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Gruppe behandelt zu werden (vgl. hier die Nr. 8-20), obwohl ein
und dieselbe Beschwörung je nach Überlieferungs- oder
Ritualkontext mit unterschiedlichen Gattungsbezeichnungen ver-
sehen werden konnte. 18 Ein recht einheitliches Bild der Rituale
dieses Typs vermitteln die Tafeln II und III des Großrituals
Maqlü. Sie überliefern eine ganze Serie von einander recht ähn-
lichen, in sich aber eigenständigen usburruda-Beschwörungs-
ritualen, die innerhalb des Großrituals nach dem Prinzip der
magischen Addition hintereinander aufgereiht werden. Es ist
daher nicht verwunderlich, daß als US| |-bür-ru-da bzw. usburrudü
bezeichnete Beschwörungsrituale auch außerhalb von Maqlü in
größerer Zahl begegnen. Doch leider stellt sich diese Text-
gruppe bei näherem Zusehen keineswegs so homogen dar, wie
die stereotypen Rubriken, verschiedene Katalogeinträge und das
recht einheitliche Bild in Maqlü II und III zunächst vermuten
lassen möchten.

Die sumerisch gehaltene Rubrik ka-inim-ma US| |-bür-ru-da-
kam „Wortlaut (der Beschwörung) zur Lösung von Hexerei“ 19 ist
schon in altbabylonischer Zeit einmal belegt; dort folgt sie einer
sumerischen Beschwörung gegen eine Hexe (VS 17, 31). Auch
in den Handschriften des 1. Jt. begegnen neben akkadischen
usburruda-Beschwörungen sumerische und zweisprachige Texte.
Das Corpus dieser jüngeren usburruda-Texte umfaßt zahlreiche
Tafeln und Fragmente, die dem geläufigen Schema Beschwörung
- Rubrik - Ritualanweisung folgen. Dabei richten sich die
Beschwörungen im Rahmen von Figurenzauber-Ritualen nicht
nur - wie v.a. in Maqlü II - an Gira, sondern häufig an Samas;
begleiten usburruda-Beschwörungen die einfache Anwendung
bestimmter Heilmittel, sind „Kultmittelbeschwörungen“, in
diesem Fall besser: „Heilmittelbeschwörungen“, nicht selten. 20
Daneben stehen jedoch andere Texte, die auf eine mehr oder
minder detaillierte Symptombeschreibung und Diagnose eine
Therapievorschrift folgen lassen; letztere kann die Rezitation
einer Beschwörung einschließen, ohne daß dies obligatorisch
wäre. Texte solcher Art können neben den Therapievorschriften
auch ausführliche Heilmittel-Inventare enthalten, die dann von
der summarischen Angabe „Soundsoviel Heilmittel für usburru-
da“ beschlossen werden.

Unter den Tafeln aus der Bibliothek Assurbanipals in Ninive
befinden sich einige wenige Fragmente, deren Kolophone davon
zeugen, daß dort eine usburruda-Tafelserie aufbewahrt wurde,
die zumindest 63, in der Regel wohl einkolumnige, Tafeln
umfaßte. 21 Verschiedene Indizien - nicht zuletzt die Tatsache,

18 Siehe hier die Bemerkungen zur Beschwörung kur-kur bfl bei Nr. 34
(VAT 13619; zu Vs. 15).

19 Die akkadische Entsprechung zu dieser sumerischen Wendung, ana piserti
kispT, dient ihrerseits als Einleitungsformel für bestimmte Abwehrzauber-
texte (s.o.). Diese akkadische Formel wird jedoch fast nie logographisch
geschrieben (einzige Ausnahmen wohl: K 72 (IV R 2 59/1) + 3400 + 9648
Rs. 24 und 82-3-23, 103: l’, vgl. auch BAM 214 Vs. I 10, 14). In der Regel
steht das Logogramm USn.BÜR.RU.DA für das akkadische Lehnwort
usburrudü „(Ritual) zur Lösung von Hexereien“.

20 Ein typisches Beispiel für eine solche Sammlung von usburruda-Texten ist
etwa die von T. Abusch, Fs. Wilcke, 1-14, vorgestellte Textgruppe.

21 Hierher gehören sicher BAM 438 (einkolumnig, 63. Tafel) und unpubl. BM
128037 (einkolumnig, 53. ? Tafel), sehr wahrscheinlich auch CT 51, 194
(einkolumnig, Tafelnummer und Serienbezeichnung nicht erhalten). Alle
drei Texte wurden in Hinsicht auf das Corpus der Abwehrzaubertexte vom
Verfasser (neu) kopiert.

daß eine solche usburruda-Serie in Texten babylonischer
Provenienz bisher nicht nachgewiesen werden kann - deuten
vielleicht darauf hin, daß diese usburruda-Serie ähnlich wie die
ninivitische namburbi-Serie erst in Ninive selbst eigens für
Assurbanipal in dieser Form zusammengestellt wurde 22

In der Bibliothek des Kisir-Assur in Assur läßt sich eine
andere usburruda-Serie nachweisen, deren einzelne Tafeln offen-
bar jeweils als soundsovielter nishu bezeichnet wurden 23 Das
mehrdeutige akkadische Wort nishu kann u.a. auch den
„Auszug“ aus einem umfänglichen Tafelwerk bezeichnen. Man
möchte deshalb nicht von vomherein ausschließen, daß die in
Assur nachweisbare usburruda-Serie von der großen ninivi-
tischen Sammlung im Sinne einer Kurzfassung abhängt. Beide
Tafelserien lassen sich aber bislang nicht rekonstruieren, so daß
Spekulationen über ihr gegenseitiges Verhältnis gegenwärtig
nicht weiterführen können.

Das Großritual Maqlü (vgl. hier Nr. 1-7) nimmt allein wegen
seines Umfangs eine Sonderstellung ein, basiert aber in wesent-
lichen Teilen auf der usburruda-Tradition und stellt sich in seiner
Gesamtstruktur trotz seiner Komplexität, trotz der vielen Erwei-
temngen und Wiederholungen als ein typisches Abwehrzauber-
ritual dar.

Neben Maqlü kennen wir eine ganze Reihe anderer recht
umfänglicher Rituale, die die Rezitation einer oder mehrerer
längerer Beschwörungen einschließen; freilich kommt keiner
dieser Ritualtexte in Hinsicht auf den Umfang Maqlü auch nur
nahe. Texte dieser Art werden häufig von Symptombeschreibung
und Diagnose eingeleitet, daneben begegnen aber ebenso mit ana
eingeleitete Indikationssätze; oft fehlt jedes Einleitungsformular.
Die meisten umfangreicheren Abwehrzauberrituale wurden
offenbar nie in Serien zusammengefaßt, sondem einzeln über-
liefert und teilweise, wie Stichzeilen zeigen, in den diversen
Bibliotheken zu jeweils unterschiedlichen Tafelsammlungen
zusammengefügt 24

Eine Reihe von Ritualen richtete sich gegen spezielle
Formen der Behexung (etwa zikurudü, vgl. hier Nr. 34-35).
Hinzu kommen schließlich Großrituale, innerhalb derer die
Abwehr von Schadenzauber nur einen Teilaspekt des
Ritualzwecks darstellte, wie dies vor allem für das königliche
Reinigungsritual Blt rimki gut dokumentiert ist.

Abwehrzauberrituale aus Assur:

Bemerkungen zum hier vorgelegten Textcorpus

Für das oben skizzierte Corpus der Abwehrzauberrituale bilden
die Textfunde aus Assur neben den königlichen Bibliotheken
Ninives nach wie vor die wichtigste in sich weitgehend geschlos-
sene Quellengruppe. Die meisten einschlägigen Texte dürften
aus nur einer Bibliothek stammen, deren Überreste man im soge-
nannten „Haus des Beschwörungspriesters“ fand; freilich läßt

22 Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch die Briefe SAA 10, 245 und
255. Zur ninivitischen namburbi-Serie siehe S.M. Maul, BaF 18, 216-221.

23 Siehe hier Nr. 14 (VAT 13641), vgl. auch Nr. 34 (VAT 13619). Diese Art
der Zählung begegnet auch sonst in der Bibliothek des Kisir-Assur; siehe
schon H. Hunger, ABK 20.

24 Vgl. hier etwa Nr. 29 (VAT 13702, LKA 158).

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