeführten Liste für uns fassbarer Kommunikationssituationen
im Konvent - die sich ohne Zweifel noch erweitern ließe - wird die Funktion des
Ordens als kommunikative Schaltstelle anschaulich. Der Konvent erscheint als
ein Umschlagplatz für Wissen, eine Funktion, die zum einen mit den pastoralen
Tätigkeiten der Brüder und mit ihrem Predigtamt eng verknüpft ist, die sich
aber auch aus den - im Konvent übernommenen - monastischen Traditionen,
wie etwa Schuldkapitel oder Aderlass, speist. Wichtig ist auch hier die struktu-
relle Durchlässigkeit der Grenzen zwischen Konvent und Umwelt.
3.4. Ordnungen: Zur Architektur der durchlässigen Kommunikation
im Konvent
Schließlich ein letzter Punkt. Die Voraussetzungen für den Konvent als Ort
der offenen Kommunikation lassen sich auch räumlich fassen, nämlich in der
Architektur der Bettelordenskonvente. Architektonisch können die frühen
Bettelordenskonvente als auf ein Minimum reduzierte Klosterbauten beschrie-
ben werden, bestehend aus einschiffigen Kirchen, dem Kreuzgang und einem