278 I Matthias M. Tischler
also die Des/Integration von solchem neuen Wissen zu den Innovationsleistun-
gen in Klöstern und Orden? Und trug die Konfrontation der religiösen Gemein-
schaften und ihres Lebens- und Bildungsideals mit dem Islam und seinen Ent-
würfen wirklich zu ihrer inneren Festigung bei oder führte sie nicht vielmehr zu
einer radikalen Infragestellung und Verwandlung der vertrauten monastischen
Lebenswelt des Früh- und Hochmittelalters?
2. Cluny vor, während und nach Petrus Venerabilis9
Cluny war die einzige monastische und religiöse Gemeinschaft der lateinischen
Kirche im Reformzeitalter, die aufgrund ihrer geographischen Ausdehnung und
traditionellen Orientierung nach Südfrankreich und den beiden Halbinseln des
Mediterraneum10 bereits auf eine längere Begegnungsgeschichte mit dem Islam
zurückblicken konnte. Insofern bildet die intellektuelle Auseinandersetzung
des Petrus Venerabilis, des letzten großen Abtes der „ecclesia Cluniacensis“, mit
dem Islam um die Mitte des 12. Jahrhunderts nur die vorläufige Schlussetappe
einer singulären Geschichte im lateinischen Mönchtum. Neu daran war, dass
nicht mehr nur alte Polemik gegen Muhammad und seine Anhänger aufgewärmt
wurde, sondern erstmals umfassend authentische Schriften des Islam aus dem
Arabischen ins Lateinische übertragen und studiert wurden. Freilich lag eine
solche Beschäftigung schon im früheren 12. Jahrhundert in der Luft: Das Inter-
esse an einem Studium des arabischen Qur’än in Toledo bezeugt einige Jahre vor
Petrus eine bislang unbekannte hagiographische Schrift aus dem südwestfran-
abendländischen Islamkenntnisse im 12. und 13. Jahrhundert. Versuch einer ordensge-
schichtlichen Topographie unheiligen Wissens“ in Dresden, 10. November 2008, und auf der
Sektion „Verbotene Passagen. Strategien der Verweigerung, Verhinderung und Unter-
brechung von religiösen Transfer- und Transformationsprozessen im transkulturellen Ver-
gleich“ auf dem 49. Deutschen Historikertag, Mainz, 28. September 2012, auseinanderge-
setzt. Wesentliche Gesichtspunkte dieser Präsentationen werden hier nun unter der
Perspektive ihres Innovationspotentials veröffentlicht.
9 Ich greife hier den Aufsatztitel auf von Gert Melville, Cluny apres ,Cluny“. Le treizieme
siede. Un champ de recherches, in: Francia 17, 1990, S. 91-124, und variiere ihn um die zent-
rale Person Petrus Venerabilis. Die cluniazensische Vorgeschichte zu Petrus Venerabilis ha-
ben unabhängig voneinander Benjamin 2. Kedar, Crusade and mission. European ap-
proaches toward the Muslims, Princeton (NJ.) 1984, S. 42f., 45-47, 54-56 und 84; Dominique
Iogna-Prat, Ordonner et exclure. Cluny et la societe chretienne face ä l’heresie, au judaisme
et ä l’islam 1000-1150 (Collection historique), Paris 1998, S. 324-332 nur sehr knapp geschil-
dert, weshalb ich sie hier um Aspekte erweitere, die bei beiden wenig oder gar keine Beach-
tung gefunden haben.
10 Joachim Wollasch, Cluny - ,Licht der Welt“. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen
Gemeinschaft, Zürich 1996,passim.
also die Des/Integration von solchem neuen Wissen zu den Innovationsleistun-
gen in Klöstern und Orden? Und trug die Konfrontation der religiösen Gemein-
schaften und ihres Lebens- und Bildungsideals mit dem Islam und seinen Ent-
würfen wirklich zu ihrer inneren Festigung bei oder führte sie nicht vielmehr zu
einer radikalen Infragestellung und Verwandlung der vertrauten monastischen
Lebenswelt des Früh- und Hochmittelalters?
2. Cluny vor, während und nach Petrus Venerabilis9
Cluny war die einzige monastische und religiöse Gemeinschaft der lateinischen
Kirche im Reformzeitalter, die aufgrund ihrer geographischen Ausdehnung und
traditionellen Orientierung nach Südfrankreich und den beiden Halbinseln des
Mediterraneum10 bereits auf eine längere Begegnungsgeschichte mit dem Islam
zurückblicken konnte. Insofern bildet die intellektuelle Auseinandersetzung
des Petrus Venerabilis, des letzten großen Abtes der „ecclesia Cluniacensis“, mit
dem Islam um die Mitte des 12. Jahrhunderts nur die vorläufige Schlussetappe
einer singulären Geschichte im lateinischen Mönchtum. Neu daran war, dass
nicht mehr nur alte Polemik gegen Muhammad und seine Anhänger aufgewärmt
wurde, sondern erstmals umfassend authentische Schriften des Islam aus dem
Arabischen ins Lateinische übertragen und studiert wurden. Freilich lag eine
solche Beschäftigung schon im früheren 12. Jahrhundert in der Luft: Das Inter-
esse an einem Studium des arabischen Qur’än in Toledo bezeugt einige Jahre vor
Petrus eine bislang unbekannte hagiographische Schrift aus dem südwestfran-
abendländischen Islamkenntnisse im 12. und 13. Jahrhundert. Versuch einer ordensge-
schichtlichen Topographie unheiligen Wissens“ in Dresden, 10. November 2008, und auf der
Sektion „Verbotene Passagen. Strategien der Verweigerung, Verhinderung und Unter-
brechung von religiösen Transfer- und Transformationsprozessen im transkulturellen Ver-
gleich“ auf dem 49. Deutschen Historikertag, Mainz, 28. September 2012, auseinanderge-
setzt. Wesentliche Gesichtspunkte dieser Präsentationen werden hier nun unter der
Perspektive ihres Innovationspotentials veröffentlicht.
9 Ich greife hier den Aufsatztitel auf von Gert Melville, Cluny apres ,Cluny“. Le treizieme
siede. Un champ de recherches, in: Francia 17, 1990, S. 91-124, und variiere ihn um die zent-
rale Person Petrus Venerabilis. Die cluniazensische Vorgeschichte zu Petrus Venerabilis ha-
ben unabhängig voneinander Benjamin 2. Kedar, Crusade and mission. European ap-
proaches toward the Muslims, Princeton (NJ.) 1984, S. 42f., 45-47, 54-56 und 84; Dominique
Iogna-Prat, Ordonner et exclure. Cluny et la societe chretienne face ä l’heresie, au judaisme
et ä l’islam 1000-1150 (Collection historique), Paris 1998, S. 324-332 nur sehr knapp geschil-
dert, weshalb ich sie hier um Aspekte erweitere, die bei beiden wenig oder gar keine Beach-
tung gefunden haben.
10 Joachim Wollasch, Cluny - ,Licht der Welt“. Aufstieg und Niedergang der klösterlichen
Gemeinschaft, Zürich 1996,passim.