288 I Matthias M. Tischler
Hugos vermittelte Muhammad-Tradition spielt in der weiteren Chronographie
des Hoch- und Spätmittelalters eine große Rolle.41 Gleichwohl ist Hugo nicht
der einzige Autor seiner Zeit gewesen, der Probleme hatte, sein Wissen zu
Muhammad zu präzisieren. So bezeugt der Benediktinerabt Guibert von No-
gent in seiner Geschichte des Ersten Kreuzzugs, dass er keine schriftlichen Auf-
zeichnungen zu Muhammads Leben und Handeln gefunden habe und sich da-
her auf einigermaßen vertrauenswürdige Teilnehmer des (Ersten) Kreuzzugs
verlassen müsse, die nach Frankreich zurückgekehrt seien.42
Wiberts Klage über fehlende zuverlässige Nachrichten über den Islam und die
lediglich punktuelle, noch nicht konzertierte Rezeption von zudem völlig unter-
schiedlichen Informationen zu Muhammad, die nicht zwischen den genannten
Klöstern selbst zu zirkulieren scheinen, legen ein gravierendes strukturelles De-
fizit des benediktinischen Mönchtums und insbesondere Clunys offen. Da sich
dieser Verband von recht unterschiedlichen Benediktinergemeinschaften noch
nicht in einen Orden mit einer straffen Organisations- und Kommunikations-
struktur verwandelt hatte, konnte er keine einheitlichen Bildungsstrukturen
aufbauen, die eine effektive und effiziente Verbreitung gemeinsamer Textgrund-
lagen, geschweige denn Handlungsanleitungen in der geistigen Auseinander-
setzung mit den Muslimen garantieren konnte. Die fehlende Intertextualität
zwischen den oben genannten literarischen Islamzeugnissen zeigt, dass das be-
nediktinische Reformmönchtum zwar schon personelle, aber noch keine
institutionellen Kommunikationsnetzwerke wie die späteren Orden etabliert
hatte.43 Demgegenüber besaßen die Zisterzienser später zwar mit Generalkapi-
tel, Filiations- und Visitationssystem alle kommunikativen Voraussetzungen für
die Aushandlung und Verbreitung gemeinsamer Auseinandersetzungsstrategien
42 I 3: „Plebeia opinio est quendam fuisse qui, si bene eum exprimo, Mathometus nuncupetur
... Cuius mores vitamque cum nusquam scripta didicerim, quae a quibusdam disertioribus
dici vulgo audierim null! debet esse mirum si dicere velim“, hg. von Robert B. C. Huygens,
Guitberti abbatis Sanctae Mariae Novigenti Historia quae inscribitur Dei gesta per Francos
quinque accedentibus appendicibus (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 127
A), Turnhout 1996, S. 77-352, hier S. 94 Z. 244f. und 253-255; vgl. John [V.] Tolan, Guibert
of Nogent, in: Thomas e. a. (Hgg.), Christian-Muslim relations, Bd. 3 (wie Anm. 31), S. 329-
334, hier S. 331.
43 Auf die unkoordinierte Entwicklung verschiedenster Auseinandersetzungsformen mit dem
Islam in den cluniazensischen Gemeinschaften und die fehlende Verbreitung dieser Entwür-
fe aufgrund fehlender gemeinsamer Kommunikationsplattformen und -Strukturen bin ich in
dem unveröffentlichten Vortrag „La France benedictine du xie siede. Espace de passages
islamo-chretiens avant l’epoque des croisades et de la reconquete“ eingegangen, den ich im
Atelier de FranceMed Jtinerances des savoirs et des biens culturels. Pour une analyse spatiale
des transferts culturels en Mediterranee medievale' am 11. März 2011 am Institut Historique
Allemand, Paris gehalten habe. Die wesentlichen Gedanken dieses Vortrags sind nun in die
vorliegende Publikation eingeflossen.
Hugos vermittelte Muhammad-Tradition spielt in der weiteren Chronographie
des Hoch- und Spätmittelalters eine große Rolle.41 Gleichwohl ist Hugo nicht
der einzige Autor seiner Zeit gewesen, der Probleme hatte, sein Wissen zu
Muhammad zu präzisieren. So bezeugt der Benediktinerabt Guibert von No-
gent in seiner Geschichte des Ersten Kreuzzugs, dass er keine schriftlichen Auf-
zeichnungen zu Muhammads Leben und Handeln gefunden habe und sich da-
her auf einigermaßen vertrauenswürdige Teilnehmer des (Ersten) Kreuzzugs
verlassen müsse, die nach Frankreich zurückgekehrt seien.42
Wiberts Klage über fehlende zuverlässige Nachrichten über den Islam und die
lediglich punktuelle, noch nicht konzertierte Rezeption von zudem völlig unter-
schiedlichen Informationen zu Muhammad, die nicht zwischen den genannten
Klöstern selbst zu zirkulieren scheinen, legen ein gravierendes strukturelles De-
fizit des benediktinischen Mönchtums und insbesondere Clunys offen. Da sich
dieser Verband von recht unterschiedlichen Benediktinergemeinschaften noch
nicht in einen Orden mit einer straffen Organisations- und Kommunikations-
struktur verwandelt hatte, konnte er keine einheitlichen Bildungsstrukturen
aufbauen, die eine effektive und effiziente Verbreitung gemeinsamer Textgrund-
lagen, geschweige denn Handlungsanleitungen in der geistigen Auseinander-
setzung mit den Muslimen garantieren konnte. Die fehlende Intertextualität
zwischen den oben genannten literarischen Islamzeugnissen zeigt, dass das be-
nediktinische Reformmönchtum zwar schon personelle, aber noch keine
institutionellen Kommunikationsnetzwerke wie die späteren Orden etabliert
hatte.43 Demgegenüber besaßen die Zisterzienser später zwar mit Generalkapi-
tel, Filiations- und Visitationssystem alle kommunikativen Voraussetzungen für
die Aushandlung und Verbreitung gemeinsamer Auseinandersetzungsstrategien
42 I 3: „Plebeia opinio est quendam fuisse qui, si bene eum exprimo, Mathometus nuncupetur
... Cuius mores vitamque cum nusquam scripta didicerim, quae a quibusdam disertioribus
dici vulgo audierim null! debet esse mirum si dicere velim“, hg. von Robert B. C. Huygens,
Guitberti abbatis Sanctae Mariae Novigenti Historia quae inscribitur Dei gesta per Francos
quinque accedentibus appendicibus (Corpus Christianorum. Continuatio Mediaevalis 127
A), Turnhout 1996, S. 77-352, hier S. 94 Z. 244f. und 253-255; vgl. John [V.] Tolan, Guibert
of Nogent, in: Thomas e. a. (Hgg.), Christian-Muslim relations, Bd. 3 (wie Anm. 31), S. 329-
334, hier S. 331.
43 Auf die unkoordinierte Entwicklung verschiedenster Auseinandersetzungsformen mit dem
Islam in den cluniazensischen Gemeinschaften und die fehlende Verbreitung dieser Entwür-
fe aufgrund fehlender gemeinsamer Kommunikationsplattformen und -Strukturen bin ich in
dem unveröffentlichten Vortrag „La France benedictine du xie siede. Espace de passages
islamo-chretiens avant l’epoque des croisades et de la reconquete“ eingegangen, den ich im
Atelier de FranceMed Jtinerances des savoirs et des biens culturels. Pour une analyse spatiale
des transferts culturels en Mediterranee medievale' am 11. März 2011 am Institut Historique
Allemand, Paris gehalten habe. Die wesentlichen Gedanken dieses Vortrags sind nun in die
vorliegende Publikation eingeflossen.