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Maul, Stefan M.; Maul, Stefan M. [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 10, Teilband 1): Einleitung, Katalog und Textbearbeitungen — Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.57036#0020
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Einleitung

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(Nr. 4 und Nr. 5). die aus dem Tafelbestand des sog. Hauses des
Beschwörungspriesters kommen und vondemHeilerKisir-Assur
in unterschiedlichen Phasen seines beruflichen Werdegangs ge-
schrieben wurden, repräsentieren die Edition einer Therapiebe-
schreibung. die ursprünglich aus einer Folge von mindestens
zwei durch Stichzeilenverweise miteinander verknüpften Tafeln
bestand. Nur die erste davon ist auf uns gekommen. Sie enthält
die Darstellung eines ersten Abschnitts des Bannlösungsverfah-
rens. der im wesentlichen dem Handlungsverlauf entspricht, der
in dem ‘Leitfaden’ in den Zeilen 1 ’—25’ geschildert wurde. Die
Therapiebeschreibung 2 ist in manchem jedoch ausführlicher als
die aus dem ‘Leitfaden’ bekannte Schilderung. Dies betrifft zum
einen agenda und dicenda. mit deren Hilfe die Voraussetzungen
dafür geschaffen werden sollten, daß sich die von dem Bann ver-
ursachten. Krankheit auslösenden Kräfte wieder zurück auf den
personifizierten Bann übertragen ließen.43 Zum anderen werden
in anderen Beschreibungen unerwähnte Verfahren hervorgeho-
ben. die der Unschädlichmachung und Beseitigung dieser pa-
thogenen Kräfte dienen sollten. Die Therapie wurde empfohlen,
wenn der Bann bereits “im Leib des Menschen Wirkkraft entfal-
tet” hatte und sich am Kopf des Betroffenen immer wieder rote
und gelbe Flecken zeigten. Die Heilanzeige beschreibt damit ein
Krankheitsbild, das gegenüber dem in Therapiebeschreibung 1
genannten, ein weiter fortgeschrittenes Stadium repräsentiert.
Der ebenfalls in dem Haus der Heiler gefundene Text Nr. 6
enthält eine Fassung der Therapiebeschreibung 2. die so stark
gekürzt wurde, daß sie auf einer einzigen Tafel untergebracht
werden konnte. Die ersten 64 Zeilen enthalten die auch aus den
Textzeugen Nr. 4-5 bekannte Fassung. Im folgenden wurde aber
auf die Niederschrift der Passagen, welche die Entsorgung der
von dem Patienten genommenen pathogenen Kräfte betreffen
(Text Nr. 4 und Duplikate. 65-105). sowie auf die daran
anschließenden, uns noch unbekannten Abschnitte verzichtet.
Es zeigt sich, daß die Beschreibung der letzten Phase des
Bannlösungsverfahrens bis in Einzelheiten mit der Schilderung
übereinstimmt, die aus Therapiebeschreibung 1 bekannt ist.
Die Tafelunterschrift läßt erkennen, daß Text Nr. 6 in einen
größeren Kontext eingebunden war. Text Nr. 6 gehörte zu einer
sonst unbekannten Folge von Tafeln, die der Behandlung einer
fiebrigen Erkrankung namens sein gewidmet war. Nach Ansicht
der Heiler brachte setu ähnliche Krankheitszeichen hervor wie
das Bann-Leiden und konnte dessen Vorstufe bilden.44
Die mittelassyrische, ebenfalls aus Assur stammende Fassung
der Therapiebeschreibung 2 (hier Text Nr. 7) enthält wohl wie
Text Nr. 6 eine auf einer einzigen Tafel notierte Kurzversion
der Therapiebeschreibung 2 und folgt - von dem Fehlen einer
Beschwörung einmal abgesehen - den ersten 64 Zeilen der aus
den Textzeugen Nr. 4-5 bekannten Fassung. Da der Text an eben
dieser Stelle abbricht, ist unklar, ob die mittelassyrische Fassung
weiterhin dem Wortlaut von Text Nr. 4-5 entsprach. Das sehr
zerstörte Ende weicht von dem aus Text Nr. 6 bekannten
Abschluß der Therapiebeschreibung 2 vollständig ab.
Die aus Ninive (Nr. 8-9) und Kalhu (Nr. 10) stammenden
weiteren Textzeugen helfen zwar. Textlücken in der Therapie-
beschreibung 2 zu schließen. Die Tafelscherben sind aber so

43 Im wesentlichen handeln diese Abschnitte von der Auszahlung' des
personifizierten Banns.
44 Der setu genannten Erkrankung hat M. Stol in I. L. Finkel. M. J. Geller
(Hrsg.). CM 36. 22-39 eine Abhandlung gewidmet. Zu der Nähe, die
man zwischen beiden Erkrankungen sah. siehe den Kommentar zu Text
Nr. 4-10. 15" sowie Text Nr. 79. 69'.

klein, daß der größere Kontext, in dem die erhaltenen Passagen
standen, nicht mehr rekonstruiert werden kann. Er weicht jedoch
von dem der übrigen Textzeugen der Therapiebeschreibung 2
ab. Die aus Ninive stammenden Texte Nr. 8 und 9 geben mit
einem kurzen Zusatz (Z. 74a) Auskunft über die Situation, in der
die dort beschriebene Therapie vollzogen werden sollte. In bei-
den Fällen galt der König als Patient. In dem einen Fall sollte die
Heilbehandlung ausgeführt werden, als das dem König drohende
Unheil bereits durch eine Mondfinsternis angezeigt worden war
(Text Nr. 8). Das andere Mal wurde die Durchführung der Thera-
pie empfohlen, nachdem der König ungute Vorzeichen über sich
hatte ergehen lassen müssen, "die in meinem Palast und meinem
Land in Erscheinung traten” (Text Nr. 9).
Die Therapiebeschreibung 3 (hier Text Nr. 11) ist durch einen
einzigen Textvertreter bekannt, der aus Assur stammt und in
spätneuassyrischer Zeit von einem Heiler abgeschrieben wurde,
“um es durchzuführen”. Die Fundstelle der Tafel ist unbekannt.
Die darin beschriebene Behandlung sollte ein Leiden kurieren,
das man auf “Fluch” (arratu) und “Bann” (mänütu) zurückführte.
Die der sehr knappen Schilderung des Heilverfahrens
vorangestellte Symptombeschreibung ähnelt der. die aus der
Therapiebeschreibung 1 bekannt ist. auch wenn die Behandlung
in einem noch früheren Stadium einsetzen sollte, nämlich zu
einem Zeitpunkt, an dem der Betroffene noch keine ernsthaften
physischen Krankheitszeichen auftvies. In nur sieben Textzeilen
wird der Ablauf des Heilverfahrens grob umrissen. Wie in Text
Nr. 3 steht dabei der Umgang mit dem personifizierten Bann
im Mittelpunkt. Die Behandlung des von "Fluch” und "Bann”
betroffenen Menschen findet dabei keinerlei Erwähnung. Die
beiden in ihrem vollständigen Wortlaut niedergeschriebenen
Gebete, die an den Sonnen- und an den Mondgott gerichtet
sind, zeigen, daß das Fluch- und Bannlösungsverfahren zum
Teil bei Tag. zum Teil bei Nacht (oder aber am Vollmondtag
bei Sonnenuntergang und Mondaufgang) durchgeführt werden
sollte.
Die Therapiebeschreibung 4 (hier Text Nr. 12) ist nur durch
das kleine Bruchstück einer Tafel vertreten, die um die Mitte
des 7. Jh. v. Chr. für die königlichen Bibliotheken zu Ninive
angefertigt wurde. Darin blieb der Beginn der Beschreibung
eines Heilverfahrens erhalten, das durchgeführt werden sollte,
wenn die "Hand des Totengeistes” und die "Hand des Banns”
einen Menschen im Griff hielt. Das Grundmuster der nur in
einem kleinen Abschnitt erhaltenen Therapiebeschreibung
entspricht dem der Therapiebeschreibung 3.
Die Therapiebeschreibung 5 (hier Text Nr. 13) ist nur aus
einem kleinen, stark beschädigten Tafelbruchstück bekannt, das
aus dem sog. Haus des Beschwörungspriesters in Assur stammt.
Es gehört zu einer Tafel, in der (ebenso wie in der Therapiebe-
schreibung 2) ein Heilverfahren geschildert war. das es durch-
zuführen galt, "wenn ein Bann im Leib eines Menschen Wirk-
kraft entfaltet” hatte. Es blieben nur wenige Worte aus dieser
Therapiebeschreibung erhalten. Sie lassen immerhin erkennen,
daß der Heiler Manipulationen an einem aus Wachs gefertig-
ten Figürchen vornehmen sollte. Allein dies gibt der Therapie-
beschreibung 5 eine Sonderstellung. Figürchen, die aus Wachs
hergestellt wurden, spielten nämlich vor allem in Heilverfahren,
die auf die Abwehr von Schadenzauber zielen, eine große Rol-
le. Lediglich auf der Rückseite einer Tontafel aus neubabyIoni-
scher Zeit blieben Reste der Beschreibung eines Heilverfahrens
mit der Anweisung erhalten, das wächserne Figürchen eines
 
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