Textbearbeitungen: Nr. 1-2
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Im weiteren Verlauf des Ritualgeschehens hei - so wie in Z. 10”f. beschrieben - dem Patienten die Aufgabe zu.
durch das Schälen einer Zwiebel und das Aufdrehen einer Kordel sich selbst und wohl auch einer aus Familie.
Haushaltsangehörigen. Freunden und Nachbarn bestehenden Öffentlichkeit seine nun angehende Lösung von
dem ihn bedrückenden “Barm” sichtbar vor Augen zu führen. Das Schälen einer Zwiebel und das Aufdrehen
einer Kordel sollte seine bereits zuvor Schritt für Schritt vollzogene Befreiung von der pathogenen Kraft
des Banns symbolisieren und vielleicht sogar in der Weise eines Analogiezaubers mitbewirken (hierzu siehe
S. M. Maul. BaF 18. 82 mit zahlreichen Parallelen). Dieses Ritualgeschehen, das auch in Text Nr. 16-26. 25. 27
und 44. 46 und in Text Nr. 27-33. 79-80 erwähnt ist. entspricht bis in Einzelheiten Anweisungen, die aus der
als Surpu bezeichneten Therapie wohlbekannt und in den Gebeten der Surpu-Tafel 5-6 eigens aufgeführt sind:
Um den Akt des Schälens einer Zwiebel, des Abstreifens einer Dattelrispe (dazu siehe S. M. Maul. BaF 18. 82)
und des Auflösens einer Kordel (siehe dazu auch die Einleitung des Kommentars zu Text Nr. 55-62) kreist die
gesamte sumerische Beschwörung EN äs-hul gal5-lä-gin7 lü-ra ba-ni-in-gar (E. Reiner. Surpu. 30-31.
Tafel 5-6. 1-59). deren ursprünglicher ‘Sitz im Leben’ - wie die Zeilen 38-39 deutlich zeigen - ebenfalls eher
in dem hier besprochenen Bannlösungsverfahren zu suchen ist als in dem Surpu genannten Heilverfahren selbst.
Daher ist keineswegs auszuschließen, daß diese Beschwörung, obgleich in dem vorliegenden ‘Leitfaden’ nicht
erwähnt, auch in dem hier beschriebenen Kontext rezitiert wurde. In der Surpu-Tafel 5-6 ist darüber hinaus
vorgesehen, daß das Schälen der Zwiebel, das Abstreifen der Dattelrispe und das Auflösen der Kordel sowie
weitere analoge Handlungen jeweils mit kurzen, von Patient oder Therapieleiter zu sprechenden Beschwörungen
in akkadischer Sprache verbunden wurden (Surpu-Tafel 5-6. 60-72. 73-82. 82-92 etc.).
Die aus mittelhethitischer Zeit stammende Beschreibungen des "Rituals der Stadt Samuha” (CTH 480). in der
das Schälen einer Zwiebel und das Aufdrehen einer Kordel vorgeschrieben ist. erweckt ebenfalls den Eindruck,
daß diese Riten schon früh eng mit dem Bannlösungsverfahren verbunden waren. Aus den zugehörigen dicenda
wird nämlich deutlich, daß auch hier das erhoffte Ziel darin liegt, das Unheil, das von "(Mein-)Eid. Fluch und
papratar-Unreinheit” ausgeht, zu lösen (siehe R. Strauß. Reinigungsrituale aus Kizzuwatna. 205-208).
Nur aus dem ‘Leitfaden’ der als Surpu bezeichneten Therapie (LKA 91. Vs. 13ff.; E. Reiner. Surpu. 11-12)
erfahren wir weitere Einzelheiten des Ritualgeschehens. Nachdem er den Erkrankten mit Wasser besprengt
hatte, sollte der Therapieleiter die Zwiebel, die Kordel sowie weitere Dinge in seine Hand nehmen und offenbar
an den Kopf des Patienten halten (die von E. Reiner nicht vollständig entzifferte Passage [LKA 91. Vs. 15]
lautet wohl: [ana SAG.D]U GIG tü-ka-l[a\). wohl damit das dem Patienten anhaftende Übel von dessen Kopf
(siehe dazu den Kommentar zu Z. 7”) überginge auf die Zwiebel, die Kordel und die weiteren dort genannten
Materialien (vgl. auch Rm 246. Vs. 5 mit der Anweisung, eine solche Kordel auf den Kopf eines Patienten zu
legen). Da man in dem ansonsten sehr knapp formulierten Text auf den Hinweis, daß der Beschwörer selbst die
Zwiebel, die Kordel und die weiteren Materialien in seine Hand nehmen sollte, nicht verzichtete, scheint diese
Anweisung als besonders wichtig gegolten zu haben. Es ist daher recht wahrscheinlich, daß in der zugrunde
liegenden Vorstellung erst durch den physischen Kontakt mit der Person des Beschwörers, in der im Ritualverlauf
in gewisser Weise der ‘Heiland’ Asalluhi selbst inkarnierte (siehe hierzu auch S. M. Maul. BaF 18. 41). die
oben genannten Dinge ihre für das Ritual notwendige Wirksamkeit entfalteten. Die Anweisungen in LKA 91
erwecken den Eindruck, daß dies ohne die Rezitation von Beschwörungen vonstatten ging. Im folgenden sollte
dann ein isippu^"*ISIB) genannter Gehilfe Zwiebel. Kordel und weitere Dinge in die Hand des Kranken legen,
damit dieser dann die Zwiebel schälen, die Kordel aufdrehen und die weiteren Dinge abstreifen, zerrupfen und
auflösen konnte, bevor sie jeweils dem Feuer übergeben und verbrannt wurden. Man darf davon ausgehen, daß in
Analogie zu dem in LKA 91 beschriebenen Geschehen die Zwiebelschalen und die Fäden der aufgelösten Kordel
auch im Rahmen des Bannlösungsverfahrens verbrannt wurden, obgleich dies in dem zugehörigen ‘Leitfaden’
keine eigene Erwähnung fand.
In vielen weiteren Ritualkontexten war das Lösen von Zwiebel und Kordel so wie in der oben beschriebenen
Weise vorgesehen: siehe z. B. T. Abusch. Maqlü. 104. Tafel 5. 53-56; R. Borger. OrNS 54. 17. Z. 41-44
(zweisprachiges Gebet an den Sonnegott aus einem gynäkologischen Therapiekontext); S. M. Maul. BaF 18.259.
Z. x+7 (Vogelnamburbi 4); W. Mayer. UFBG 466-467. Z. 9-11 (Marduk 28); E. von Weiher. SpTU 2. Text
Nr. 12. Kol. III. 43 undD. W. Myhrman. PBS 1/1. Text Nr. 13. Z. 55 (bitrimki).
12” Auch der Wortlaut der hier genannten sumerischen Beschwörung ist aus der Textfolge bekannt, die W. Schramm
als "Ein Compendium sumerisch-akkadischer Beschwörungen” veröffentlichte (W. Schramm. Compendium.
76-77; 170-172 und 248. Beschwörung 16). Der Beginn der Zeile 12” des hier kommentierten ‘Leitfadens’ ist
dementsprechend nach den beiden Textvertretem CTN 4. Text Nr. 103. Rs. 38 und BM 34223+. Kol. III. 15’
(abweichend von der von W. Schramm gegebenen Umschrift) ergänzt:
EN gurun'"(!)-z,!'-" pü ges-sar-äm rgurun1 il-äm
EN en pü ges-sar-ta gurun i[l- ]
Obgleich der sumerische Begriff pü-®eäkiri6 zur Bezeichnung eines bewässerten Obstgartens durchaus geläufig
ist. zeigt der Beleg aus Z. 12 ”. daß hier und in den oben zitierten Textstellen statt p ü - gcäkiri6 wohl besser pü ges-
sar-ra/ta/äm zu lesen ist. ges-sar muß dann als Analogon zu dem besser bezeugten mu-sar (bzw. mü-sar)
= musarü, musarü verstanden werden. Der Wortlaut der Beschwörung EN gurun pü ges-sar-ra läßt keinen
Zweifel daran, daß dieser Text seinen ursprünglichen ‘Sitz im Leben’ ebenfalls in den Bannlösungsverfahren
hatte (siehe dazu W. Schramm. Compendium. 76. Z. 13-15). Auf die vorgesehene Behandlung des Kranken.
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Im weiteren Verlauf des Ritualgeschehens hei - so wie in Z. 10”f. beschrieben - dem Patienten die Aufgabe zu.
durch das Schälen einer Zwiebel und das Aufdrehen einer Kordel sich selbst und wohl auch einer aus Familie.
Haushaltsangehörigen. Freunden und Nachbarn bestehenden Öffentlichkeit seine nun angehende Lösung von
dem ihn bedrückenden “Barm” sichtbar vor Augen zu führen. Das Schälen einer Zwiebel und das Aufdrehen
einer Kordel sollte seine bereits zuvor Schritt für Schritt vollzogene Befreiung von der pathogenen Kraft
des Banns symbolisieren und vielleicht sogar in der Weise eines Analogiezaubers mitbewirken (hierzu siehe
S. M. Maul. BaF 18. 82 mit zahlreichen Parallelen). Dieses Ritualgeschehen, das auch in Text Nr. 16-26. 25. 27
und 44. 46 und in Text Nr. 27-33. 79-80 erwähnt ist. entspricht bis in Einzelheiten Anweisungen, die aus der
als Surpu bezeichneten Therapie wohlbekannt und in den Gebeten der Surpu-Tafel 5-6 eigens aufgeführt sind:
Um den Akt des Schälens einer Zwiebel, des Abstreifens einer Dattelrispe (dazu siehe S. M. Maul. BaF 18. 82)
und des Auflösens einer Kordel (siehe dazu auch die Einleitung des Kommentars zu Text Nr. 55-62) kreist die
gesamte sumerische Beschwörung EN äs-hul gal5-lä-gin7 lü-ra ba-ni-in-gar (E. Reiner. Surpu. 30-31.
Tafel 5-6. 1-59). deren ursprünglicher ‘Sitz im Leben’ - wie die Zeilen 38-39 deutlich zeigen - ebenfalls eher
in dem hier besprochenen Bannlösungsverfahren zu suchen ist als in dem Surpu genannten Heilverfahren selbst.
Daher ist keineswegs auszuschließen, daß diese Beschwörung, obgleich in dem vorliegenden ‘Leitfaden’ nicht
erwähnt, auch in dem hier beschriebenen Kontext rezitiert wurde. In der Surpu-Tafel 5-6 ist darüber hinaus
vorgesehen, daß das Schälen der Zwiebel, das Abstreifen der Dattelrispe und das Auflösen der Kordel sowie
weitere analoge Handlungen jeweils mit kurzen, von Patient oder Therapieleiter zu sprechenden Beschwörungen
in akkadischer Sprache verbunden wurden (Surpu-Tafel 5-6. 60-72. 73-82. 82-92 etc.).
Die aus mittelhethitischer Zeit stammende Beschreibungen des "Rituals der Stadt Samuha” (CTH 480). in der
das Schälen einer Zwiebel und das Aufdrehen einer Kordel vorgeschrieben ist. erweckt ebenfalls den Eindruck,
daß diese Riten schon früh eng mit dem Bannlösungsverfahren verbunden waren. Aus den zugehörigen dicenda
wird nämlich deutlich, daß auch hier das erhoffte Ziel darin liegt, das Unheil, das von "(Mein-)Eid. Fluch und
papratar-Unreinheit” ausgeht, zu lösen (siehe R. Strauß. Reinigungsrituale aus Kizzuwatna. 205-208).
Nur aus dem ‘Leitfaden’ der als Surpu bezeichneten Therapie (LKA 91. Vs. 13ff.; E. Reiner. Surpu. 11-12)
erfahren wir weitere Einzelheiten des Ritualgeschehens. Nachdem er den Erkrankten mit Wasser besprengt
hatte, sollte der Therapieleiter die Zwiebel, die Kordel sowie weitere Dinge in seine Hand nehmen und offenbar
an den Kopf des Patienten halten (die von E. Reiner nicht vollständig entzifferte Passage [LKA 91. Vs. 15]
lautet wohl: [ana SAG.D]U GIG tü-ka-l[a\). wohl damit das dem Patienten anhaftende Übel von dessen Kopf
(siehe dazu den Kommentar zu Z. 7”) überginge auf die Zwiebel, die Kordel und die weiteren dort genannten
Materialien (vgl. auch Rm 246. Vs. 5 mit der Anweisung, eine solche Kordel auf den Kopf eines Patienten zu
legen). Da man in dem ansonsten sehr knapp formulierten Text auf den Hinweis, daß der Beschwörer selbst die
Zwiebel, die Kordel und die weiteren Materialien in seine Hand nehmen sollte, nicht verzichtete, scheint diese
Anweisung als besonders wichtig gegolten zu haben. Es ist daher recht wahrscheinlich, daß in der zugrunde
liegenden Vorstellung erst durch den physischen Kontakt mit der Person des Beschwörers, in der im Ritualverlauf
in gewisser Weise der ‘Heiland’ Asalluhi selbst inkarnierte (siehe hierzu auch S. M. Maul. BaF 18. 41). die
oben genannten Dinge ihre für das Ritual notwendige Wirksamkeit entfalteten. Die Anweisungen in LKA 91
erwecken den Eindruck, daß dies ohne die Rezitation von Beschwörungen vonstatten ging. Im folgenden sollte
dann ein isippu^"*ISIB) genannter Gehilfe Zwiebel. Kordel und weitere Dinge in die Hand des Kranken legen,
damit dieser dann die Zwiebel schälen, die Kordel aufdrehen und die weiteren Dinge abstreifen, zerrupfen und
auflösen konnte, bevor sie jeweils dem Feuer übergeben und verbrannt wurden. Man darf davon ausgehen, daß in
Analogie zu dem in LKA 91 beschriebenen Geschehen die Zwiebelschalen und die Fäden der aufgelösten Kordel
auch im Rahmen des Bannlösungsverfahrens verbrannt wurden, obgleich dies in dem zugehörigen ‘Leitfaden’
keine eigene Erwähnung fand.
In vielen weiteren Ritualkontexten war das Lösen von Zwiebel und Kordel so wie in der oben beschriebenen
Weise vorgesehen: siehe z. B. T. Abusch. Maqlü. 104. Tafel 5. 53-56; R. Borger. OrNS 54. 17. Z. 41-44
(zweisprachiges Gebet an den Sonnegott aus einem gynäkologischen Therapiekontext); S. M. Maul. BaF 18.259.
Z. x+7 (Vogelnamburbi 4); W. Mayer. UFBG 466-467. Z. 9-11 (Marduk 28); E. von Weiher. SpTU 2. Text
Nr. 12. Kol. III. 43 undD. W. Myhrman. PBS 1/1. Text Nr. 13. Z. 55 (bitrimki).
12” Auch der Wortlaut der hier genannten sumerischen Beschwörung ist aus der Textfolge bekannt, die W. Schramm
als "Ein Compendium sumerisch-akkadischer Beschwörungen” veröffentlichte (W. Schramm. Compendium.
76-77; 170-172 und 248. Beschwörung 16). Der Beginn der Zeile 12” des hier kommentierten ‘Leitfadens’ ist
dementsprechend nach den beiden Textvertretem CTN 4. Text Nr. 103. Rs. 38 und BM 34223+. Kol. III. 15’
(abweichend von der von W. Schramm gegebenen Umschrift) ergänzt:
EN gurun'"(!)-z,!'-" pü ges-sar-äm rgurun1 il-äm
EN en pü ges-sar-ta gurun i[l- ]
Obgleich der sumerische Begriff pü-®eäkiri6 zur Bezeichnung eines bewässerten Obstgartens durchaus geläufig
ist. zeigt der Beleg aus Z. 12 ”. daß hier und in den oben zitierten Textstellen statt p ü - gcäkiri6 wohl besser pü ges-
sar-ra/ta/äm zu lesen ist. ges-sar muß dann als Analogon zu dem besser bezeugten mu-sar (bzw. mü-sar)
= musarü, musarü verstanden werden. Der Wortlaut der Beschwörung EN gurun pü ges-sar-ra läßt keinen
Zweifel daran, daß dieser Text seinen ursprünglichen ‘Sitz im Leben’ ebenfalls in den Bannlösungsverfahren
hatte (siehe dazu W. Schramm. Compendium. 76. Z. 13-15). Auf die vorgesehene Behandlung des Kranken.