214 I Regina D. Schiewer
und Aufzeichnungen belegen, dass es beim Explizit von Predigten durchaus
eine Variationsbreite gab, in der sich die Doxologie der Orationes nur als eine
von vielen Möglichkeiten darstellt. Vermutlich schlug sich die Akribie, mit der
in den Constitutiones jedes Wort und jede Bewegung im Konvent der Mönche
geregelt wurde, auch in der Niederschrift der Predigten der Hirsauer nieder,
indem auch der vorgeschriebene Schluss der Exhortatio schriftlich niedergelegt
wurde.
Wie bei den deutschen Predigthandschriften des 12. Jahrhunderts ist es auch
für die meisten anderen Texte der geistlichen und weltlichen Literatur des 11.
und 12. Jahrhunderts schwierig, eindeutige Provenienzangaben zu machen.
Trotzdem wurden und werden immer wieder gerade Texte mit katechetischer
Funktion in den Umkreis der Hirsauer verortet. Erwähnt habe ich bereits das
,St. Trudperter Hohelied'. Andere frühe Beispiele stellen das ,Memento mori'
des in Hirsau ausgebildeten Notkers von Zwiefalten, eine gereimte Bußpredigt
vom Ausgang des 11. Jahrhunderts, und ein predigtartiger Text mit dem Titel
,Himmel und Hölle' vom beginnenden 12. Jahrhundert dar.50 Interessant ist
auch, dass einer der Überlieferungszweige der althochdeutschen Bibelglossen
fast ausschließlich aus Hirsauer Reformklöstern bezeugt ist.51 Auf die glossier-
ten Psalmen und Hymnen aus Admont habe ich bereits hingewiesen. Auch äl-
tere Vorlagen der vermutlich von Zisterziensern kompilierten St. Georgener
Predigten des 13. Jahrhunderts, könnten zu Teilen dem Hirsauer Reformkreis
entstammen, wie ihre Rezeption des ,St. Trudperter Hohelieds' zeigt.52 Bei den
50 Horst Brunner, Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick (Reclam
Universalbibliothek 9485), Stuttgart 1997, S. 82 zu ,Himmel und Hölle“, S. 91 zum ,Memento
mori“; Günther Schweikle, ,Memento mori“, in: Ruh, Verfasserlexikon (wie Anm. 10),
Bd. 6 (1987), Sp. 381-386; Wolfgang Irtenkauf, ,Heimo von Hirsau“, in: Ruh, Verfasserlexi-
kon (wie Anm. 10), Bd. 3 (1981), Sp. 651-653, hier Sp. 652 (zu ,Himmel und Hölle“), und
David R. McLintock, ,Himmel und Hölle“, in: Ruh, Verfasserlexikon (wie Anm. 10), Bd. 4
(1983), Sp. 21-24, hier Sp. 22.
51 Felix Heinzer, Rheinauer Handschriften und die Hirsauer Erneuerungsbewegung des 11.
und 12. Jahrhunderts, in: Ders., Klosterreform und mittelalterliche Buchkultur im deut-
schen Südwesten (Mittellatemische Studien und Texte 39), Leiden/Boston 2008, S. 386-405,
hier S. 397. Der Aufsatz befindet sich in dem Band als Teil des Kapitels ,Hochmittelalterhche
Benediktinerreform: Hirsau und sein Kreis“, S. 85-405; er wurde erstmals publiziert in: Hans
Rudolf Sennhauser (Hg.), Die Klosterkirche Rheinau III - Frühe Geschichte, Bau und
Ausstattung bis in die barocke Zeit (Zürcher Denkmalpflege. Monographien Denkmalpflege
6), Zürich/Egg 2007, S. 157-170.
52 Zur Rezeption des ,St. Trudperter Hohelieds“ in den ,St. Georgener Predigten“ siehe Kurt
Otto Seidel, ,Die St. Georgener Predigten“. Untersuchungen zur Überlieferungs- und Text-
geschichte (Münchener Texte und Untersuchungen 121), Tübingen 2003, S. 221-224. - Auch
die Althochdeutschen Predigtsammlungen A, B und C werden aufgrund ihrer .Geistesrich-
tung“ in den Umkreis der Cluniazensisch-Hirsauischen Reformbewegungen verortet: vgl.
David McLintock, .Althochdeutsche Predigtsammlungen A-C“, in: Ruh, Verfasserlexikon
und Aufzeichnungen belegen, dass es beim Explizit von Predigten durchaus
eine Variationsbreite gab, in der sich die Doxologie der Orationes nur als eine
von vielen Möglichkeiten darstellt. Vermutlich schlug sich die Akribie, mit der
in den Constitutiones jedes Wort und jede Bewegung im Konvent der Mönche
geregelt wurde, auch in der Niederschrift der Predigten der Hirsauer nieder,
indem auch der vorgeschriebene Schluss der Exhortatio schriftlich niedergelegt
wurde.
Wie bei den deutschen Predigthandschriften des 12. Jahrhunderts ist es auch
für die meisten anderen Texte der geistlichen und weltlichen Literatur des 11.
und 12. Jahrhunderts schwierig, eindeutige Provenienzangaben zu machen.
Trotzdem wurden und werden immer wieder gerade Texte mit katechetischer
Funktion in den Umkreis der Hirsauer verortet. Erwähnt habe ich bereits das
,St. Trudperter Hohelied'. Andere frühe Beispiele stellen das ,Memento mori'
des in Hirsau ausgebildeten Notkers von Zwiefalten, eine gereimte Bußpredigt
vom Ausgang des 11. Jahrhunderts, und ein predigtartiger Text mit dem Titel
,Himmel und Hölle' vom beginnenden 12. Jahrhundert dar.50 Interessant ist
auch, dass einer der Überlieferungszweige der althochdeutschen Bibelglossen
fast ausschließlich aus Hirsauer Reformklöstern bezeugt ist.51 Auf die glossier-
ten Psalmen und Hymnen aus Admont habe ich bereits hingewiesen. Auch äl-
tere Vorlagen der vermutlich von Zisterziensern kompilierten St. Georgener
Predigten des 13. Jahrhunderts, könnten zu Teilen dem Hirsauer Reformkreis
entstammen, wie ihre Rezeption des ,St. Trudperter Hohelieds' zeigt.52 Bei den
50 Horst Brunner, Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick (Reclam
Universalbibliothek 9485), Stuttgart 1997, S. 82 zu ,Himmel und Hölle“, S. 91 zum ,Memento
mori“; Günther Schweikle, ,Memento mori“, in: Ruh, Verfasserlexikon (wie Anm. 10),
Bd. 6 (1987), Sp. 381-386; Wolfgang Irtenkauf, ,Heimo von Hirsau“, in: Ruh, Verfasserlexi-
kon (wie Anm. 10), Bd. 3 (1981), Sp. 651-653, hier Sp. 652 (zu ,Himmel und Hölle“), und
David R. McLintock, ,Himmel und Hölle“, in: Ruh, Verfasserlexikon (wie Anm. 10), Bd. 4
(1983), Sp. 21-24, hier Sp. 22.
51 Felix Heinzer, Rheinauer Handschriften und die Hirsauer Erneuerungsbewegung des 11.
und 12. Jahrhunderts, in: Ders., Klosterreform und mittelalterliche Buchkultur im deut-
schen Südwesten (Mittellatemische Studien und Texte 39), Leiden/Boston 2008, S. 386-405,
hier S. 397. Der Aufsatz befindet sich in dem Band als Teil des Kapitels ,Hochmittelalterhche
Benediktinerreform: Hirsau und sein Kreis“, S. 85-405; er wurde erstmals publiziert in: Hans
Rudolf Sennhauser (Hg.), Die Klosterkirche Rheinau III - Frühe Geschichte, Bau und
Ausstattung bis in die barocke Zeit (Zürcher Denkmalpflege. Monographien Denkmalpflege
6), Zürich/Egg 2007, S. 157-170.
52 Zur Rezeption des ,St. Trudperter Hohelieds“ in den ,St. Georgener Predigten“ siehe Kurt
Otto Seidel, ,Die St. Georgener Predigten“. Untersuchungen zur Überlieferungs- und Text-
geschichte (Münchener Texte und Untersuchungen 121), Tübingen 2003, S. 221-224. - Auch
die Althochdeutschen Predigtsammlungen A, B und C werden aufgrund ihrer .Geistesrich-
tung“ in den Umkreis der Cluniazensisch-Hirsauischen Reformbewegungen verortet: vgl.
David McLintock, .Althochdeutsche Predigtsammlungen A-C“, in: Ruh, Verfasserlexikon