Metadaten

Anzulewicz, Henryk; Breitenstein, Mirko [Hrsg.]; Melville, Gert [Hrsg.]
Die Wirkmacht klösterlichen Lebens: Modelle - Ordnungen - Kompetenzen - Konzepte — Klöster als Innovationslabore, Band 6: Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54634#0224
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
220 I Julia Burkhardt

und besonders seit dem 13. Jahrhundert eine Hochkonjunktur erlebte, ist in der
einschlägigen Forschung vielfach betont worden. Für diese „Renaissance“ wur-
den zahlreiche Gründe angeführt, von denen kursorisch nur einige genannt
seien: sich wandelnde Kommunikationsstrategien vor allem kirchlicher und re-
ligiöser Akteure, die Veränderung des Predigtwesens (insbesondere infolge des
Aufkommens der Bettelorden) oder aber Bemühungen verschiedener Orden
oder religiöser Gemeinschaften um eine interne, identitätsstiftende Didaxe.2
Damit bietet das Phänomen exemplarischen Erzählens im 13. Jahrhundert
zahlreiche Anknüpfungspunkte. Anders als in jüngeren Studien zu diesem
Thema geht es im Folgenden jedoch nicht um die Frage nach antiken „Wur-
zeln“ des Exempelgebrauchs im Mittelalter, um eine Typologie mittelalter-
licher Exempla oder um zeitgenössische begriffsgeschichtliche Überlegungen.
Vielmehr wird in einem doppelten Sinn die Funktionalität von Exempeln im
Mittelpunkt stehen: die Funktionalität des einzelnen Exempels als Kommuni-
kationsmedium einerseits und andererseits seine Bedeutung in der überliefern-
den Textsammlung und mithin seine Rückbindung an die jeweiligen Zeitum-
stände. Um das Spektrum exemplarischen Erzählens im 13. Jahrhundert
zumindest annähernd aufscheinen zu lassen, werden sowohl unterschiedliche
Arten von - indes ausschließlich lateinischen - Exempeln als auch verschie-
dene „Anwendungsgebiete“ von Exempeln berücksichtigt, namentlich aus
Werken Jakobs von Vitry, Vinzenz von Beauvais, Thomas’ von Cantimpre so-
wie Stephans von Bourbon.
Aus dem Werk des zuletzt genannten Dominikaners Stephan von Bourbon
(ca. 1180/90-1261), dem monumentalen Predigthandbuch Tractatus de diversis
materüs praedicabilibus, stammt die eingangs zitierte Geschichte von den lom-
bardischen Streitigkeiten. Sie kann gewissermaßen als Beispiel für ein „Durch-
schnittsexempel“ und seine typischen Eigenschaften herangezogen werden. Das
normative Anliegen der Geschichte und die sich daraus ableitende Handlungs-
option sind schnell zu erfassen: Wer sich dem Urteil eines Apostolischen Lega-
ten entzieht, es verspottet oder ihm den Gehorsam verweigert, geht seiner
Frömmigkeit und Gottesnähe verlustig.
Um diese Botschaft und die Schwere ihrer Folgen zu verdeutlichen, bedient
sich der Autor zweier Gewährsquellen. Der zentrale Akteur der Geschichte ist
2 S. hierzu Rudolf Kilian Weigand, Historiographie, Exempel und Predigt. Kommunikati-
onsinstrument in funktionaler Verflechtung: Literatur und mediale Inszenierungen, in:
Cristina Andenna/KEus HERBERs/Gert Melville (Hgg.), Die Ordnung der Kommunika-
tion und die Kommunikation der Ordnungen. Band 1: Netzwerke. Klöster und Orden im
Europa des 12. und 13. Jahrhunderts (Aurora 1.1), Stuttgart 2012, S. 181-202 sowie Markus
Schürer, Das Beispiel im Begriff. Aspekte einer begriffsgeschichtlichen Erschließung ex-
emplarischen Erzählens im Mittelalter, in: Mittellateinisches Jahrbuch 38 (2003), S. 199-237.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften