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Heeßel, Nils P.; Maul, Stefan M. [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 1): Divinatorische Texte: I. Terrestrische, teratologische, physiognomische und oneiromantische Omina — Wiesbaden: Harrassowitz, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.32126#0022
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ist dies ein weiterer Nachweis für den Informationsaustausch,
den die Gelehrten von Assur und Ninive pflegten. 60

Wie auch bei anderen Omenserien werden Tafeln der Serie
summci älu, die denselben Inhalt aufweisen, in verschiedenen
Schreiberschulen häufig unterschiedlich numeriert, wodurch die
Rekonstruktion der Serie oft sehr erschwert wird. 61 Auch in
Assur weichen die Tafelnumerierungen von der von S.M.
Freedman rekonstruierten kanonischen Abfolge 62 ab. So werden
die Ameisen-Omina in der Rekonstruktion als 37. Tafel der Serie
geführt, im Kolophon weist sich die Tafel A 441+ (Nr. 21) jedoch
als 35. Tafel aus 63 Völlig aus dem Rahmen fällt der Kolophon
von VAT 13805 (Nr. 37), der den Text, von dem nur ein
Löseritual erhalten ist, als 210. Tafel der Serie summa älu ein-
ordnet. 64 Bei den Schlangen-Omina wird dieselbe 23. kanoni-
sche Tafel einmal in VAT 10481+ (Nr. 9) als 21. Tafel, in A 453+
(Nr. 11) hingegen als 24. Tafel gezählt, so daß hierdurch in Assur
gleich zwei verschiedene Traditionen der Tafelanordnung vorlie-
gen. Wie folgenreich für die moderne Serienrekonstruktion sol-
che verschiedenen Tafelnumerierungen sein können, zeigen die
divergierenden Tafelzählungen der Schlangen-Omina aus Assur,
die seit der ersten Bearbeitung durch Friedrich Nötscher als
Varianten zur kanonischen, vor allem in Ninive überlieferten
Serie gelten und eine ‘alternative Tradition’ widerspiegeln sollen,
wenngleich sie auch in einzelnen Abschnitten Parallelen zu den
Ninive-Texten aufweisen. 65 Mittlerweile kann jedoch gezeigt
werden, daß die Schlangen-Omina aus Assur keine alternative
Tradition darstellen, sondern direkte Duplikate zu den Ninive-
Texten sind und genau wie diese der durch die Kataloge zur Serie
summa älu vorgegebenen Reihenfolge folgen, auch wenn sie in
der Tafelnumerierung abweichen.

Ausgangspunkt für die Annahme einer alternativen Tradition
der Schlangen-Omina in Assur war für Nötscher die Tafel VAT

6° Leider läßt sich wegen des auf K 74+ weggebrochenen Kolophons nicht
klären, ob A 441+ (Nr. 21) die Vorlage von K 74+ war, oder auch K 74+ von
dem babylonischen Original abgeschrieben wurde. Zu Tafeln aus Assur, die
in Ninive gefunden wurden, siehe E. Weidner, AfO 16 (1952-53) 202 (zur
Götterliste An - Anum und zu Opferschau-Omina) und vergleiche auch
Kolophone aus Ninive, die Assur als Herkunftsort der Vorlage nennen (H.
Hunger, BAK Nr. 318, Z. 5; Nr. 328, Z. 15). Zu Schreibern aus Assur, die in
Ninive tätig waren bzw. denen Texte aus Ninive zugeschrieben werden kön-
nen, siehe P. Villard, NABU 1998/16 und E. Frahm, Iraq 66 (2004) 47 mit
Anm. 18. Weiterhin dürften auch einige der ninivitischen Tafeln, die im
Kolophon den Originaltext als sa mät Assur^ 1 * * * * 6 „aus Assyrien“ bezeichnen,
auf Originale aus Assur zurückgehen. Zu Abschriften von Ninive-Texten in
Assur siehe H. Hunger, BAK Nr. 203.

61 Zu den Problemen der verschiedenen Tafelnumerierungen der astrologi-
schen Omenserie enüma Anu Enlil siehe J.C. Fincke, OrNS 70 (2001) 19-39.
Zu unterschiedlichen Tafelnumerierungen in der Serie summa älu siehe S.M.
Freedman, City I, 17 und ergänze dort noch die von S.M. Moren und B.
Foster, in: Gs. Sachs, 277-283 edierte babylonische Tafel YBC 16934, die
im Kolophon als 15. Tafel der Serie summa älu bezeichnet wird, obwohl sie
Adler-Omina enthält, die in den Tafeln 64-79 der kanonischen Serie erschei-
nen. In der 15. Tafel von summa älu wird das Verschütten von Wasser im
Haus thematisiert.

62 S.M. Freedman, City I, 17-23.

63 Die Numerierung von A 441+ (Nr. 21) stimmt mit einer ganzen Reihe ande-
rer Tafeln mit Tier-Omina überein, die auch gegenüber der rekonstruierten
Abfolge eine um zwei Tafeln niedrigere Zählung aufweisen, siehe hierzu
N.P. Heeßel, AfO 48-49 (2001-2002) 233 mit Anm. 9.

64 Siehe dazu bereits oben S. 4.

65 F. Nötscher, Orientalia 39-42 (1929) 83-154, “Tafel 21a” und “Tafel 22a und
b”.

10481 + VAT 10905 b, die von Erich Ebeling zusammen mit
zwei weiteren Fragmenten (VAT 10905 a und VAT 10905 c) als
KAR 389 publiziert wurde. Der in der zweiten Kolumne, Z. 13
erscheinende Vermerk “21. Tafel von ‘Wenn eine Stadt auf der
Anhöhe liegt’. 114 Einträge” notierte die davor in der ersten und
zweiten Kolumne niedergeschriebenen Omina als 21. Tafel und
implizierte weiterhin, daß die nach dem Vermerk folgenden
Schlangen-Omina einer 22. Tafel zuzuordnen seien. Dies harmo-
nierte gut mit der Ninive-Tafel K 2682+ (CT 38/32), die dassel-
be Incipit wie KAR 389 II 14 “Wenn eine Schlange sich auf dem
Bett eines Mannes lagert...” bietet und im Kolophon als 22. Tafel
ausgewiesen wird, kollidierte jedoch mit der aus anderen Tafeln
bekannten Abfolge der Tafeln 20-22 von summa älu 66 Noch
größere Probleme als die Tafelnumerierung der Kolophone bot
der eigentliche Text von KAR 389, der sich trotz einiger
Parallelen ebenso wie das Incipit des teilweise parallelen Textes
KAR 386 (hier Nr. 11) nicht mit den publizierten Schlangen-
Omina aus Ninive in Einklang bringen ließ. 67 Auf dieser
Grundlage gelten die Schlangen-Omina aus Assur bis heute als
Varianten zur herkömmlichen, vor allem in Ninive und in
Babylonien gefolgten Tradition.

Die Schwierigkeiten bei der Einordnung von VAT 10481+
gehen nicht zuletzt auf einige Versehen zurück, die Ebeling bei
der Edition des Textes als KAR 389 unterliefen. So vertauschte
er die Vorder- und Rückseite, vergaß, 16 Zeilen der Vorderseite
von VAT 10905 b mitzukopieren, ging bei der Rekonstruktion
von einer insgesamt vier anstelle von sechs Kolumnen umfassen-
den Tafel 68 aus und ordnete das zugehörige Stück VAT 10905 c
falsch an. Durch die Korrektur dieser Versehen ergibt sich ein
völlig neues Bild der Tafel, das gut mit der aus dem Assur-
Katalog bekannten Reihenfolge der Schlangen-Omina harmo-
niert. In der Neukopie von VAT 10481+ (Nr. 9, S. 155-159)
erscheint die Unterschrift zur “21.” Tafel nicht mehr in der
zwölften Zeile 69 der zweiten, sondern der vierten Kolumne. Die
in Zeile 13 auf die Unterschrift folgende Stichzeile ist mit dem

66 K 3698+ (CT 38/28-29) behandelt Lichterscheinungen, wird im Kolophon
als 20. Tafel ausgewiesen und bietet die Stichzeile zur 21. Tafel DIS ina E LÜ

ÜS ki-i TIIGILÜ BIÜS BIR-c//; E “Wenn im Haus eines Mannes ein Toter wie

ein Lebender gesehen wird: Dieser Mann wird sterben, Zerstreuen des

Hauses”. Die Tafel, auf die diese Stichzeile verweist (BM 40469 [CT 38/30-
31]) wird im Kolophon als 21. Tafel gezählt und bietet als Stichzeile zur 22.

Tafel DIS ina iliBÄRA U4 1-KÄM <NA> la-am TA § i§NÄ GIR-.v« ana KI [GAR-
nu ... “Wenn am ersten Tag des Monats Nisannu, bevor ein Mann noch sei-
nen Fuß aus dem Bett auf den Boden [stellt”. Diese Tafel ist dann die erste
Schlangen-Omina-Tafel, die durch K 1350 und K 2128+ (CT 38/33-36)
repräsentiert wird, siehe S.M. Freedman, City I, 308 und 329. Der Assur-
Katalog der Serie summa älu (KAR 394 und 407), dessen Incipits die Lösung
des Numerierungsproblems enthalten, wurde aufgrund seines in diesem
Bereich (22.-26. Tafel, KAR 407 II 15-20) beschädigten Zustands von
Nötscher nicht berücksichtigt.

6 7 Auch S.M. Moren, summa alu, 72-75 folgte in ihrer ursprünglichen
Rekonstruktion der Serie summa älu diesem Gedankengang und rekonstru-
ierte aus KAR 386, KAR 389 und K 2682+ zwei Variantentafeln zur 21. und
22. Tafel.

68 Daß die Tafel ursprünglich sechs Kolumnen umfaßt haben muß, geht ein-
deutig aus dem Fragment VAT 10905 c hervor, das in einer vier Kolumnen
umfassenden Tafel keinen Platz hat.

69 in Ebelings Kopie von KAR 389 S. 351 wird diese Zeile als 13. Zeile
gezählt, jedoch ist die von Ebeling angenommene erste, vollständig abgerie-
bene Zeile zu streichen, so daß sich die Zeilenzählung entsprechend verän-
dert.

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