Textbearbeitungen: Nr. 14-15
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Zweckbestimmung dieser tönernen Objekte gilt nach wie vor als unklar (siehe E. Klengel-Brandt. N. Cholidis.
Die Terrakotten von Babylon. Textband [2006]. 22). Im Licht des vorliegenden Textes darf es freilich als sehr
wahrscheinlich gelten, daß diese Fundstücke - zumindest zu einem Teil - Relikte des hier beschriebenen Ritus
oder vergleichbarer Ritualabläufe sind.
W. Färber will in den Anweisungen der Z. 15 die Ausstattung für eine Art Quarantäne-Station sehen (W. Färber.
„How to marry a disease” [2004]. 130). die sicherstellt, daß der zu Heilende und der Ausgangspunkt der
Krankheit dauerhaft voneinander separiert werden. Diese Idee ist nicht falsch, denn die als Mitgift bestimmte
Grundausstattung des Haushaltes, die dem in die Unterwelt verbannten Paar übergeben wurde, wurde gewiß -
auch wenn der explizite Hinweis darauf noch fehlt - an einen unzugänglichen Ort gebracht und gemeinsam mit
dem Figürchen und dem Ferkel so bestattet, daß eine davon ausgehende Verunreinigung vermieden wurde (zu
entsprechenden Anweisungen siehe Text Nr. 1-2. 26”-27”; Nr. 3. 77-78; Nr. 4-10. 13 ”—14”).
Der in Z. 15 eigens erwähnte Geldbeutel (kisu) war mit Gold. Silber oder edlen Steinen zu füllen (siehe T. Abusch.
D. Schwemer. CMAwR 1. 258 und 263-264. Z. 26-27). Diese Gabe zählte einerseits zur Mitgift, die man dem
“ Abbild der Krankheiten" übereignete. Zum anderen aber läßt Text Nr. 4. 34-35 und 50-51 keinen Zweifel daran,
daß man Edelmetall und Steine auch als ein Lösegeld betrachtete, mit dem der Erkrankte sich von seinem Leiden
freikaufen sollte (hierzu siehe auch Text Nr. 1-2. 8’ mit dem zugehörigen Kommentar).
16 Die Anzahl der guhsü genannten, aus Rohr gefertigten Ständer, auf denen die für die lange Reise in die Unterwelt
bestimmten Lebensmittel (siehe Text Nr. 1-2. 6’-7’ und den zugehörigen Kommentar) abgelegt wurden, ist hier
nicht genannt. Sie dürfte der Anzahl der Proviantrationen entsprechen, die für die Jenseitsreise des Figürchens
und seiner Gattin vorgesehen waren. In Text Nr. 1-2. 6’ und Text Nr. 3. 16 und 25 ist von 14 solchen Portionen
die Rede. Da sie dort wohl für ein Paar bestimmt sind, dürfte dies insgesamt sieben Tagesrationen entsprechen.
17 Meine Idee, den Zeilenanfang in Anlehnung an W. Mayer. UFBG 511.12 (ina te-eh glGUHSU GAR-an) als [in]a
DA gu-uh-se-e SÄ5-ma zu ergänzen (siehe D. Schwemer. Akkadische Rituale aus Hattusa. 61 mit Anm. 176).
erweist sich als unzutreffend. Zum einen wäre es unsinnig, die inZ. 16 genannten Lebensmittel nicht auf. sondern
neben die Rohraltärchen zu legen. Zum anderen wird das Verb mullü, “etwas anfüllen mit’'. mit einem doppelten
Akkusativ konstruiert und nicht mit der Präposition ina.
Gegen W. von Soden (AHw 892b) ist die Form ta-qa-su nicht zu qädu. “anzünden”, zu stellen, sondern zu
dem Verb qiäsu(m), qäsu. “schenken”. Der Vergleich mit ähnlichen Ritualbeschreibungen läßt nämlich keinen
Zweifel daran, daß der einem Figürchen mitgegebene Reiseproviant am Ende des Ritualgeschehens gemeinsam
mit dem Figürchen bestattet und nicht verbrannt wurde (siehe z. B. Text Nr. 1-2. 24”).
20-26 Das an den Sonnengott gerichtete Gebet hat W. Mayer in UFBG 417 als Gebet “ Samas 51” gebucht.
23 Die in CAD M/I 38 s. v. magäru vorgeschlagene Ergänzung des Zeilenendes (mu-gur ta[s/Ttija]) geht auf die
Edition von E. Ebeling. MVAG 23/1, 46 zurück. Das letzte erhaltene Zeichen ist aber - anders als von Ebeling
angenommen - mit Sicherheit nicht das Zeichen ta-. Vielmehr ist das Zeichen si- recht deutlich zu erkennen. Die
inhaltlich unproblematische Verbindung sibütu + magäru. “einem Wunsch stattgeben”, ist in den Wörterbüchern
noch nicht gebucht.
24 Vor dem Sonnengott inszenierte man im rituellen Rahmen eine Art Gerichtsverhandlung, die zwischen dem
Patienten und dem hier als “Jegliches Böse” bezeichneten Figürchen ausgetragen wurde (Zu solchen Szenarien
siehe S. M. Maul. BaF 18. 60-71). Zu dem setting gehörte es. das Figürchen “vor Samas” aufzustellen.
3 -4 ’ Die Ergänzung der Zeilen 3 ’-5 ’ richtet sich nach der Parallelstelle Text Nr. 3. 69-71. Das gewiß auch hier an den
Sonnengott gerichtete Gebet thematisiert die ‘vertragliche Bindung’, die das Figürchen und die dahinter stehenden
Krankheiten verpflichteten, gegen Entgelt die ihnen im Ritualgeschehen zugewiesene Rolle einzunehmen.
5 ’ Die geringfügigen, in Textvertreter A. Rs. 20 erhaltenen Spuren könnten zu dieser Zeile passen. In Textvertreter
B. Rs. 6’ ist am Zeilenende vielleicht in Anlehnung an Text Nr. 3. 71 TU6.EN zu ergänzen.
6’ In dieser und den folgenden Zeilen war wohl der Abschluß des Ritualgeschehens beschrieben (vgl. die
entsprechenden Passagen in den Texten Nr. 1-2. 24”-27”; Nr. 3. 77-78; Nr. 4-10. 13 ”—14”).
Kolophon Die Rs. der Tafel VAT 8255 ist so stark beschädigt, daß kaum ein einziges Zeichen mit Sicherheit identifiziert
werden kann. Da aber in der Tafelunterschrift zumindest die Umrisse der einzelnen Keilschriftzeichen zu
erkennen sind, darf die hier vorgeschlagene Lesung dennoch als verläßlich gelten.
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Zweckbestimmung dieser tönernen Objekte gilt nach wie vor als unklar (siehe E. Klengel-Brandt. N. Cholidis.
Die Terrakotten von Babylon. Textband [2006]. 22). Im Licht des vorliegenden Textes darf es freilich als sehr
wahrscheinlich gelten, daß diese Fundstücke - zumindest zu einem Teil - Relikte des hier beschriebenen Ritus
oder vergleichbarer Ritualabläufe sind.
W. Färber will in den Anweisungen der Z. 15 die Ausstattung für eine Art Quarantäne-Station sehen (W. Färber.
„How to marry a disease” [2004]. 130). die sicherstellt, daß der zu Heilende und der Ausgangspunkt der
Krankheit dauerhaft voneinander separiert werden. Diese Idee ist nicht falsch, denn die als Mitgift bestimmte
Grundausstattung des Haushaltes, die dem in die Unterwelt verbannten Paar übergeben wurde, wurde gewiß -
auch wenn der explizite Hinweis darauf noch fehlt - an einen unzugänglichen Ort gebracht und gemeinsam mit
dem Figürchen und dem Ferkel so bestattet, daß eine davon ausgehende Verunreinigung vermieden wurde (zu
entsprechenden Anweisungen siehe Text Nr. 1-2. 26”-27”; Nr. 3. 77-78; Nr. 4-10. 13 ”—14”).
Der in Z. 15 eigens erwähnte Geldbeutel (kisu) war mit Gold. Silber oder edlen Steinen zu füllen (siehe T. Abusch.
D. Schwemer. CMAwR 1. 258 und 263-264. Z. 26-27). Diese Gabe zählte einerseits zur Mitgift, die man dem
“ Abbild der Krankheiten" übereignete. Zum anderen aber läßt Text Nr. 4. 34-35 und 50-51 keinen Zweifel daran,
daß man Edelmetall und Steine auch als ein Lösegeld betrachtete, mit dem der Erkrankte sich von seinem Leiden
freikaufen sollte (hierzu siehe auch Text Nr. 1-2. 8’ mit dem zugehörigen Kommentar).
16 Die Anzahl der guhsü genannten, aus Rohr gefertigten Ständer, auf denen die für die lange Reise in die Unterwelt
bestimmten Lebensmittel (siehe Text Nr. 1-2. 6’-7’ und den zugehörigen Kommentar) abgelegt wurden, ist hier
nicht genannt. Sie dürfte der Anzahl der Proviantrationen entsprechen, die für die Jenseitsreise des Figürchens
und seiner Gattin vorgesehen waren. In Text Nr. 1-2. 6’ und Text Nr. 3. 16 und 25 ist von 14 solchen Portionen
die Rede. Da sie dort wohl für ein Paar bestimmt sind, dürfte dies insgesamt sieben Tagesrationen entsprechen.
17 Meine Idee, den Zeilenanfang in Anlehnung an W. Mayer. UFBG 511.12 (ina te-eh glGUHSU GAR-an) als [in]a
DA gu-uh-se-e SÄ5-ma zu ergänzen (siehe D. Schwemer. Akkadische Rituale aus Hattusa. 61 mit Anm. 176).
erweist sich als unzutreffend. Zum einen wäre es unsinnig, die inZ. 16 genannten Lebensmittel nicht auf. sondern
neben die Rohraltärchen zu legen. Zum anderen wird das Verb mullü, “etwas anfüllen mit’'. mit einem doppelten
Akkusativ konstruiert und nicht mit der Präposition ina.
Gegen W. von Soden (AHw 892b) ist die Form ta-qa-su nicht zu qädu. “anzünden”, zu stellen, sondern zu
dem Verb qiäsu(m), qäsu. “schenken”. Der Vergleich mit ähnlichen Ritualbeschreibungen läßt nämlich keinen
Zweifel daran, daß der einem Figürchen mitgegebene Reiseproviant am Ende des Ritualgeschehens gemeinsam
mit dem Figürchen bestattet und nicht verbrannt wurde (siehe z. B. Text Nr. 1-2. 24”).
20-26 Das an den Sonnengott gerichtete Gebet hat W. Mayer in UFBG 417 als Gebet “ Samas 51” gebucht.
23 Die in CAD M/I 38 s. v. magäru vorgeschlagene Ergänzung des Zeilenendes (mu-gur ta[s/Ttija]) geht auf die
Edition von E. Ebeling. MVAG 23/1, 46 zurück. Das letzte erhaltene Zeichen ist aber - anders als von Ebeling
angenommen - mit Sicherheit nicht das Zeichen ta-. Vielmehr ist das Zeichen si- recht deutlich zu erkennen. Die
inhaltlich unproblematische Verbindung sibütu + magäru. “einem Wunsch stattgeben”, ist in den Wörterbüchern
noch nicht gebucht.
24 Vor dem Sonnengott inszenierte man im rituellen Rahmen eine Art Gerichtsverhandlung, die zwischen dem
Patienten und dem hier als “Jegliches Böse” bezeichneten Figürchen ausgetragen wurde (Zu solchen Szenarien
siehe S. M. Maul. BaF 18. 60-71). Zu dem setting gehörte es. das Figürchen “vor Samas” aufzustellen.
3 -4 ’ Die Ergänzung der Zeilen 3 ’-5 ’ richtet sich nach der Parallelstelle Text Nr. 3. 69-71. Das gewiß auch hier an den
Sonnengott gerichtete Gebet thematisiert die ‘vertragliche Bindung’, die das Figürchen und die dahinter stehenden
Krankheiten verpflichteten, gegen Entgelt die ihnen im Ritualgeschehen zugewiesene Rolle einzunehmen.
5 ’ Die geringfügigen, in Textvertreter A. Rs. 20 erhaltenen Spuren könnten zu dieser Zeile passen. In Textvertreter
B. Rs. 6’ ist am Zeilenende vielleicht in Anlehnung an Text Nr. 3. 71 TU6.EN zu ergänzen.
6’ In dieser und den folgenden Zeilen war wohl der Abschluß des Ritualgeschehens beschrieben (vgl. die
entsprechenden Passagen in den Texten Nr. 1-2. 24”-27”; Nr. 3. 77-78; Nr. 4-10. 13 ”—14”).
Kolophon Die Rs. der Tafel VAT 8255 ist so stark beschädigt, daß kaum ein einziges Zeichen mit Sicherheit identifiziert
werden kann. Da aber in der Tafelunterschrift zumindest die Umrisse der einzelnen Keilschriftzeichen zu
erkennen sind, darf die hier vorgeschlagene Lesung dennoch als verläßlich gelten.