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Maul, Stefan M.; Maul, Stefan M. [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts (Band 10, Teilband 1): Einleitung, Katalog und Textbearbeitungen — Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.57036#0107
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Bannlösung (nam-erim-bür-ru-da)

die die Rezitation der Beschwörung begleitete, ist darin kurz Bezug genommen. Während die in Z. 12” unseres
‘Leitfadens’ der Beschwörung zugeordnete Anweisung, den Patienten “mit einem (Palm)wedel aus dem Garten
abzureiben”, dort gänzlich unerwähnt bleibt, geht aus dem sumerischen Text hervor, daß derHeilerzurBannlösung
Datteln und Palm(fasem) (Variante: pes-gesnimbar = libbi gisimmari. Vegetationskegel der Dattelpalme) zur
Hand zu nehmen und “siebenmal zwei Kordeln” zusammenzuzwimen hatte, um damit den erkrankten Mensch zu
binden (Z. 9-12). Die Bitte, daß der Bann “gelöst werde wie die Datteln (von der Rispe)” und “aufgelöst wie die
Kordeln” (ebd.. Z. 15-16). weist darauf, daß das Abstreifen der Datteln von ihrer Rispe und das Aufdrehen der
zuvor genannten vierzehn Kordeln ebenfalls Teil des Ritualgeschehens waren. Ob es sich dabei jedoch um jene
vierzehn Kordeln handelt, die in unserem ‘Leitfaden’ erst in den Handlungsanweisungen der Z. 13” Erwähnung
finden, bleibt vorerst ungewiß. Es kann nämlich durchaus sein, daß - so wie dies bereits im Kommentar zu
Z. 10”f. festgestellt wurde - der Wortlaut der sumerischen Beschwörung aus dem Blickwinkel der Heiler so
eng mit den zugehörigen Handlungen verbunden war. daß deren nochmalige Erwähnung in einem ‘Leitfaden’
überflüssig erschien. In diesem Falle hätte der Kranke im folgenden Therapieabschnitt, der mit der Rezitation der
Beschwörung EN "eägcsnimbar kü-ga verbundenen war (Z. 13”). erneut vierzehn Kordeln auflösen müssen.
Der “(Palm)wedel aus dem Garten” hingegen, mit dem laut Z. 12” der Patient abgewischt werden sollte, blieb
in der Beschwörung EN gurun pü ges-sar-ra unerwähnt. Da indes in der Beschwörung, deren Rezitation
in Z. 13” vorgeschriebenen ist. tatsächlich von einem im Palmgarten abgerissenen “(Palm)wedel (pa = aru)"
die Rede ist. muß man in Erwägung ziehen, daß die Handlungsanweisungen, die in den Zeilen 12” und 13” des
hier kommentierten ‘Leitfadens’ stehen, versehentlich vertauscht und jeweils den falschen sumerischen dicenda
zugewiesen wurden. Zur Verwendung des Palmwedels bei der Behandlung von Kopfkrankheiten siehe auch
A. Attia. G. Buisson. JMC 2003/1. 1-24. Z. 21. Z. 37 und Z. 39.
13” Die in dieser Zeile zitierte sumerische Beschwörung ist wohl - obgleich die Anfangsworte nicht vollständig
übereinstimmen - identisch mit dem Textabschnitt aus der 13.-15. Tafel der Serie udug-hul. der mit der Zeile
EN sühus dalla kü-ga pü-kiri6-ta gar-ra = gisimmaru ellu süpü sa ina sippati saknu beginnt (siehe
M. J. Geller. SAACT 5. 171f._ udug-hul Tafel 13-15. 122-145 und ders.. Iraq 42. 28f._ Z. 51-88). Grund zu
dieser Annahme gibt auch die in der Beschwörung anzutreffende Schilderung des Ritualgeschehens (hierzu siehe
auch B. Böck. JNES 62. 6. Z. 27f. und ebd.. 9). Der Heiler sollte einen abgerissenen “(Palm)wedel (pa = aru)
der Dattelpalme”, über den die Beschwörung zu sprechen war. “dem Erkrankten auf den Kopf legen”, um
anschließend damit dessen “Glieder zu binden”. Dann hatte der Therapieleiter seinem Patienten em-Holz. “die
erhabene Waffe des An(um)”. auf den Kopf zu legen, um zu bewirken, daß die Schutzgeister, die sich von ihm
abgewandt hatten (udug sig5-ga. dlamma sig5-ga = sed dumqi, lamassi dumqi), und “sein Schöpfergott”
dem Patienten wieder zu Häupten träten und die ihn quälenden unguten Kräfte in die Flucht schlügen.
Die in Z. 13” notierten Handlungsanweisungen stehen hier entweder fälschlicherweise und gehören zu dem
vorherigen Abschnitt (s. o. zu Z. 12”). oder bei den hier genannten vierzehn Kordeln handelt es sich um die in
der Beschwörung EN "eägcsnimbar kü-ga erwähnten, aus Palmwedel gefertigten Schnüre, mit denen zuvor
“die Glieder (a-su-gir-bi = mesretlsu)" des Kranken gebunden worden waren.
14 ”-15” Die im zweiten Teil der Zeile aufgeführten Handlungsanweisungen sind auch aus der sumerischen Beschwörung
bekannt, die in Z. 10” zur Rezitation vorgeschrieben ist (siehe dazu oben). Der Wortlaut der im Zeilenanfang
genannten sumerischen Beschwörung ist zwar immer noch unbekannt, doch kann der Anfang des Incipits
sicher ergänzt werden, da die Beschwörung als EN gu dSäkkan-an-na auch in dem ‘Leitfaden’ zu dem
blt rimki ("Badehaus”) genannten Königsritual zur Rezitation vorgeschrieben ist (siehe E. von Weiher. SpTU 2.
Text Nr. 12. Kol. III. 46). dSäkkan-an-na (im Akkadischen wohl wie in R. Borger. JCS 21. 8. Z. 72 einfach
mit Sakkan wiedergegeben) ist der Gott der wilden Tiere. Als “Fäden des Sakkan” sind dementsprechend die
Fäden aus weißer und schwarzer Wolle bezeichnet, die es in diesem Therapieabschnitt zu zwirnen galt, um
mit ihnen Kopf und Gliedmaßen des Patienten zu binden und sie anschließend wieder zu lösen (siehe hierzu
den Kommentar zu Z. 10”f.). Ein Textabschnitt aus der 13.-15. Tafel der Serie udug-hul (M. J. Geller.
Iraq 42. 30-31. Z. 128-162; ders.. SAACT 5. 173. udug-hul Tafel 13-15. 167-183; siehe dazu auchB. Böck.
JNES 62. 6. Z. 29) kann zumindest eine vage Vorstellung von Inhalt und Aufbau der sumerischen Beschwörung
EN gu dSäkkan-an-na vermitteln, da auch in der aus udug-hul bekannten Passage die Herstellung eines
zweifarbigen Fadens beschrieben ist. der zum Binden der Glieder eines Kranken dienen sollte.
16” Der Wortlaut der hier genannten sumerischen Beschwörung ist aus der Textfolge bekannt, die W. Schramm
als “Ein Compendium sumerisch-akkadischer Beschwörungen” veröffentlichte (W. Schramm. Compendium.
58-59. 141-146 und 227-231. Beschwörung 9). Ein Teil des dazu gehörigen ‘Leitfadens’ mit der Beschreibung
eines Heilverfahrens blieb in E. von Weiher. SpTU 5. 235 erhalten. Die auf die hier zitierte Beschwörung zu
beziehenden, leider nur fragmentarisch auf uns gekommenen Handlungsanweisungen finden sich in SpTU 5.
235. Vs. l’-7’. Der ‘Leitfaden’ zu nam-erim-bür-ru-da schreibt vor. daß in dem hier kommentierten
Therapieabschnitt der Erkrankte mit zwei Gebäckstücken in Ohrenform abgerieben wurde (Zu der Lesung von
GAR GES PI als "",da-"cäGESTUG = hasisitu siehe S. M. Maul. NABU 1989. 6. Nr. 7). Die ungewöhnlich lange
Unterschrift, mit der die sumerische Beschwörung EN udug hul-gäl sag gub-ba-ba zumindest in zwei
Textvertretem versehen wurde, läßt - ebenso wie der Wortlaut der Beschwörung selbst - erkennen, daß das zur
Reinigung des Patienten verwendete Brot mit verschiedenen Lebensmitteln und Substanzen belegt wurde. Die
 
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