306 I Stefan Weinfurter
ständigen Aktionen in den Dienst des gesamten Bienenvolks stellen. Die neue
Bedeutung des Individuums deutet sich damit an, die mit der Forderung nach
intensivster Gewissensprüfung, nach persönlicher Verantwortung für die Vor-
bildlichkeit der eigenen Person und nach strengster Beachtung der Armut in der
Nachfolge Jesu verbunden war.
Dieser neue Reformansatz erzeugte hochrangige Reflexionen über Lebens-
entwürfe, Weltdeutungen und Wege der Naturerkenntnis. Aber sie entfalteten
ihre Wirkung nunmehr in elitären theologischen und wissenschaftlichen Krei-
sen und nicht mehr, wie in der ersten Aufschwungsphase, im Hinblick auf die
gesamte Gesellschaft. Die gelehrten Religiösen wurden zu Experten und Intel-
lektuellen und sie fügten sich ein in die neue Organisation der Universitäten.
Der Wissenschaftsbetrieb der Elite begann sich von der klösterlichen Welt zu
lösen, auch wenn von Seiten der Orden besonders günstige Bedingungen für die
wissenschaftliche Karriere einzelner Mitglieder geboten wurden. Albertus Ma-
gnus darf hier als herausragendes Beispiel gelten, und viele andere wären hinzu-
zufügen. Philosophie, Rechts- und Naturwissenschaften sowie Theologie flös-
sen nun, im späteren Mittelalter, ineinander. Aber dieser Wissenschaftsbetrieb
war, mit Ausnahme der Dominikaner, nicht mehr von einem originär klöster-
lichen Impetus getragen, auch wenn es klosterintern weiterhin gelehrte scholas-
tische Diskurse und gegensätzliche Positionen gab.
Im politischen Wettbewerb und Ausscheidungskampf seit dem 13. Jahrhun-
dert zeigte sich, dass die Klöster rasch in Rückstand gerieten. Nur wenige er-
reichten den Status einer Fürstabtei. Die meisten mussten sich im Zuge des Aus-
baus der Landesherrschaften in die Abhängigkeit von den geistlichen oder
weltlichen Landesherren begeben. In manchen Fällen wie bei Lorsch an der
Bergstraße wurden sie gänzlich in den Machtkämpfen aufgerieben. Auch im Be-
reich der großen wirtschaftlichen Organisationen entstand den Klöstern Kon-
kurrenz. An den Dimensionen der großen Handelsgesellschaften wie der Hanse,
der Ravensburger Handelsgesellschaft oder der Nürnberger Handelskonsortien
konnten sie sich ohnehin nicht mehr messen. Auf diesen und anderen Gebieten
büßten sie ihr Monopol im Laufe des späteren Mittelalters vollständig ein. Re-
formmaßnahmen blieben meist kleinräumig und ohne große Durchschlagskraft.
Bestenfalls bedienten sie die von ihnen geschaffenen „Klosterlandschaften“ und
verwalteten ihre Potenziale.
„Kloster“ und „klösterliches Leben“ sind, so ist zu sehen, dynamische Grö-
ßen, die sich im Mittelalter in einem raschen Veränderungsprozess befinden.
Wenn wir nach ihrer Wirkkraft fragen, ist es von entscheidender Bedeutung, die
Epochen ihrer Entwicklung zu beachten. Zwischen 1050 und 1150 treffen wir
auf umwälzende Impulse, die von der Idee der Urkirche und der vita communis
ausgegangen sind. Die Verschmelzung von Priesterkirche und Mönchsideal war
ständigen Aktionen in den Dienst des gesamten Bienenvolks stellen. Die neue
Bedeutung des Individuums deutet sich damit an, die mit der Forderung nach
intensivster Gewissensprüfung, nach persönlicher Verantwortung für die Vor-
bildlichkeit der eigenen Person und nach strengster Beachtung der Armut in der
Nachfolge Jesu verbunden war.
Dieser neue Reformansatz erzeugte hochrangige Reflexionen über Lebens-
entwürfe, Weltdeutungen und Wege der Naturerkenntnis. Aber sie entfalteten
ihre Wirkung nunmehr in elitären theologischen und wissenschaftlichen Krei-
sen und nicht mehr, wie in der ersten Aufschwungsphase, im Hinblick auf die
gesamte Gesellschaft. Die gelehrten Religiösen wurden zu Experten und Intel-
lektuellen und sie fügten sich ein in die neue Organisation der Universitäten.
Der Wissenschaftsbetrieb der Elite begann sich von der klösterlichen Welt zu
lösen, auch wenn von Seiten der Orden besonders günstige Bedingungen für die
wissenschaftliche Karriere einzelner Mitglieder geboten wurden. Albertus Ma-
gnus darf hier als herausragendes Beispiel gelten, und viele andere wären hinzu-
zufügen. Philosophie, Rechts- und Naturwissenschaften sowie Theologie flös-
sen nun, im späteren Mittelalter, ineinander. Aber dieser Wissenschaftsbetrieb
war, mit Ausnahme der Dominikaner, nicht mehr von einem originär klöster-
lichen Impetus getragen, auch wenn es klosterintern weiterhin gelehrte scholas-
tische Diskurse und gegensätzliche Positionen gab.
Im politischen Wettbewerb und Ausscheidungskampf seit dem 13. Jahrhun-
dert zeigte sich, dass die Klöster rasch in Rückstand gerieten. Nur wenige er-
reichten den Status einer Fürstabtei. Die meisten mussten sich im Zuge des Aus-
baus der Landesherrschaften in die Abhängigkeit von den geistlichen oder
weltlichen Landesherren begeben. In manchen Fällen wie bei Lorsch an der
Bergstraße wurden sie gänzlich in den Machtkämpfen aufgerieben. Auch im Be-
reich der großen wirtschaftlichen Organisationen entstand den Klöstern Kon-
kurrenz. An den Dimensionen der großen Handelsgesellschaften wie der Hanse,
der Ravensburger Handelsgesellschaft oder der Nürnberger Handelskonsortien
konnten sie sich ohnehin nicht mehr messen. Auf diesen und anderen Gebieten
büßten sie ihr Monopol im Laufe des späteren Mittelalters vollständig ein. Re-
formmaßnahmen blieben meist kleinräumig und ohne große Durchschlagskraft.
Bestenfalls bedienten sie die von ihnen geschaffenen „Klosterlandschaften“ und
verwalteten ihre Potenziale.
„Kloster“ und „klösterliches Leben“ sind, so ist zu sehen, dynamische Grö-
ßen, die sich im Mittelalter in einem raschen Veränderungsprozess befinden.
Wenn wir nach ihrer Wirkkraft fragen, ist es von entscheidender Bedeutung, die
Epochen ihrer Entwicklung zu beachten. Zwischen 1050 und 1150 treffen wir
auf umwälzende Impulse, die von der Idee der Urkirche und der vita communis
ausgegangen sind. Die Verschmelzung von Priesterkirche und Mönchsideal war